VwGH 2009/01/0070

VwGH2009/01/007020.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der H J in L, geboren am 16. Mai 1977, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 5. Oktober 2009, Zl. IKD (Stb)-428188/8-2009-Dor, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

BVG über die Beseitigung rassischer Diskriminierung 1973 Art1 Abs1;
FlKonv Art34;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;
StbG 1985 §11a Abs4 Z1;
StbG 1985 §11a Abs4;
StbG 1985 §16 Abs1 Z1;
StbG 1985 §16 Abs1 Z2 litb;
BVG über die Beseitigung rassischer Diskriminierung 1973 Art1 Abs1;
FlKonv Art34;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;
StbG 1985 §11a Abs4 Z1;
StbG 1985 §11a Abs4;
StbG 1985 §16 Abs1 Z1;
StbG 1985 §16 Abs1 Z2 litb;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erstreckung der österreichischen Staatsbürgerschaft (nach ihrem Ehegatten) vom 10. August 2009 gemäß § 16 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 idF BGBl. I Nr. 4/2008 abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Angola, sei am 15. Dezember 2003 nach Österreich eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt. Dieses Asylverfahren sei am 13. Juli 2009 rechtskräftig negativ beendet worden. Am 17. Juli 2009 habe die Beschwerdeführerin einen neuerlichen "Asylantrag" (Antrag auf internationalen Schutz) eingebracht, worauf ihr am 22. Juli 2009 eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung erteilt und am 28. Juli 2009 dem Antrag stattgegeben worden sei.

Seit Februar 2004 lebe die Beschwerdeführerin mit ihrem Ehegatten in aufrechter Ehegemeinschaft.

Die Beschwerdeführerin habe sich zunächst auf Grund ihres ersten Asylantrages rechtmäßig in Österreich aufgehalten. Dieser rechtmäßige Aufenthalt sei infolge der rechtskräftigen negativen Asylentscheidung mit 13. Juli 2009 beendet worden. Ein rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt bestehe erst (wieder) seit 22. Juli 2009. Da zwischen dem Abschluss des ersten Asylverfahrens und dem zweiten Asylverfahren eine "zeitliche Lücke" klaffe, liege kein sechsjähriger durchgehender rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich vor. Die Voraussetzungen der Erstreckung der Staatsbürgerschaft nach § 16 StbG seien daher nicht gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 16 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 idF BGBl. I Nr. 4/2008 (StbG) lautet auszugsweise:

"§ 16. (1) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen Fremden ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8, Abs. 2 und 3 auf seinen mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten zu erstrecken, wenn

1. sich dieser seit mindestens sechs Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufhält;

2. …

b) ihm zum Zeitpunkt der Antragstellung der Status des Asylberechtigten zugekommen ist oder

3. die Ehe weder von Tisch und Bett noch sonst ohne Auflösung des Ehebandes gerichtlich geschieden ist;

4. er nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach § 33 Fremder ist und

5. die Ehe seit mindestens fünf Jahren aufrecht ist.

(2) ..."

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 (AsylG 2005) lauten:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

15. der Status des Asylberechtigten: das dauernde Einreise- und Aufenthaltsrecht, das Österreich Fremden nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gewährt;

Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Aufenthaltsrecht

§ 13. Ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, ist bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Entzug des Aufenthaltsrechts (§ 62 Abs. 1 FPG) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. Wird Asylwerbern gemäß § 62 FPG ihr Aufenthaltsrecht entzogen, kommt ihnen faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu.

Zulassungsverfahren

§ 28. (1) Ist der Antrag voraussichtlich nicht zurückzuweisen, ist das Verfahren zuzulassen, soweit das Verfahren nicht vor Zulassung inhaltlich entschieden wird. Die Zulassung erfolgt durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 51); eines Bescheides bedarf es dann nicht. Die Zulassung steht einer späteren zurückweisenden Entscheidung nicht entgegen.

Aufenthaltsberechtigungskarte

§ 51. (1) Einem Asylwerber, dessen Verfahren zuzulassen ist, ist eine Aufenthaltsberechtigungskarte auszustellen. Die Karte ist bis zu einer durchsetzbaren Entscheidung, zur Einstellung oder zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens gültig.

