VwGH 2009/07/0123

VwGH2009/07/012324.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde des FW in B, vertreten durch Dr. Erich Heliczer, Rechtsanwalt in 2540 Bad Vöslau, Anton-Bauer-Straße 2a, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 30. Juni 2009, Zl. RU4- B-140/001-2006, betreffend Auftrag nach § 73 AWG 2002, zu Recht erkannt:

Normen

31975L0442 Abfallrahmen-RL Anh1;
31975L0442 Abfallrahmen-RL Art1;
32000D0532 Abfallverzeichnis;
61996CJ0129 Inter-Environnement Wallonie ASBL VORAB;
62000CJ0009 Palin Granit Oy VORAB;
62003CJ0001 Paul Van de Walle VORAB;
AbfallverzeichnisV 2004 §1 Abs1;
AbfallverzeichnisV 2004 §1 Abs2;
AbfallverzeichnisV 2004 Anl5;
AbfallverzeichnisV 2004;
AWG 2002 §1 Abs3;
AWG 2002 §2 Abs1 Z1;
AWG 2002 §2 Abs1 Z2;
AWG 2002 §2 Abs1;
AWG 2002 §4 Z1;
AWG 2002 §73 Abs1;
EURallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
31975L0442 Abfallrahmen-RL Anh1;
31975L0442 Abfallrahmen-RL Art1;
32000D0532 Abfallverzeichnis;
61996CJ0129 Inter-Environnement Wallonie ASBL VORAB;
62000CJ0009 Palin Granit Oy VORAB;
62003CJ0001 Paul Van de Walle VORAB;
AbfallverzeichnisV 2004 §1 Abs1;
AbfallverzeichnisV 2004 §1 Abs2;
AbfallverzeichnisV 2004 Anl5;
AbfallverzeichnisV 2004;
AWG 2002 §1 Abs3;
AWG 2002 §2 Abs1 Z1;
AWG 2002 §2 Abs1 Z2;
AWG 2002 §2 Abs1;
AWG 2002 §4 Z1;
AWG 2002 §73 Abs1;
EURallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach einem Aktenvermerk der technischen Gewässeraufsicht der Bezirkshauptmannschaft B (BH) vom 18. Oktober 2005 habe eine örtliche Erhebung am 13. Oktober 2005 ergeben, dass im Zuge des Abbruches und der Errichtung einer gastgewerblichen Betriebsanlage in der W-Straße in B. Bodenaushubmaterial und Baurestmassenmaterial angefallen sei. Dieses sei im Auftrag des Beschwerdeführers von der Firma E. auf der landwirtschaftlichen Fläche Grst. Nr. 1008 KG B., im Eigentum des Beschwerdeführers, deponiert worden. Abgelagert worden seien in Summe etwa 1.000 m3 Material auf unbefestigter Fläche.

Weiters würden in der W-Straße auf unbefestigter Fläche etwa 5.000 m3 Baurestmaterialien verunreinigt mit Holz, Feinkorn, Kabeln etc. lagern. Dieses Material wolle der Beschwerdeführer zur Parkplatzbefestigung verwenden. Dieses sei technisch jedoch dazu nicht geeignet, da es nicht den Qualitätskriterien des Recyclingverbandes entspreche.

Daraufhin veranlasste die technische Gewässeraufsicht der BH bei einem chemischen Laboratorium eine chemische Untersuchung.

Dieses chemische Laboratorium stellte in einem Prüfbericht vom 27. Oktober 2005 fest, dass auf dem Grst. Nr. 1008, KG B. eine Probe genommen worden sei. Optisch sei von rötlichem Bodenaushub, mit feinem Ziegelschutt "durchwurzelt" auszugehen.

Das beprobte Material sei in Übereinstimmung mit dem optischen Befund "der Schlüsselnummer 31411 Spez. 33- Bodenaushubmaterial mit Baurestmassenqualität" zuzuordnen und bei einer Deponierung auf einer Baurestmassendeponie abzulagern.

Mit Bescheid der BH vom 9. November 2005 wurden dem Beschwerdeführer gemäß § 73 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002) unter näher bezeichneten Auflagen abfallpolizeiliche Maßnahmen auf den Grst. Nrn. 1008, .205, 1389/1 und 1389/4, alle KG B., längstens bis 10. Dezember 2005 aufgetragen.

