Spruch:
1.) Die Amtsbeschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2.) Die Anträge der mitbeteiligten Partei auf Feststellung von Rechtsverletzungen im Verwaltungsverfahren und durch die Amtsbeschwerde (Anträge C, E, F in der Gegenschrift) werden zurückgewiesen.
Begründung
Mit der angefochtenen Entscheidung hat die belangte Behörde in Stattgebung von Berufungen der mitbeteiligten Partei gegen erstinstanzliche Einkommensteuerbescheide die Auffassung vertreten, die den erstinstanzlichen Bescheiden zugrunde gelegte, im Einzelnen strittige Annahme der Entgegennahme von Geldbeträgen durch die mitbeteiligte Partei im Zusammenhang mit sexuellen Aktivitäten sei unter den Umständen des vorliegenden Falles weder als Erzielung von Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 23 Z 1 noch als Erzielung von Einkünften aus Leistungen gemäß § 29 Z 3 EStG 1988 zu werten.
Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde des Finanzamtes insoweit, als die von der mitbeteiligten Partei erzielten Einkünfte nicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 23 EStG 1988 qualifiziert worden seien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie Erstattung einer Gegenschrift durch die mitbeteiligte Partei erwogen:
Im Erkenntnis vom 16. Februar 1983, 82/13/0208, 0215, VwSlg 5758/F, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, Einkünfte aus der Ausübung der Prostitution seien Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er hat dabei u.a. hervorgehoben, für die Beurteilung sowohl unter dem Gesichtspunkt des § 23 Z 1 als auch unter dem Gesichtspunkt des § 29 Z 3 des damals maßgeblichen EStG 1972 sei es von Bedeutung, ob die Betätigung "trotz ihrer Zugehörigkeit zum intimsten Lebensbereich als 'wirtschaftlich' qualifiziert werden kann". Im Zusammenhang mit den nachfolgenden Ausführungen darüber, dass von Prostituierten "eine bestehende Nachfrage gegen ein Entgelt befriedigt" werde, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis auch angemerkt, es könne "nicht unberücksichtigt bleiben", dass die Leistung "nur um des Entgelts willen und damit aus wirtschaftlichen Gründen erbracht" werde.
In einem der Folgeerkenntnisse, auf die zuletzt im hg. Erkenntnis vom 11. September 1997, 97/15/0096, 0097, verwiesen wurde, hat der Verwaltungsgerichtshof u.a. dargelegt, Prostitution komme auch dann als Einkunftsquelle in Betracht, wenn die Umsätze und Gewinne nicht besonders hoch seien, und es komme nicht auf die subjektive Einstellung der Prostituierten an. Dass "die Prostitution zur Einkommenserzielung betrieben" werde, entspreche "bereits ihrer Definition", und im konkreten Fall habe die Beschwerdeführerin "unbestrittenermaßen auch aus ihrer Tätigkeit ihren Lebensunterhalt zumindest teilweise bestritten" (Erkenntnis vom 10. November 1987, 87/14/0165, ÖStZB 1988, Seite 314).
Im vorliegenden Fall beruhte die Schätzung von Einkünften der mitbeteiligten Partei "als Prostituierte" - mangels Vorlage geeigneter "Grundaufzeichnungen" - auf einer mit der mitbeteiligten Partei wegen des Verdachts der Geheimprostitution in ihrer Wohnung aufgenommenen Niederschrift, von der die mitbeteiligte Partei die Ansicht vertritt, sie sei auf krass rechtswidrige Weise zustande gekommen und ihre Verwertung im Abgabenverfahren sei unzulässig, zumal das auf Grund der Niederschrift und der am Folgetag erstatteten Anzeige eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren noch vor dem Einschreiten des Finanzamtes eingestellt worden sei.