(2) Die Aufenthaltsberechtigungskarte dient dem Nachweis der Identität für Verfahren nach diesem Bundesgesetz und der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes im Bundesgebiet. ...

…"

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, dass die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Bescheiderlassung keinen sechsjährigen durchgehenden ("ununterbrochenen") legalen Aufenthalt im Bundesgebiet im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 1 StbG habe vorweisen können.

Die Beschwerdeführerin wendet dagegen im Wesentlichen ein, sie habe ihren ersten Asylantrag vom 15. Dezember 2003 im Rechtsmittelstadium lediglich aus formalen Gründen zurückgezogen, um "Zug um Zug" den zweiten Asylantrag (vom 17. Juli 2009) einbringen zu können. Es sei jedoch - aufgrund der Tatsache, dass ihrem Ehemann ebenfalls Asyl gewährt worden sei - von vornherein klar gewesen, dass auch ihr der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen sei. Auf Grund des materiellen Flüchtlingsbegriffes der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) sei sie daher vom Beginn ihres Aufenthalts in Österreich als Flüchtling anzusehen und daher zum Aufenthalt in Österreich berechtigt. Die Annahme eines mehr als sechsjährigen durchgehenden legalen Aufenthalts in Österreich sei in ihrem Fall auch im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation des § 16 Abs. 1 StbG geboten; die Verweigerung der Erstreckung der Staatsbürgerschaft aufgrund eines Zeitraumes "von lediglich vier Tagen" verstoße angesichts der problemlos erfolgten Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an ihren Ehemann und ihre Kinder gegen den "Gleichbehandlungsgrundsatz von Fremden untereinander, aber auch gegen das Menschenrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens".

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf.

1. Unstrittig ist, dass das erste Asylverfahren der Beschwerdeführerin - infolge Zurückziehung des gegen den abweisenden erstinstanzlichen Bescheid eingebrachten Rechtsmittels - mit Wirksamkeit vom 13. Juli 2009 rechtskräftig (negativ) beendet wurde. Dies hatte zur Folge, dass das Aufenthaltsrecht der Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt endete. Ein neuerliches Aufenthaltsrecht erlangte die Beschwerdeführerin gemäß § 13 AsylG 2005 erst wieder mit dem Zeitpunkt der Zulassung des zweiten Asylverfahrens; dies war im vorliegenden Fall - aktenkundig dokumentiert durch einen Hinweis auf die Ausstellung der Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005 - der 22. Juli 2009. Die belangte Behörde ist demnach zutreffend davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin jedenfalls im Zeitraum vom 14. bis 21. (und nicht, wie die Beschwerdeführerin annimmt: bis 16.) Juli 2009 über keinen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich verfügte.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung sowohl zu § 10 Abs. 1 Z. 1 als auch zu § 11a Abs. 4 Z. 1 StbG bereits klargestellt, dass nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmungen ("rechtmäßig und ununterbrochen") Verleihungsvoraussetzung ist, dass der Verleihungswerber zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde einen durchgehenden (eben "ununterbrochenen") legalen Aufenthalt im Bundesgebiet vorweisen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2008, Zl. 2008/01/0316, bzw. das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2009, Zl. 2009/01/0001). Gleiches gilt - angesichts des identen Wortlautes ("rechtmäßig und ununterbrochen") - auch für das Erfordernis des sechsjährigen Aufenthalts nach § 16 Abs. 1 Z. 1 StbG.

Die Beschwerdeführerin erfüllte diese Voraussetzung nicht, weil sie erst (wieder) seit dem 22. Juli 2009 - und sohin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht durchgehend sechs Jahre - rechtmäßig in Österreich aufhältig war.

3. Soweit die Beschwerde einen mehr als sechsjährigen ununterbrochenen, rechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin mit dem Argument darzulegen versucht, dass die Beschwerdeführerin seit Beginn ihres Aufenthaltes in Österreich (15. Dezember 2003) durchgehend als Flüchtling im Sinne der FlKonv anzusehen sei, ist dem entgegen zu halten, dass allein die Flüchtlingseigenschaft noch keinen legalen Aufenthalt in Österreich bewirkt. Ein (vorläufiges) Aufenthaltsrecht wurde - wie dargelegt - erst wieder mit der Zulassung des zweiten Asylverfahrens begründet.

