VwGH 2009/13/0139

VwGH2009/13/013929.1.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 1/23 in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 4. Juni 2009, Zl. RV/1845-W/09, betreffend Umsatzsteuer 2003 bis 2007 (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde G), zu Recht erkannt:

Normen

KStG §2 Abs3;
UStG 1994 §12 Abs3;
UStG 1994 §2 Abs1;
UStG 1994 §6 Abs1 Z23;
VwGG §42 Abs2 Z3;
KStG §2 Abs3;
UStG 1994 §12 Abs3;
UStG 1994 §2 Abs1;
UStG 1994 §6 Abs1 Z23;
VwGG §42 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Die Mitbeteiligte, eine Gemeinde, errichtete 2003 ein Gebäude für den Betrieb eines Schülerhortes. In den Jahren 2003 bis 2006 wurden im Gebäude Volksschulkinder betreut. Ab 2007 war zudem der Kindergarten der Mitbeteiligten im Gebäude untergebracht.

Die Kinderbetreuung im Schülerhort wurde im Streitzeitraum von der Volkshilfe Niederösterreich im Auftrag der Mitbeteiligten durchgeführt. Für die Verpflegung und Nachmittagsbetreuung der Volksschüler wurden von den Eltern bzw. Erziehungsberechtigten Beiträge (rund 6.000 EUR jährlich) eingehoben. Aus der Errichtung des Gebäudes zur Unterbringung der Hortkinder sowie aus dem laufenden Betrieb des Schülerhortes machte die Mitbeteiligte in den Jahren 2003 bis 2007 Vorsteuerbeträge geltend.

 

Im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung für die Jahre 2003 bis 2007 vertrat der Prüfer die Auffassung, dass die Verpflegung und Nachmittagsbetreuung von Schülern an ganztägigen öffentlichen Schulen gegen Einhebung von Unkostenbeiträgen nach dem jeweiligen Schulorganisationsgesetz der Länder keinen Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft öffentlichen Rechts darstelle, weshalb die 2003 bis 2006 geltend gemachte Vorsteuer aus den Errichtungskosten des in Rede stehenden Gebäudes und dem laufenden Betrieb des Schülerhortes nicht abziehbar sei. Ab 2007 liege eine gemischte Nutzung vor, weil das Gebäude auch durch den Kindergarten benutzt werde, weshalb die Vorsteuer 2007 anteilig zu kürzen sei. Gleichzeitig sei die auf Elternbeiträge zum Betrieb des Schülerhortes erhobene Umsatzsteuer der Jahre 2003 bis 2007 zu neutralisieren.

Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erließ entsprechende - gemäß § 200 Abs. 2 BAO endgültige - Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2007.

Die Mitbeteiligte berief gegen die angeführten Umsatzsteuerbescheide und brachte vor, ihre unternehmerische Tätigkeit bestehe in der Nachmittagsbetreuung und Beaufsichtigung von Volksschulkindern. Für die Verpflegung und Betreuung werde von den Eltern ein Entgelt eingehoben, welches in den Jahren 2003 bis 2007 der Umsatzsteuer unterzogen worden sei. Zu den Ausführungen des Prüfers, wonach die Verpflegung und Nachmittagsbetreuung von Schülern an ganztägigen öffentlichen Schulen keinen Betrieb gewerblicher Art bilde, werde angemerkt, dass die streitgegenständliche Verpflegung und Nachmittagsbetreuung nicht in einer ganztägigen öffentlichen Schule, sondern in einem eigenen Gebäude erfolge.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die gegenständliche Nachmittagsbetreuung der Volksschulkinder nicht durch das in Rz 272 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2000 angesprochene NÖ Pflichtschulgesetz 2003, sondern durch das NÖ Kinderbetreuungsgesetz 1996 (NÖ KBG 1996) geregelt werde. Die in der Nachmittagsbetreuung tätigen Erzieher seien der Schulleitung der öffentlichen Volksschule weder unterstellt, noch dieser dienstrechtlich verantwortlich. Die Kinder würden auch nicht im Gebäude der öffentlichen Volksschule betreut. In § 1 Abs. 1 und 2 NÖ KBG 1996 werde die regelmäßige, entgeltliche Tagesbetreuung von Kindern und Jugendlichen außerhalb der Familie und der Nachbarschaftshilfe geregelt, die nach § 1 Abs. 2 Z 3 leg. cit. auch in einem Hort erfolgen könne, in dem Kinder und Jugendliche außerhalb des Schulunterrichts betreut würden. Dabei handle es sich um eine Tätigkeit, die durch einen privatrechtlichen Betreuungsvertrag zwischen der Mitbeteiligten und den Eltern (Erziehungsberechtigten) begründet werde und nicht der Mitbeteiligten als juristischer Person des öffentlichen Rechts vorbehalten sei. Hinsichtlich des Schülerhortes sei eine unternehmerische Betätigung der Mitbeteiligten von wirtschaftlichem Gewicht und somit ein Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft öffentlichen Rechts gegeben.

