VwGH 2009/10/0168

VwGH2009/10/016821.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der CG in S, vertreten durch Mag. Dr. Heike Berner, Rechtsanwältin in 8330 Feldbach, Mühldorf/Leitersdorf 204, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 3. Juni 2009, Zl. FA10A-31Gu- 23/2008-5, betreffend Rodungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs3;
VwRallg;
AVG §52;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs3;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 3. Juni 2009 hat der Landeshauptmann von Steiermark einen Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung der Bewilligung zur Rodung einer Fläche von ca. 3.000 m2 auf den Grundstücken Nr. 145/13 und 145/18 KG G. zum Zweck der "Errichtung eines Reitplatzes mit Überdachung und Heulager" gemäß § 17 Abs. 3 Forstgesetz 1975 (ForstG) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe in ihrer Berufung gegen den abweisenden Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldbach (Behörde erster Instanz) ausgeführt, die Errichtung des Reitplatzes erfolge "im Zusammenhang mit der betriebenen Biolandwirtschaft". Seitens der Gemeinde K. bestehe ein öffentliches Interesse, weil auch Kinder aus dieser Gemeinde die Möglichkeit des Reitens in Anspruch nehmen würden und bereits genommen hätten; derartige Einrichtungen würden im örtlichen Entwicklungskonzept der Gemeinde auch angestrebt.

Nach einem im Berufungsverfahren eingeholten raumplanerischen Gutachten sei die beantragte Rodungsfläche aus der Sicht der Raumplanung für die Errichtung eines Reitplatzes mit Überdachung und Heulager gut geeignet. Um den Betrieb möglichst effizient zu führen und die größtmögliche Sicherheit der Reiter zu gewährleisten, sei es wichtig, den Reitplatz möglichst nahe am Wohnhaus und den Stallungen zu situieren. Die Pferdehaltung biete der Familie der Beschwerdeführerin eine zusätzliche Einnahmequelle im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft.

Dem eingeholten Gutachten eines forsttechnischen Amtssachverständigen (welches auf die Ausweisung im Waldentwicklungsplan Bezug nahm) zufolge komme einer Teilfläche der Rodungsfläche im Ausmaß von ca. 2.700 m2 hohe Schutzfunktion zu, weil sie sich auf einem rutschgefährdeten Hang befinde, wo erste Anzeichen von Abrutschungen wie Säbelwuchs von Bäumen, ein unruhiges Kleinrelief sowie kleinere Absitzungen bereits vorhanden seien. Auch sei ein gewisser Grad an Oberbodenabtrag durch Oberflächenwässer erkennbar. Der flache Bereich der Rodungsfläche (im Ausmaß von rund 300 m2) habe geringe Schutzfunktion.

Weiters weise die Rodungsfläche eine mittlere Wohlfahrtsfunktion auf; die durch den Untergrund sowie die Hang- und Feuchtverhältnisse gegebenen Grundlagen seien ursächlich für die Entwicklung einer ökologisch bedeutenden Waldbestandszusammensetzung, welche sich als bedeutender Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten manifestiere. Durch die inselartige Zersplitterung der Waldbestände in der Katastralgemeinde sei die umweltrelevante Bedeutung des Lebensraumes noch erhöht. Aufgrund der geringen Waldausstattung diene der Wald auch der Luftfilterung und sei von Wert für die Sicherung von Grundwässern.

Die Erholungsfunktion der Rodungsfläche sei als gering einzustufen, weil dort wegen der Steilheit des Geländes Erholungssuchende weniger anzutreffen seien.

Schließlich empfahl der forsttechnische Amtssachverständige für den Fall der Erteilung einer Rodungsbewilligung die Vorschreibung einer Ersatzgeldleistung sowie verschiedene Bedingungen und Auflagen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - nach Wiedergabe der relevanten Bestimmungen - im Wesentlichen aus, der Antrag der Beschwerdeführerin könne nicht dem Rodungszweck "Agrarstrukturverbesserung" zugeordnet werden, weil nur die Pferdezucht als eine Tätigkeit im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft anzusehen wäre. Das Berufungsverfahren sei aufgrund der beabsichtigten baulichen Tätigkeit in Hinblick auf den Rodungszweck "Siedlungswesen" fortgeführt worden.