Weiters sei darauf hingewiesen, dass nach dem klaren Wortlaut des § 16 Abs. 1 Z. 2 lit. b StbG dem Anwendungsbereich dieser Bestimmung lediglich jene Erstreckungswerber unterfallen, denen im Zeitpunkt der Antragstellung der "Status des Asylberechtigten" zugekommen ist. Damit knüpft diese Regelung an die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 Z. 15 und § 3 Abs. 1 AsylG 2005 an, woraus erhellt, dass nur jene Flüchtlinge in den Genuss der Privilegierung nach § 16 StbG kommen, die den Asylberechtigtenstatus infolge rechtskräftiger Entscheidung einer österreichischen Asylbehörde nach Maßgabe des österreichischen Asylrechts erlangt haben. Der "materielle Flüchtlingsbegriff" der FlKonv ist daher nach § 16 Abs. 1 Z. 2 lit. b (ebenso wie nach § 11a Abs. 4 Z. 1) StbG nicht von Bedeutung.

Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass nach Art. 34 FlKonv - wonach die vertragsschließenden Staaten "so weit wie möglich" die Eingliederung und Einbürgerung der Flüchtlinge erleichtern werden -

lediglich Erleichterungen wie beispielsweise die Verkürzung der erforderlichen Aufenthaltsdauer gemeint sind, wie sie bereits in den §§ 11a Abs. 4 und 16 Abs. 1 Z. 2 lit. b StbG vorgesehen sind. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Erwerb der Staatsbürgerschaft kann daraus nicht abgeleitet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. August 2007, 2007/01/0695; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 10. April 2008, Zl. 2007/01/1394).

4. Insoweit die Beschwerdeführerin die Verfassungswidrigkeit des § 16 Abs. 1 Z. 1 StbG behauptet, ist dem entgegen zu halten, dass Art. I Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. Nr. 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot enthält, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm beinhaltet ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist (vgl. zuletzt etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Mai 2011, Zl. U 2659/10, mwN). Davon ausgehend vermag der Verwaltungsgerichtshof die Unsachlichkeit einer gesetzlichen Regelung (bzw. einer auf deren Grundlage getroffenen behördlichen Entscheidung), die in staatsbürgerschaftsrechtlicher Hinsicht danach differenziert, ob ein Fremder einen durchgehenden legalen Aufenthalt von bestimmter Dauer in Österreich vorweisen kann oder nicht, nicht zu erkennen.

Bezogen auf den gegenständlichen Beschwerdefall verkennt der Verwaltungsgerichtshof im Übrigen nicht, dass die Beschwerdeführerin das Erfordernis des durchgehenden legalen Aufenthaltes lediglich infolge einer wenige Tage umfassenden Unterbrechung nicht erfüllte; für die Berücksichtigung derartiger besonderer Lebensumstände besteht nach dem Wortlaut des Gesetzes jedoch keine Grundlage und aus verfassungsrechtlicher Sicht auch kein Anlass (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 15. März 2010, Zl. 2007/01/0791, sowie die hg. Erkenntnisse vom 16. Mai 2007, Zl. 2007/01/0019, und vom 28. Oktober 2009, Zl. 2007/01/0295, jeweils mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bzw. zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Regelungen, die auch Härtefälle mit sich bringen).

5. Ebenso wenig wird die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK verletzt, zumal sie als Asylberechtigte - neben anderen damit verbundenen besonderen Rechtspositionen - ein dauerndes Einreise- und Aufenthaltsrecht in Österreich genießt, wodurch insbesondere das Zusammenleben mit ihrer Familie in Österreich gewährleistet ist; eine sonstige Beeinträchtigung der nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte ist nicht erkennbar und wird in der Beschwerde auch nicht dargelegt.

6. Soweit die Beschwerde die Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet, muss ihr der Erfolg schon mangels jeglicher Relevanzdarlegung versagt bleiben.

7. Aus den genannten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

8. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 20. September 2011

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