Begründend führte die BH aus, dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten der technischen Gewässeraufsicht sei zu entnehmen, dass es sich bei den konsenslos gelagerten Materialien um Bodenaushubmaterialien und Baurestmassen handle. Die Behandlung dieser Abfälle sei im öffentlichen Interesse gemäß § 1 Abs. 3 Z. 3 AWG 2002 gelegen, da mit einer Beeinträchtigung von Grundwasser und Boden zu rechnen sei. Die Lagerungen in der gegenständlichen Form seien nicht genehmigt. Überdies seien die Entfernung dieser Lagerungen sowie die rechtmäßige Deponierung des noch anfallenden Bodenaushubmaterials im öffentlichen Interesse gelegen, weshalb die ordnungsgemäße Entsorgung vorgeschrieben hätte werden müssen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde.

Begründend führte er aus, dass auf den Grst. Nrn. .205 und 1389/1 kein Material lagere.

Auf den Grst. Nrn. 1389/4 und 1008 KG B. sei lediglich Aushubmaterial zwischengelagert. Dieses Aushubmaterial stamme von keiner Verdachtsfläche.

Auf Grst. Nr. 1008 KG B. seien im Zuge der Zwischenlagerung von Unbekannten "3 LKW Fuhren Baurestmassen" illegal abgelagert worden.

Im gesamten Verfahren sei dem Beschwerdeführer kein Parteiengehör gewährt worden. Dass die Entfernung des gegenständlichen Materials im öffentlichen Interesse gelegen sei, sei "völlig aus der Luft gegriffen". Die "wirklichkeitsfremde Beurteilung" der Sachlage zeige sich schon daran, dass von niemandem eine "besondere Gefährdung des Grundwassers" festgestellt worden sei. Damit seien die öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 nicht verletzt worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und setzte als neue Leistungsfrist für die näher bezeichneten Maßnahmen den 10. August 2009 fest.

Begründend führte die belangte Behörde aus, es stehe auf Grund von Erhebungen durch die technische Gewässeraufsicht der BH fest, dass sich auf den im Spruch des bekämpften BH-Bescheides angeführten Grundstücken diverse Ablagerungen befänden. Dies sei auch in Form einer Fotodokumentation festgehalten.

Zudem habe die angeordnete Untersuchung durch ein chemisches Laboratorium weiters ergeben, dass es sich zumindest bei dem auf Grst. Nr. 1008, KG B. vorgefundenen und beprobten Material um Bodenaushubmaterial mit Baurestmassenqualität (Schlüsselnummer 31411, Spez. 33) handle. Hinsichtlich der auf den anderen Grundstücken abgelagerten Materialien gehe aus der Begründung des Erstbescheides hervor, der Beschwerdeführer selbst habe angegeben, dass das dort gelagerte Material zur Parkplatzbefestigung verwendet werden solle.

Für die belangte Behörde stehe somit fest, dass Material auf allen angeführten Grundstücken bzw. Grundstücksteilen abgelagert werde, das entweder "nach der freien Beurteilung der technischen Gewässeraufsicht" oder auf Grund der durchgeführten Untersuchung eines chemischen Laboratoriums Bodenaushubmaterial mit Baurestmassenqualität sei. Unabhängig davon, ob dieses Material verwendet oder dort belassen werden solle, handle es sich "objektiv und subjektiv um Abfall". Die belangte Behörde hege keine Zweifel, dass die Erhebungen der BH durch die technische Gewässeraufsicht objektiv und ordnungsgemäß erfolgt seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für den vorliegenden Beschwerdefall sind die Bestimmungen der §§ 1, 2, 4, 15, 73 und 74 AWG 2002 relevant, die auszugsweise wie folgt lauten:

"§ 1. …

(3) Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

1. die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2. Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren oder Pflanzen oder für den Boden verursacht werden können,

3. die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,

4. die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

  1. 5. Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,
  2. 6. Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

    7. das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,

    8. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder

    9. Orts- und Landschaftsbild sowie Kulturgüter erheblich beeinträchtigt werden können.

§ 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen, die unter die in Anhang 1 angeführten Gruppen fallen und

1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

§ 4. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird ermächtigt, mit Verordnung festzulegen:

1. die Abfallarten in Form eines Abfallverzeichnisses, welches die Abfallarten des Verzeichnisses im Sinne des Art. 1 der Richtlinie 75/442/EWG über Abfälle umfasst;

§ 15. (1) Bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen sind

1. die Ziele und Grundsätze gemäß § 1 Abs. 1 und 2 zu beachten und

2. Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) zu vermeiden.