Dagegen richtet sich die vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Verwaltungsakten vorgelegt. Die Mitbeteiligte hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt.

Nach § 2 Abs. 3 UStG 1994 sind Körperschaften des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1988) und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig.

Nach § 6 Abs. 1 Z 23 UStG 1994 sind umsatzsteuerbefreit "die Leistungen der Jugend-, Erziehungs-, Ausbildungs-, Fortbildungs- und Erholungsheime an Personen, die das 27. Lebensjahr nicht vollendet haben, soweit diese Leistungen in deren Betreuung, Beherbergung, Verköstigung und den hiebei üblichen Nebenleistungen bestehen und diese von Körperschaften öffentlichen Rechts bewirkt werden".

Gemäß § 12 Abs. 3 UStG 1994 ist der Vorsteuerabzug nicht gegeben, wenn die empfangenen Lieferungen oder sonstigen Leistungen zur Ausführung steuerfreier Umsätze - von bestimmten, im Wesentlichen den in § 6 Abs. 1 Z 1 bis 6 angeführten steuerfreien Umsätzen abgesehen - eingesetzt werden.

Nach Art. XIV Z 1 des Bundesgesetzes über Begleitmaßnahmen zum UStG 1994, BGBl. 21/1995 idF BGBl. 756/1996, ist die Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 23 UStG 1994 nicht anzuwenden, wenn a) die Körperschaft bei dem für die Erhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt eine schriftliche Erklärung abgibt, dass sie ihre Betätigung in erheblichem Umfang privatwirtschaftlich organisiert und ausgerichtet hat und die Steuerbefreiung zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen könnte oder b) das Bundesministerium für Finanzen mit Bescheid feststellt, dass Umstände im Sinne der lit. a vorliegen.

Die Amtsbeschwerde macht in Bezug auf die Umsatzsteuer 2003 bis 2007 Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und wendet sich dabei sowohl gegen die "Annahme eines Betriebes gewerblicher Art einer Körperschaft öffentlichen Rechts iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 und daraus resultierend Zuerkennung der Unternehmereigenschaft im Zusammenhang mit der Errichtung bzw. Betrieb des für Volksschulkinder eingerichteten Schülerhortes" als auch - alternativ - gegen die "Zuerkennung des Vorsteuerabzuges unter Außerachtlassung der zwingenden (unechten) Steuerbefreiung iSd § 6 Abs. 1 Z 23 UStG 1994 bzw. Nichtberücksichtigung der Vorsteuerausschlussbestimmung iSd § 12 Abs. 3 UStG 1994".

Was den Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft öffentlichen Rechts betrifft, gleicht der vorliegende Beschwerdefall in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht jenem, über den der Verwaltungsgerichtshof mit dem Erkenntnis vom heutigen Tag, 2010/13/0006, entschieden hat. Auf dieses Erkenntnis wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen. Aus den im angeführten Erkenntnis dargelegten Gründen ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass auch der hier in Rede stehende Schülerhort einen Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft öffentlichen Rechts iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 darstellt, weshalb sich die Beschwerde in diesem Punkt als unberechtigt erweist.

Soweit sich die Beschwerde gegen die "Zuerkennung des Vorsteuerabzuges unter Außerachtlassung der zwingenden (unechten) Steuerbefreiung iSd § 6 Abs. 1 Z 23 UStG 1994 bzw. Nichtberücksichtigung der Vorsteuerausschlussbestimmung iSd § 12 Abs. 3 UStG 1994" wendet (eine Optionserklärung nach dem Bundesgesetz über Begleitmaßnahmen zum UStG 1994 liege auch nicht vor), zeigt sie hingegen einen Begründungsmangel auf, weil der angefochtene Bescheid keine Ausführungen zur Steuerbefreiung und zur korrespondierenden Vorsteuerausschlussbestimmung oder zum Vorliegen der Optionserklärung enthält. Grundsätzlich kann eine fehlende Bescheidbegründung auch nicht in der Gegenschrift (so zum Vorliegen der Optionserklärung) nachgetragen werden.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben war.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 29. Jänner 2014

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