Die belangte Behörde hat ihrer rechtlichen Beurteilung die Angaben der mitbeteiligten Partei in dieser Niederschrift zugrunde gelegt und den Berufungen trotzdem stattgegeben. Sie hat dabei u. a. auf die ungewöhnliche Vorgangsweise der mitbeteiligten Partei verwiesen, die mit der wochenlangen Korrespondenz vor dem Erstkontakt nicht dem üblichen Erscheinungsbild steuerlich relevanter Prostitution entsprochen habe, die Geringfügigkeit der vom Finanzamt angenommenen - von der mitbeteiligten Partei allerdings auch in dieser Höhe bestrittenen - Einnahmen im Verhältnis zu den sehr erheblichen Einkünften der mitbeteiligten Partei aus nichtselbständiger Arbeit hervorgehoben, wobei die mitbeteiligte Partei die Höhe der ihr zugesteckten Beträge auch gar nicht überprüft habe, und aus den Gesamtumständen des Falles geschlossen, der mitbeteiligten Partei sei es weder als Hauptnoch als Nebenzweck um die Erzielung eines Entgelts gegangen. Ausgehend von ihren Angaben in der erwähnten Niederschrift habe die mitbeteiligte Partei daher weder an einem Leistungsaustausch noch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen, keine Gewinnerzielungsabsicht gehabt und ihr Verhalten auch nicht darauf ausgerichtet, einem anderen einen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen.
Dem beschwerdeführenden Finanzamt, das sich nur unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit gegen die angefochtene Entscheidung wendet, ist zuzugestehen, dass das Argument der relativen Geringfügigkeit der angenommenen Geldflüsse im Verhältnis zum sonstigen Einkommen für sich genommen nicht geeignet wäre, die angefochtene Entscheidung zu tragen. Dem in der Beschwerde gezogenen Vergleich mit Vortragstätigkeiten eines hoch entlohnten Managers, deren Erlöse trotz ihrer relativen Geringfügigkeit bei Überschreitung absoluter Geringfügigkeitsgrenzen zu versteuern seien, ist im vorliegenden Zusammenhang aber der im Erkenntnis vom 16. Februar 1983 erwähnte Umstand entgegenzuhalten, dass es um die Qualifizierung einer zum intimsten Lebensbereich gehörenden Betätigung als "wirtschaftlich" geht, was zudem bei Vornahme einer solchen Qualifizierung mit ins Einzelne gehenden Obliegenheiten zur Offenlegung dieses Lebensbereiches und zu seiner Abrechnung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten verbunden wäre.
Vor diesem Hintergrund ist aus den von der belangten Behörde als Sachverhalt zugrunde gelegten, im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Angaben in der Niederschrift, gegen deren Verwertung sich die mitbeteiligte Partei allerdings wendet, hervorzuheben, dass die mitbeteiligte Partei ihr auf private Probleme und sexuelle Bedürfnisse gegründetes Verhalten in dieser Niederschrift mit einem vorangegangenen Verlust von "Selbstwertgefühl", mit einem "psychischen Loch" und einem "psychischen Tief" und dem daraus resultierenden Wunsch nach Erfüllung bestimmter Phantasien erklärt hat, wobei es ihr nicht um die für sie wirtschaftlich bedeutungslosen, im Wesentlichen auch nur zur Ausgabendeckung verwendeten Geldbeträge, sondern darum gegangen sei, dass sie "selbst auf (ihre) Rechnung komme". Ein ausschließlich so und damit anders als etwa in dem mit dem zitierten Erkenntnis vom 10. November 1987 entschiedenen Fall auch nicht teilweise wirtschaftlich motiviertes, solcherart auch nicht das Bild eines Gewerbebetriebes vermittelndes Verhalten, von dessen Vorliegen die belangte Behörde ausgegangen ist, ohne dass die Beschwerde dieser Beweiswürdigung entgegentritt, kann in der hier vorzunehmenden Abgrenzung, wie die belangte Behörde im Ergebnis richtig erkannt hat, noch nicht als "wirtschaftlich" im Sinne einer Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr qualifiziert werden.
Die Amtsbeschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den von der mitbeteiligten Partei beanspruchten Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Die in der Gegenschrift der mitbeteiligten Partei darüber hinaus gestellten Anträge waren wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen.
Wien, am 25. Jänner 2012
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