§ 73. (1) Wenn

1. Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden oder

2. die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist,

hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen.

§ 74. (1) Ist der gemäß § 73 Verpflichtete nicht feststellbar, ist er zur Erfüllung des Auftrags rechtlich nicht imstande oder kann er aus sonstigen Gründen nicht beauftragt werden, so ist der Auftrag nach Maßgabe der folgenden Absätze dem Eigentümer der Liegenschaft, auf der sich die Abfälle befinden, zu erteilen. Ersatzansprüche des Liegenschaftseigentümers an den gemäß § 73 Verpflichteten bleiben unberührt.

(2) Eine Haftung des Liegenschaftseigentümers besteht, wenn er der Lagerung oder Ablagerung entweder zugestimmt oder diese geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. Die Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers haften, wenn sie von der Lagerung oder Ablagerung Kenntnis hatten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben mussten. Die Haftung des Liegenschaftseigentümers und der Rechtsnachfolger besteht nicht bei gesetzlichen Duldungspflichten.

…"

Voraussetzung für die Erlassung eines Behandlungsauftrages nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 ist, dass die in Rede stehenden Materialien Abfälle im Sinne des § 2 Abs. 1 AWG 2002 sind (vgl. zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach § 32 Abs. 1 AWG 1990 das hg. Erkenntnis vom 15. November 2001, Zl. 2001/07/0099).

Die belangte Behörde geht davon aus, dass das auf Grundstücken des Beschwerdeführers gelagerte Material "Bodenaushubmaterial mit Baurestmassenqualität" ist. Allein aus der Zuordnung des vom Grst. Nr. 1008 stammenden Materials zur Schlüsselnummer 31411 Spezifizierung 33-Bodenaushub Inertabfallqualität der Anlage 5 der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl. II Nr. 570/2003 idgF kann jedoch nicht auf die Abfalleigenschaft im objektiven Sinn nach § 2 Abs. 1 Z. 2 AWG 2002 geschlossen werden.

Voraussetzung für die Definition als Abfall nach dieser Bestimmung ist, dass es sich um bewegliche Sachen handelt, die unter die in Anhang 1 angeführten Gruppen fallen und deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

Zu dem inhaltsgleichen Anhang 1 der Richtlinie 75/442/EWG führt der EuGH aus, dass dieser die Abfalldefinition dieser Richtlinie durch Aufstellung von Verzeichnissen von Stoffen und Gegenständen, die als Abfälle eingestuft werden können, verdeutliche. Er habe jedoch lediglich Hinweischarakter für die Einstufung eines Gegenstandes als Abfall (vgl. EuGH vom 18. Dezember 1997, C-129/96 , Inter-Environnement Wallonie, Rdn. 26; vom 18. April 2002, C-9/00 , Palin Granit Oy, Rdn. 22 und vom 7. September 2004, C-1/03 , Paul van de Walle ua, Rdn. 42).

Die Abfallverzeichnisverordnung, aus deren Anlage 5 unter Schlüsselnummer 31411 Spezifikation 33 die belangte Behörde ohne weitere Ermittlungen die Abfalleigenschaft herleitet, stützt sich für die in Rede stehenden, als nicht gefährliche Abfälle qualifizierten beweglichen Sachen auf § 4 Z. 1 AWG 2002.

Schon ein Vergleich mit der korrespondierenden Vorschrift des Unionsrechtes belegt, dass die alleinige Aufnahme der verfahrensgegenständlichen Materialien in die bezughabende Anlage der Abfallverzeichnisverordnung deren Abfalleigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 2 AWG 2002 nicht bedingt.

Dies ergibt sich aus der Entscheidung der Kommission vom 3. Mai 2000 zur Ersetzung der Entscheidung 94/3/EG über ein Abfallverzeichnis gemäß Art. 1 Buchstabe a der Richtlinie 75/442/EWG des Rates über Abfälle und der Entscheidung 94/904/EG des Rates über ein Verzeichnis gefährlicher Abfälle im Sinne von Art. 1 Absatz 4 der Richtlinie 91/689/EWG über gefährliche Abfälle. In der Einleitung zum Anhang dieser Entscheidung "Abfallverzeichnis gemäß Artikel 1 Buchstabe a) der Richtlinie 75/442/EWG über Abfälle und Art. 1 Absatz 4 der Richtlinie 91/689/EWG über gefährliche Abfälle" lautet es:

