VwGH 2008/23/0865

VwGH2008/23/086526.6.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie die Hofrätin Dr. Pollak und den Hofrat MMag. Maislinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stelzl, über die Beschwerde des G I in K, geboren 1973, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 24. Jänner 2007, Zl. 304.276-C1/E1- XVII/55/06, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am 13. Mai 2005 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag Asyl. Er sei seit Dezember 2004 Mitglied der Massob gewesen; seine Aufgabe sei es gewesen, die Leute zu informieren. Sie hätten Versammlungen organisiert, wo ihre Fahnen gehisst worden seien. Zuletzt hätten sie eine Kundgebung veranstaltet, an deren Ende sie auch Fußball gespielt hätten. Zwei Tage danach habe die Polizei nach Mitgliedern der Massob in seinem Dorf gesucht und viele misshandelt und mitgenommen. Auch der Beschwerdeführer sei von Polizisten gesucht und festgenommen worden; er sei zu einem Polizeifahrzeug gebracht worden, in welchem er einen Mann in einer Blutlache liegen gesehen habe. Als die Polizisten in ein anderes Haus gegangen seien, sei er gefesselt im Polizeiauto geblieben. Ihm sei es gelungen, die Fesseln zu lösen und zu flüchten. Die Polizisten hätten ihn verfolgt und auf ihn geschossen, hätten ihn aber nicht "erwischt". Die Polizei suche nach ihm. Wegen dieser Kundgebung seien Leute getötet worden. Er befürchte, dass die Polizei ihn bei Rückkehr nach Nigeria töten werde.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 3. August 2006 den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab, stellte die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 AsylG fest und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG dorthin aus. Es traf Feststellungen zur Situation in Nigeria. Die Aussagen des Beschwerdeführers seien "nicht plausibel und konnten nicht als Sachverhalt festgestellt werden". Im Rahmen der Beweiswürdigung verwies das Bundesasylamt darauf, die Aussagen des Beschwerdeführers seien sehr allgemein gehalten, der Geschehensablauf sei nur kursorisch geschildert worden und habe bei der Einvernahme wie einstudiert gewirkt. Er habe keine Details zur Verhaftung angeben können. Seine Angaben seien "als nicht plausibel zu bezeichnen".

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde verwies begründend auf die Sachverhaltsfeststellungen des Bundesasylamtes, führte aber anderseits aus, es könne dahingestellt bleiben, ob die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes "im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig ist, denn selbst bei Wahrunterstellung des vom BW geschilderten fluchtkausalen Ereignisses, käme es, unter Einbeziehung der Feststellungen zum Herkunftsstaat, zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung." In der einmaligen Festnahme durch die Polizei könne "noch keine Verfolgungshandlung von ausreichender Intensität erblickt werden".

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung des Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides muss demnach erkennen lassen, welchen Sachverhalt die Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt, und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. nur Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) E 19 zu § 60 AVG). Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid zwar den Sachverhaltsfeststellungen des Bundesasylamtes angeschlossen, gleichzeitig aber ausgeführt, es könne offen bleiben, ob die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes "schlüssig und stimmig ist". Somit hat die belangte Behörde aber gerade nicht angegeben, aus welchen Erwägungen sie zu der Ansicht gelangt sei, dass der von ihr angenommene Sachverhalt vorliege. Insoweit liegt ein erheblicher Begründungsmangel vor.

Der angefochtene Bescheid könnte daher nur Bestand haben, wenn - wie die belangte Behörde meint - auch bei Wahrunterstellung des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers keine andere rechtliche Beurteilung zu erfolgen hätte.

Der Beschwerdeführer wurde - nach seinem Vorbringen - nach einer Kundgebung der Massob von der Polizei gesucht und festgenommen; im Polizeiauto befand sich bereits ein Mann, der in einer Blutlache lag; er selbst konnte flüchten, wird aber nach wie vor von der Polizei gesucht. Wegen dieser Kundgebung wurden Leute getötet; er befürchte, bei seiner Rückkehr von der Polizei getötet zu werden.

Ausgehend von diesen - als wahr unterstellten - Behauptungen ist aber nicht ersichtlich, wie die belangte Behörde zum Ergebnis gelangen konnte, diese Verfolgungshandlungen seien nicht ausreichend intensiv. Auch wenn der Beschwerdeführer nicht zu den führenden Mitgliedern der Massob zählt, hat er dennoch - ausgehend von dem als zutreffend unterstellten Sachverhalt - bereits die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich gezogen. Dass er befürchtet, bei einer Rückkehr nach Nigeria von der Polizei umgebracht zu werden, ist kein - wie die belangte Behörde meint - spekulatives Vorbringen, wenn bereits andere Personen wegen dieser Kundgebung getötet wurden und die Polizei nach ihm sucht.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 26. Juni 2009

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