Normen
AlVG 1977 §9 Abs2 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §9 Abs2 idF 2007/I/104;
EStG 1988 §16 Abs1;
EStG 1988 §34 Abs8;
EStG 1988 Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes 1995 §1;
EStG 1988 Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes 1995 §2 idF 2001/II/449;
StudFG 1983 §13 Abs4;
StudFG 1992 §26 Abs3;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist auf das hg. Erkenntnis vom 31. Juli 2012, 2008/13/0086, zu verweisen, in dem für den Zeitraum August bis Dezember 2006 dieselben Streitfragen zu beurteilen waren, die auch im vorliegenden, das Jahr 2007 betreffenden Streitfall im Hinblick auf denselben, vom Zweitwohnsitz in Linz aus zum Arbeitsplatz nach Laakirchen pendelnden Mitbeteiligten mit Familienwohnsitz in Pöchlarn aufgeworfen werden. Ein Unterschied besteht im Verhältnis zum bereits entschiedenen Fall nur insofern, als auf den Standpunkt des auch dort beschwerdeführenden Finanzamts, dem Mitbeteiligten wäre die tägliche Rückkehr von Laakirchen nach Pöchlarn zumutbar gewesen, mit Rücksicht auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot im Vorerkenntnis nicht eingegangen werden musste.
Im nunmehr angefochtenen, das Folgejahr betreffenden Bescheid verneinte die belangte Behörde die Frage der Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr an den Familienwohnsitz nach ausführlicher Erörterung dieser Frage mit den Parteien. Sie stellte dazu im Wesentlichen fest, die Strecke von Pöchlarn nach Laakirchen und zurück lasse sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur unter Inkaufnahme jeweils mehrstündiger Fahrzeiten (sechs Stunden für die Hinfahrt, mehr als zweieinhalb Stunden für die Rückfahrt) bewältigen, wohingegen sie auf der Straße - bei einer Entfernung von rund 131 km, davon rund 125 km Autobahn - "im Normalfall unter Ausnutzung der Höchstgeschwindigkeiten in jeweils rund 70 Minuten zurücklegbar" sei. Tägliches Pendeln im Ausmaß von insgesamt etwa 260 km erachtete die belangte Behörde trotz der guten Straßenverbindung als unzumutbar, wozu sie u.a. auf die dadurch entstehenden Kosten und das erhöhte Verkehrsrisiko verwies.
Die vorliegende Amtsbeschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid auch in diesem Punkt, diesmal auf der Grundlage eines dazu schon im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringens.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.
Der Mitbeteiligte hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zu den Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 zählen als "Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen" nach ständiger Rechtsprechung auch unvermeidbare Mehraufwendungen, die dem Abgabepflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss und ihm die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz (vgl. mit Hinweisen auf Vorjudikatur und Ausführungen zum Wohnen "am Beschäftigungsort" das schon erwähnte Erkenntnis vom 31. Juli 2012, 2008/13/0086).
In Rz 342 der Lohnsteuerrichtlinien 2002 - mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt keine für den Verwaltungsgerichtshof beachtliche Rechtsquelle - wird dazu die Auffassung vertreten, die Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr sei "grundsätzlich dann anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 120 Kilometer entfernt ist. In begründeten Einzelfällen kann schon bei einer kürzeren (schlechte Verkehrsverbindungen oder unregelmäßige Arbeitszeit) Wegstrecke Unzumutbarkeit angenommen werden. Abzustellen ist jedenfalls auf das tatsächlich benutzte Verkehrsmittel" (vgl. in einem ähnlichen Zusammenhang auch Rz 704 der Richtlinien, dort mit "jedenfalls" statt "grundsätzlich").
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 19. September 1995, 91/14/0227, ausgeführt, die tägliche Rückkehr sei zumutbar, wenn die Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Familienwohnort 78 km betrage und "überdies" fast zur Gänze auf der Autobahn zurückgelegt werde, was einer Fahrzeit von "maximal einer Stunde" entspreche.
Mit dem Erkenntnis vom 25. Februar 2003, 99/14/0340, wurde ein Bescheid bestätigt, in dem die tägliche Rückkehr an einen von der Arbeitsstätte 83 km entfernten Familienwohnsitz als zumutbar erachtet wurde, weil dies "keine unüblich weite Entfernung" sei und ein Großteil der Strecke auf der Autobahn zurückgelegt werden könne. Mit dem Hinweis auf die Ermüdung durch die Konzentration auf den Verkehr und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der Arbeitskraft werde eine Unzumutbarkeit der täglichen Heimfahrt ebenso wenig aufgezeigt wie mit dem Vorbringen, aus volkswirtschaftlichen Überlegungen (Ersparnis möglicher Unfallkosten) und aus Gründen des Umweltschutzes sei dem Unterhalten einer Zweitwohnung der Vorzug zu geben.