"1. Dieses Verzeichnis ist ein harmonisiertes Abfallverzeichnis, das regelmäßig auf der Grundlage neuer Erkenntnisse und insbesondere neuer Forschungsergebnisse überprüft und erforderlichenfalls gemäß Artikel 18 der Richtlinie 75/442/EWG geändert wird. Allerdings bedeutet die Aufnahme eines Stoffes in das Verzeichnis nicht, dass dieser Stoff unter allen Umständen ein Abfall ist. Stoffe werden nur dann als Abfall betrachtet, wenn die Voraussetzungen der Begriffsbestimmung von Art. 1 Buchstabe a) der Richtlinie 75/442/EWG erfüllt sind."

Entscheidend für die Qualifikation einer beweglichen Sache als Abfall ist auch nach innerstaatlichem Recht § 2 Abs. 1 AWG 2002. § 4 Z. 1 AWG 2002 ermächtigt zur Erstellung eines Verzeichnisses im Sinne des Art. 1 der Richtlinie 75/442/EWG. Auch diesem nach innerstaatlichem Recht ergangenen Verzeichnis kommt analog zu jenem, welches durch die zitierte Entscheidung der Kommission erlassen wurde, hinsichtlich der Abfalleigenschaft der verfahrensgegenständlichen Materialien lediglich Indizwirkung zu.

Aus der Wortfolge in § 4 Z. 1 AWG 2002 "die Abfallarten in Form eines Abfallverzeichnisses" mit Verordnung festzulegen, erhellt die Hierarchie zwischen Abfallbegriff und Einordnung in das Abfallverzeichnis. In einem ersten Schritt ist sohin das Vorliegen von Abfall im Sinn eines Tatbestandes des § 2 Abs. 1 Z. 1 und 2 AWG 2002 erforderlich. Schließlich ist auch in § 1 Abs. 1 Abfallverzeichnisverordnung von "Abfallarten" die Rede und in Abs. 2 leg. cit. von der "Zuordnung eines Abfalls zu einer Abfallart". Somit wird die Qualifikation als Abfall im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 und 2 AWG 2002 vorausgesetzt.

Für die Verwirklichung des objektiven Abfallbegriffes des § 2 Abs. 1 Z. 2 AWG 2002 reicht die bloße Möglichkeit einer Gefährdung von Schutzgütern im Sinne des § 1 Abs. 3 leg. cit. aus. Es kommt daher nicht darauf an, dass eine konkrete Gefahrensituation nachweisbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. September 2011, Zl. 2009/07/0154, mwN).

Im vorliegenden Beschwerdefall liegen solche Ausführungen auf sachverständiger Ebene nicht vor. Der Aktenvermerk der technischen Gewässeraufsicht und der Prüfbericht des chemischen Laboratoriums lassen keine nachvollziehbaren Rückschlüsse auf eine mögliche Beeinträchtigung der nachhaltigen Nutzung von Wasser und Boden (§ 1 Abs. 3 Z. 3 AWG 2002) zu.

Die belangte Behörde meint, dass auch der subjektive Abfallbegriff erfüllt sei. Von einer Entledigung im Sinn des § 2 Abs. 1 Z. 1 AWG 2002 kann nur dann gesprochen werden, wenn die Weggabe einer Sache in erster Linie darauf abzielt, diese loszuwerden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2005, Zl. 2005/07/0088, mwN). Dazu finden sich im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen. Damit kann sich die belangte Behörde auch nicht auf den subjektiven Abfallbegriff stützen.

Schließlich behauptete der Beschwerdeführer schon in der Berufung, dass auf seinem Grst. Nr. 1008 "3 LKW Fuhren Baurestmassen" von Unbekannten "illegal abgelagert" worden seien. Angesichts der Tatsache, dass dem Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren, wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, kein Parteiengehör gewährt wurde, hätte sich die belangte Behörde mit diesem Vorbringen auseinandersetzen müssen. Jedenfalls konnte sie diesbezüglich ohne weitere Ermittlungen ihren Bescheid nicht auf § 73 Abs. 1 AWG 2002 stützen. Vielmehr wäre zu prüfen gewesen, ob der Beschwerdeführer nicht allenfalls eine Liegenschaftseigentümerhaftung nach § 74 Abs. 1 und 2 AWG 2002 trifft.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. Mai 2012

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