Normen
AVG §10 Abs2;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben der belangten Behörde Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 sowie der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
A) Zum angefochtenen Bescheid
1. Mit Ansuchen vom 14. Dezember 2007 beantragte die erstmitbeteiligte Partei bei der zweitmitbeteiligten Marktgemeinde die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Wohnhausanlage mit 45 Wohneinheiten auf dem Bauplatz H, O-Gasse, Grundstück Nr. 590/12 (EZ 581, KG M).
Mit Bescheid vom 1. August 2007 war das besagte Grundstück bereits im Zuge des Grundteilungsverfahrens vom Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde als Baubehörde I. Instanz zum Bauplatz gemäß § 11 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1996 (BO) erklärt worden.
Nach Durchführung einer Bauverhandlung am 20. August 2008 erteilte der Bürgermeister als Baubehörde I. Instanz der erstmitbeteiligten Partei mit Bescheid vom 18. September 2008 die baubehördliche Bewilligung für das beantragte Vorhaben unter Vorschreibung von Auflagen, mit dem auch die Einwendungen der schon damals durch den Beschwerdeführervertreter vertretenen beschwerdeführenden Parteien verworfen wurden.
Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführervertreter (nach dem Rückschein) am 19. September 2008 zugestellt.
2.1. Mit Schreiben vom 14. Oktober 2008 stellten u. a. die beschwerdeführenden Parteien einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG und erhoben gleichzeitig Berufung gegen die erteilte Baubewilligung. Der Beschwerdeführervertreter habe mit Einschreiben vom 19. September 2008 der erst- und zweitbeschwerdeführenden Partei - stellvertretend für alle weiteren Beschwerdeführer - mitgeteilt, dass der Bewilligungsbescheid eingelangt sei und bis zum 3. Oktober 2008 dagegen Berufung erhoben werden könnte. Da der Beschwerdeführervertreter innerhalb der Berufungsfrist von diesen beschwerdeführenden Parteien nicht kontaktiert worden sei, habe er angenommen, dass keine Berufung gewünscht würde. Am 6. Oktober 2008 habe der Zweitbeschwerdeführer der Kanzlei des Beschwerdeführervertreters mitgeteilt, dass er erst an diesem Tag das Schreiben seines rechtsfreundlichen Vertreters vom 19. September 2008 von der Post abgeholt habe, daher erst jetzt von der Erlassung des Baubescheides Kenntnis erlangt habe. Dass der Zweitbeschwerdeführer erst am 6. Oktober 2008 von der Übermittlung des Schreibens vom 19. September 2008 Kenntnis erlangt habe, sei darauf zurückzuführen, dass dem Zweitbeschwerdeführer dieser Brief an seinen Arbeitsplatz übermittelt worden sei, er allerdings im Zeitraum vom 23. bis zum 26. September 2008 auf Urlaub gewesen sei, und ihm der Verständigungszettel von dem Eintreffen der Postsendung seines Rechtsvertreters erst am 6. Oktober 2008 ausgefolgt worden sei.
2.2. Dieser Antrag wurde vom Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 10. November 2008 gemäß §§ 71 und 72 AVG als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Mängel in der Kommunikation zwischen dem Rechtsanwalt und seinen Mandanten keinesfalls als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis angesehen werden könnten und dass der Rechtsvertreter überdies auch die Möglichkeit gehabt hätte, mit anderen von ihm vertretenen Personen Kontakt aufzunehmen, um eine Klärung betreffend die Erhebung einer Berufung herbeizuführen.
2.3. Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde als Baubehörde
II. Instanz gemäß § 66 Abs. 4 AVG - im Wesentlichen mit derselben Begründung - als unbegründet abgewiesen.
3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen eingebrachten Vorstellung gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 keine Folge.
Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes festgehalten: Der Baubewilligungsbescheid vom 18. September 2008 sei von einem Arbeitnehmer der rechtsfreundlichen Vertretung der Beschwerdeführer am 19. September 2008 übernommen worden. Unstrittig sei auch, dass der letzte Tag der Einbringung einer Berufung gegen diesen Bescheid damit der 3. Oktober 2008 gewesen sei. Ferner sei - ebenfalls am 19. September 2008 - das Schreiben des Rechtsvertreters der beschwerdeführenden Parteien eingeschrieben an die Erst- und den Zweitbeschwerdeführer (adressiert an deren Privatadresse (in H, Lgasse 16)) weggeschickt worden. Da diese Beschwerdeführer nicht anwesend gewesen seien, sei vom Postzusteller der Fehler gemacht worden, keinen Verständigungsnachweis im Postkasten zu hinterlassen, sondern einen Verständigungszettel an den Arbeitsort des Zweitbeschwerdeführers zu bringen. Dort sei er einer näher genannten Sekretärin übergeben worden. Diese habe den Verständigungszettel in eine Schublade gelegt und nach der Rückkehr des Zweitbeschwerdeführers an seine Arbeitsstelle vorerst vergessen. Erst am 6. Oktober 2008 habe die Sekretärin den Verständigungszettel wieder aufgefunden und ihn sofort dem Zweitbeschwerdeführer übergeben, dieser habe noch am selben Tag den Brief von der Post abgeholt. Aus diesem Grund habe dieser erst am 6. Oktober 2008 vom Schreiben des Rechtsanwalts erfahren. Die entscheidende Zustellung im gegenständlichen Verfahren sei aber durch die Zustellung des Baubewilligungsbescheides an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführer am 19. September 2008 (mit RSb zugestellt) vorgenommen worden. Die Zustellung sei damit ordnungsgemäß entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen erfolgt. Die Weiterleitung seitens des Rechtsvertreters an seine Mandanten könne der Baubehörde der mitbeteiligten Gemeinde nicht angelastet werden. Hier handle es sich um eine Kontaktaufnahme eines Rechtsanwaltes mit seinen Mandanten, Mängel in der Kommunikation zwischen der Partei und ihrem Vertreter, welche die Entscheidung, die Berufung zu erheben, hätten beeinflussen können, stellten kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar. Es müsse grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Organisation des Kanzleibetriebs eines Rechtsanwaltes so einzurichten sei, dass die fristgerechte Einbringung von Rechtsmitteln gesichert erscheine. Es könne auch nicht eingesehen werden, warum der Beschwerdeführervertreter, nachdem sich die von ihm angesprochenen Beschwerdeführer nach Verstreichung von zehn Tagen der Rechtsmittelfrist nicht gerührt hätten, nicht versucht habe, mit diesen in Kontakt zu treten. Auch wenn diese Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt ortsabwesend gewesen seien, wäre es dem Rechtsanwalt durchaus möglich gewesen, telefonischen Kontakt mit einem der übrigen Mandanten aufzunehmen. Hätte er nur einen von diesen erreicht, hätte er rechtzeitig vor Ablauf der Rechtsmittelfrist erfahren können, dass die Erhebung einer Berufung von den beschwerdeführenden Parteien sehr wohl erwünscht sei. Bei Einhaltung zumutbarer Sorgfaltsanforderungen wäre der Beschwerdeführervertreter schon auf Grund des Inhalts des eigenen Schreibens, in welchem er seine Mandanten nur zur Kontaktaufnahme eingeladen habe, dazu verpflichtet gewesen, vor Ablauf der Rechtsmittelfrist von sich aus noch einmal telefonisch Kontakt herzustellen. Falls eine solche Kontaktaufnahme gescheitert wäre, wäre es immer noch möglich gewesen, im Zweifel das Rechtsmittel einzubringen. Auf Grund des zurückliegenden Baubewilligungsverfahrens und der Vielzahl der Einwendungen seiner Mandanten hätte der Beschwerdeführervertreter wohl auch nicht davon ausgehen können, dass nunmehr auf eine Berufung gegen die Entscheidung der Baubehörde I. Instanz verzichtet würde. Der Beschwerdeführervertreter hätte im Rahmen der Fristenkontrolle erkennen müssen, dass seine Mandanten mit ihm trotz seines Schreibens noch keinen Kontakt aufgenommen hätten, und er hätte diese (wie erwähnt) aktiv telefonisch kontaktierten müssen, um abzuklären, ob die Erhebung einer Berufung erwünscht sei. Daher sei durch die Vorgangsweise des Beschwerdeführervertreters ein den Grad des minderen Versehens übersteigendes Verschulden gegeben. Im vorliegenden Fall liege nicht nur kein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis vor, die Beschwerdeführer treffe zudem auch ein den Grad des minderen Versehens übersteigendes Verschulden. Seitens der belangten Behörde werde durchaus zugebilligt, dass der Übermittlungsvorgang zwischen dem Beschwerdeführervertreter und den beiden beschwerdeführenden Parteien unglücklich gelaufen sei. Dieses Kommunikationsproblem könne aber nicht als unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis angesehen werden. Damit seien die Voraussetzungen des § 71 AVG für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht erfüllt. B) Zum Beschwerdeverfahren
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. In der von der erstmitbeteiligten Partei erstatteten Gegenschrift wird ebenfalls die Abweisung der Beschwerde begehrt.
C) Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die im Beschwerdefall maßgebliche Bestimmung des § 71 AVG lautet auszugweise wie folgt:
"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.
(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
..."
2. Vorweg ist festzuhalten, dass - insoweit stimmen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens überein - die Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Bewilligungsbescheid vom 18. September 2008 versäumt wurde, somit die wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages erfüllt ist (§ 71 Abs. 1 AVG).
3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes treffen die Folgen eines Versehens des Rechtsanwaltes den Antragsteller. Der Vertretene hat grundsätzlich für die Handlungen und Unterlassungen seines Vertreters einzustehen. Ein vom Vertreter verschuldetes Fristversäumnis muss daher dem Vertretenen zum Verschulden angerechnet werden. So bildet die (bloße) Untätigkeit eines Vertreters im Allgemeinen keinen Wiedereinsetzungsgrund, es sei denn, der Machthaber wäre seinerseits durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert gewesen, die Frist einzuhalten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Juni 2007, Zl. 2007/18/0222).
Dazu enthält die Beschwerde aber kein taugliches Vorbringen. Sie stützt sich lediglich darauf, dass der an den Rechtsvertreter zugestellte Baubewilligungsbescheid von diesem - infolge einer regelwidrigen Zustellung seitens eines "Angestellte(n) der Österreichischen Post" - nicht erfolgreich an die beschwerdeführenden Parteien weitergeleitet worden sei. Mängel in der Kommunikation zwischen der Partei und ihrem Vertreter, welche die Entscheidung, die Berufung zu erheben, beeinflussen konnten, stellen aber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG dar (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. September 1997, Zlen. 97/18/0285, 0286, mwH). Dies betrifft nach der hg. Rechtsprechung auch das Beschwerdevorbringen, "Rechtsanwälte sind grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, aktiv bei Mandanten nachzufragen, ob sie nach erfolgter Rechtsbelehrung über die Erhebung eines möglichen Rechtsmittels ein solches wünschen" (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2007/18/0222). Ein beruflicher rechtskundiger Parteienvertreter hat seine Kanzlei so zu organisieren, dass die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt und nach menschlichem Ermessen die Versäumung von Fristen ausgeschlossen ist (vgl. den hg. Beschluss vom 14. November 2006, Zl. 2006/03/0149, und das hg. Erkenntnis vom 30. April 2009, Zl. 2007/05/0002). Ein ausdrückliches Verbot des Beschwerdeführers an seinen anwaltlichen Vertreter, ohne seine ausdrückliche Weisung eine Berufung zu erheben, wurde von den beschwerdeführenden Parteien nicht behauptet.
Bei der vom Beschwerdeführervertreter gewählten Vorgangsweise, über die Frage der Erhebung der Berufung mit der Beschwerdeführerseite Kontakt aufzunehmen, wäre es daher (entgegen der Beschwerde) beim Rechtsvertreter der Beschwerdeführer gelegen, mangels Antwort auf sein Einschreiben noch rechtzeitig für die Erhebung einer Berufung nochmals zur Klärung dieser Frage mit den Beschwerdeführern in Kontakt zu treten, bei Unterlassung oder Fehlschlagen des Kontaktes aber vor Ablauf der Berufungsfrist vorsorglich die Berufung zu erheben. Da dies nicht geschehen ist, haben die Beschwerdeführer - da der Vertretene grundsätzlich für die Handlung und Unterlassung seines anwaltlichen Vertreters einzustehen hat - die Folgen dieser Unterlassung zu tragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. November 1996, Zlen. 96/18/0463, 0464, mwH).
Da somit ein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund nicht dargetan wurde, hat die belangte Behörde dem gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag zutreffend den Erfolg versagt.
4. Damit erweist sich die Beschwerde auf dem Boden der hg. Rechtsprechung als unbegründet, sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 16. März 2012
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