Im Erkenntnis vom 8. Februar 2007, 2004/15/0102, VwSlg 8200/F, wurde dem dort beschwerdeführenden Finanzamt entgegengehalten, es habe mit dem in Bezug auf drei vom Familienwohnsitz in Bregenz rund 56, 65 und 97 km entfernte Arbeitsorte in der Schweiz erstatteten Vorbringen, Arbeitsbeginn und Arbeitsende fielen nicht in die Verkehrsstoßzeiten und zwei der Arbeitsorte seien in unmittelbarer Nähe der Autobahn gelegen, keine Rechtswidrigkeit der Beurteilung der täglichen Rückkehr als unzumutbar aufgezeigt. Die bloße Angabe der Entfernung reiche nicht aus, um die Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr begründen zu können, und über die "Art der Wegstrecke" sei auch mit dem Hinweis auf die Nähe von zwei der drei Arbeitsorte zur Autobahn nichts dargetan.
Zuletzt hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 15. September 2011, 2008/15/0239, unter Hinweis auf die Erkenntnisse vom 19. September 1995 und 25. Februar 2003 ausgesprochen, der geltend gemachte Unterschied zwischen der im Bescheid angenommenen Strecke von 71 km und der in der Beschwerde behaupteten von 73 km sei nicht entscheidungswesentlich, und auch die geltend gemachte Fahrzeit von einer Stunde (unter Einschluss von Grenzwartezeiten) überschreite nicht das vom Verwaltungsgerichtshof schon als zumutbar erachtete Ausmaß.
Die Zumutbarkeit eines täglichen Pendelns über eine Entfernung von rund 131 km bei einer Fahrzeit - "im Normalfall unter Ausnutzung von Höchstgeschwindigkeiten" - von etwa 70 Minuten in einer Richtung lässt sich aus diesen jeweils geringere Distanzen und, soweit erwähnt, kürzere Fahrzeiten betreffenden Erkenntnissen entgegen den Behauptungen in der Amtsbeschwerde nicht ableiten.
Nicht einschlägig sind im vorliegenden Zusammenhang, wie im angefochtenen Bescheid richtig dargelegt, die zu § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 ergangenen Entscheidungen über die Zumutbarkeit von Fahrzeiten bis zu 90 Minuten für die einfache Wegstrecke (siehe dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Februar 2009, 2007/15/0053, VwSlg 8408/F). Diese Entscheidungen handeln nicht von der Zumutbarkeit des Pendelns, sondern davon, ob dem Pendler ein in der Benützung von Massenbeförderungsmitteln statt einer Teilnahme am Individualverkehr gelegener Verzicht auf eine Verkürzung der Fahrzeiten zugemutet werden kann. Schlüsse auf die Zumutbarkeit mehr als (in Summe) zweistündiger täglicher Autobahnfahrten statt einer Wohnungsnahme im Einzugsbereich des Beschäftigungsortes lassen sich aus ihnen nicht ziehen.
Um die Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr geht es hingegen - nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. September 1994, 91/13/0229, VwSlg 6918/F) - bei der Auslegung des Begriffes "Einzugsbereich" in § 34 Abs. 8 EStG 1988, wobei schon im Erkenntnis vom 27. Jänner 1994, 92/15/0131, 0132, auf die Bestimmung im Studienförderungsgesetz 1983 verwiesen wurde, nach der "eine Fahrzeit von mehr als je einer Stunde zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel (...) jedenfalls nicht mehr als zumutbar anzusehen" sei (vgl. jetzt § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992). Die dazu in der Folge ergangene Verordnung sieht für Entfernungen über 80 km von einer Zumutbarkeitsprüfung ab und orientiert sich für Entfernungen bis zu 80 km am Maßstab einer Fahrzeit unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel von nicht mehr als einer Stunde für die Zurücklegung der Distanz (nur) zwischen den jeweiligen Gemeinden (§§ 1 und 2 der Verordnung BGBl. Nr. 624/1995 i.d.F. BGBl. II Nr. 449/2001). Eine Anknüpfung an den Begriff des "Einzugsbereichs" nahm der Verwaltungsgerichtshof auch in den zuvor erwähnten, die tägliche Rückkehr von Arbeitnehmern an den Familienwohnort betreffenden Erkenntnissen vom 19. September 1995 und 8. Februar 2007 vor.
Einen Anhaltspunkt bietet schließlich auch die - in Entscheidungen der belangten Behörde zu § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 schon ins Treffen geführte (vgl. Jakom/Lenneis EStG, 2013, § 16 Rz 28) - Bestimmung des § 9 Abs. 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 i.d.F. (für das Streitjahr 2007) BGBl. I Nr. 77/2004 und (seit 2008) BGBl. I Nr. 104/2007, die - hier nicht für in Ausbildung befindliche Personen, sondern für Arbeitnehmer - von einer Begrenzung der zumutbaren täglichen Wegzeit mit insgesamt nicht wesentlich mehr als zwei Stunden ausgeht.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde dem Mitbeteiligten zugestand, die tägliche Zurücklegung einer Distanz von etwa 262 km großteils auf der Autobahn mit einem - bei "Ausnutzung der Höchstgeschwindigkeiten" - Zeitaufwand von jeweils insgesamt etwa 140 Minuten sei ihm nicht zumutbar gewesen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wozu hinsichtlich des übrigen Vorbringens in der Amtsbeschwerde gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das Erkenntnis vom 31. Juli 2012, 2008/13/0086, zu verweisen ist.
Wien, am 31. Juli 2013
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