Nach den Ausführungen des raumordnungsfachlichen Gutachtens bestehe ein "gewisses öffentliches Interesse an einer planmäßigen Bauführung". Stelle man aber dieses öffentliche Interesse dem öffentlichen Interesse an der Walderhaltung gegenüber, müsse das öffentliche Interesse an der Bautätigkeit allerdings in den Hintergrund treten, weil nach dem eingeholten forsttechnischen Gutachten Teilen der Rodungsfläche eine hohe Schutz- und eine mittlere Wohlfahrtsfunktion zukomme.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440/1975 in der Fassung BGBl. I Nr. 55/2007 (ForstG), lauten auszugsweise wie folgt:

"Rodung

§ 17. (1) Die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) ist verboten.

(2) Unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 1 kann die Behörde eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald nicht entgegensteht.

(3) Kann eine Bewilligung nach Abs. 2 nicht erteilt werden, kann die Behörde eine Bewilligung zur Rodung dann erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

(4) Öffentliche Interessen an einer anderen Verwendung im Sinne des Abs. 3 sind insbesondere begründet in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- oder öffentlichen Straßenverkehr, im Post- oder öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung, im Siedlungswesen oder im Naturschutz.

(5) Bei der Beurteilung des öffentlichen Interesses im Sinne des Abs. 2 oder bei der Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinne des Abs. 3 hat die Behörde insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen. Unter dieser Voraussetzung sind die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.

(…)"

2. Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zugrunde, es bestehe an der Erhaltung der zur Rodung beantragten Fläche als Wald ein besonderes öffentliches Interesse im Sinn des § 17 Abs. 2 ForstG, weil dieser Fläche eine hohe Schutz- und eine mittlere Wohlfahrtsfunktion zukomme. Somit könne nur eine Rodungsbewilligung nach § 17 Abs. 3 ForstG in Betracht kommen; das durch das eingeholte raumordnungsfachliche Gutachten dokumentierte im "Siedlungswesen" (vgl. § 17 Abs. 4 ForstG) gelegene öffentliche Interesse reiche aber nicht aus, um das öffentliche Interesse an der Erhaltung der Flächen als Wald zu überwiegen.

3. Die Beschwerde wendet sich hauptsächlich gegen die von der belangten Behörde auf der Grundlage des eingeholten forsttechnischen Gutachtens getroffenen Feststellungen und führt dazu im Wesentlichen aus, dieses Gutachten sei in sich widersprüchlich sowie "absolut unschlüssig" und werde von der belangten Behörde unrichtig wiedergegeben.

Soweit die Beschwerde dazu ausführt, die "absolute Widersprüchlichkeit" des Gutachtens ergebe sich daraus, dass darin "sämtliche" im Einzelnen näher bezeichnete "Punkte angekreuzt" worden seien, bezieht sich die Beschwerde offenbar irrtümlich auf ein dem Bescheid erster Instanz zugrunde gelegtes Gutachten, nicht aber auf das von der belangten Behörde im Berufungsverfahren eingeholte - und im angefochtenen Bescheid richtig und vollständig wiedergegebene - forstfachliche Gutachten vom 25. März 2009 (welches im Übrigen der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs am 1. April 2009 zur Kenntnis gebracht wurde). Weitere Ausführungen zu diesem Beschwerdevorbringen erübrigen sich daher.

4. § 17 Abs. 2 ForstG ermächtigt die Forstbehörde zur Erteilung einer Rodungsbewilligung, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung der zur Rodung beantragten Fläche als Wald nicht entgegensteht.

Ein besonderes, einer Rodungsbewilligung nach § 17 Abs. 2 ForstG entgegenstehendes öffentliches Interesse an der Walderhaltung ist nach den Gesetzesmaterialien (RV 970 Blg. Nr. 21 GP, 32) dann gegeben, wenn es sich um Waldflächen handelt, denen mittlere oder hohe Schutzwirkung, mittlere oder hohe Wohlfahrtsfunktion oder hohe Erholungswirkung gemäß Waldentwicklungsplan zukommt. Ob dies im konkreten Fall zutrifft, ist von der Forstbehörde anhand des Gutachtens eines forstlichen Sachverständigen zu beurteilen, wobei dem Waldentwicklungsplan eine wesentliche Indizwirkung zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 2012, Zl. 2010/10/0234, mwN).

Ist ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung der zur Rodung beantragten Fläche als Wald anzunehmen, kommt die Erteilung einer Rodungsbewilligung nach § 17 Abs. 2 ForstG nicht in Betracht; diesfalls ist in die Interessenabwägung nach § 17 Abs. 3 ForstG einzutreten, andernfalls jedoch die Rodungsbewilligung gemäß § 17 Abs. 2 ForstG zu erteilen.

5. Die Beschwerde bringt im Weiteren vor, der forstfachliche Sachverständige - und mit ihm die belangte Behörde - hätte das Ergebnis eines von Dr. M. erstellten geologischen Gutachtens falsch interpretiert, welches bei Einhaltung von in jenem Gutachten näher beschriebenen Maßnahmen eine Schüttung von Aushubmaterial mit einer vorangegangenen Rodung des Waldes ohne negative Auswirkungen auf die Umwelt (im Sinn von Hangbewegungen und einer Bodenerosion) für möglich erachtet habe.

Dieses Vorbringen lässt allerdings die oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zu der mittleren Wohlfahrtsfunktion der zur Rodung beantragten Waldfläche unbekämpft; schon aus diesem Grund kam somit eine Rodungsbewilligung nach § 17 Abs. 2 ForstG nicht in Betracht.

6. Die belangte Behörde ist daher zu Recht in die Interessenabwägung nach § 17 Abs. 3 ForstG eingetreten und hat in diesem Zusammenhang das durch das raumordnungsfachliche Gutachten dokumentierte öffentliche Interesse an der geplanten Bauführung (unter dem Gesichtspunkt des Siedlungswesens im Sinn des § 17 Abs. 4 ForstG) dem öffentlichen Interesse an der Walderhaltung gegenübergestellt.

Schon angesichts der Ausführungen des forstfachlichen Sachverständigen zu der Wohlfahrtsfunktion der zur Rodung beantragten Waldfläche kann der belangten Behörde auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie das öffentliche Interesse an der Erhaltung der Rodungsfläche als Wald als überwiegend angesehen hat, hat sich doch die Beschwerdeführerin selbst sowohl im Verwaltungsverfahren als auch in der vorliegenden Beschwerde mit Blick auf ein öffentliches Interesse "an einer anderen Verwendung" im Sinn des § 17 Abs. 3 ForstG lediglich auf ein öffentliches Interesse der Gemeinde K. an der Errichtung des Reitplatzes berufen, welcher dem örtlichen Entwicklungskonzept der Gemeinde entspreche und auch von den Kindern dort genutzt werden solle.

Aus diesen Gründen liegt auch der von der Beschwerde behauptete Begründungsmangel nicht vor.

7. Vor dem Hintergrund der sachkundigen Ausführungen zu der mittleren Wohlfahrtsfunktion des vom gegenständlichen Antrag betroffenen Waldes und den ausdrücklichen Ausführungen der Beschwerdeführerin zum Rodungszweck war die belangte Behörde auch nicht verhalten, sich mit der unter dem Gesichtspunkt der Pferdehaltung erstatteten Stellungnahme der Bezirkskammer für Land- und Forstwirtschaft sowie der ökologischen Einschätzung des Vereins "Lebende Erde im Vulkanland - Verein zum Schutz der Blauracke im Natura 2000-Gebiet 'Teile des südoststeirischen Hügellandes'" zu befassen.

8. Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

9. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 21. Mai 2012

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