VwGH 2008/23/0721

VwGH2008/23/072111.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie die Hofrätin Dr. Pollak und die Hofräte MMag. Maislinger, Dr. Hofbauer und Mag. Dr. Wurdinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des R C in V, geboren 1977, vertreten durch Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. September 2006, Zl. 229.833/0- VIII/22/02, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2009:2008230721.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, reiste am 9. November 2001 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag Asyl.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 26. Juni 2002 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran gemäß § 8 AsylG als zulässig.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. In der Berufungsverhandlung vom 24. März 2006 gab der Beschwerdeführer an, er sei schiitischer Moslem, auch seine Eltern seien Moslems. Er habe viele christliche Freunde (armenische Christen) gehabt. Da er Interesse am Christentum gehabt habe, habe er Fragen an seine Freunde gestellt. Er habe diese Freunde besucht, wo in Anwesenheit eines Älteren (möglicherweise eines Geistlichen) diskutiert und in der Bibel gelesen worden sei. Es sei allen Teilnehmern von Anfang an klar gewesen, dass die Teilnahme an den Sitzungen gefährlich sei. Nach etwa vier oder fünf Monaten habe einer der Teilnehmer erzählt, die Behörden hätten von den Sitzungen erfahren, die Teilnehmer seien von der Behörde identifiziert worden, die Sicherheitskräfte würden bereits vor der Tür stehen. Der Beschwerdeführer sei daraufhin geflüchtet. Sein Vater sei in der Folge mehrfach zu Vernehmungen vorgeladen und nach dem Aufenthaltsort des Beschwerdeführers befragt worden. In Österreich habe er zunächst regelmäßig eine evangelische Kirche besucht, wo er auch iranische Christen getroffen habe. Seit er in der Gastronomie tätig sei, müsse er aber am Sonntag arbeiten und könne daher nicht in die Kirche gehen. Er lese aber viel in der Bibel. Er sei nicht getauft; es wäre nicht sehr schwer für ihn, in Österreich die Taufe zu erhalten. Für ihn sei es aber eine Herzensangelegenheit, er wolle nicht nur deswegen getauft werden, damit er Asyl erhalte. Würde er in den Iran zurückkehren, würde er sicher umgebracht werden, auf den Abfall von der Religion stehe die Todesstrafe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß §§ 7 und 8 AsylG ab. Sie stellte unter anderem fest, der Beschwerdeführer habe sich im Iran in keiner Weise politisch betätigt. Durch christliche Freunde sei er mit dem Christentum in Verbindung gekommen und habe gelegentlich christliche Veranstaltungen im Iran besucht. Als er gehört habe, dass Teilnehmer dieser Veranstaltungen von der Behörde identifiziert worden seien, sei er ausgereist. In Österreich habe er anfänglich eine evangelische Kirche in Salzburg besucht, seine Kontakte zum Christentum seien aber nicht intensiver geworden, er sei auch nicht getauft. Der Beschwerdeführer verfüge über eine Arbeitserlaubnis und arbeite als Pizzakoch. Sodann traf die belangte Behörde Feststellungen zur Verfolgung vom Islam Abgefallener im Iran. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dem Beschwerdeführer werde "insofern" Glaubwürdigkeit zugebilligt, als die Angaben des Beschwerdeführers in die "personenbezogenen Feststellungen eingeflossen sind". Im Rahmen der rechtliche Beurteilung erörterte die belangte Behörde, der Beschwerdeführer habe wohl schon vor seiner Ausreise aus dem Iran Interesse am Christentum gezeigt; "die damit im Zusammenhang stehenden Angaben sind allerdings relativ vage". Dieses Interesse habe sich nach seiner Flucht nach Österreich fortgesetzt, aber auch nicht intensiviert und sei auch nicht in die Taufe gemündet. Das bloße Interesse am Christentum führe im Iran nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zur Verfolgung. Das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers "über seine Probleme im Iran ist sehr vage erstattet worden". Es könne nicht davon gesprochen werden, dass der Beschwerdeführer beabsichtige, die christliche Religion auszuüben, weil er in Österreich innerhalb von fünf Jahren dazu Gelegenheit gehabt hätte, dies aber nicht tue. Es sei überhaupt zweifelhaft, ob er den inneren Entschluss, vom Islam abzufallen, für sich getroffen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Mit der Frage der asylrechtlichen Relevanz einer Konversion zum Christentum in Bezug auf den Iran hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt befasst (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. Oktober 2001, Zl. 99/20/0550; zuletzt das Erkenntnis vom 17. September 2008, Zl. 2008/23/0675, je mwN). Entscheidend ist demnach, ob der Beschwerdeführer bei weiterer Ausführung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Ob die Konversion bereits - durch die Taufe - erfolgte oder bloß beabsichtigt ist, ist nicht entscheidend (vgl. das Erkenntnis vom 30. Juni 2005, Zl. 2003/20/0544, mwN).

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung bezweifelte die belangte Behörde, ob der Beschwerdeführer diesen inneren Entschluss, vom Islam abzufallen, getroffen habe. Feststellungen zu dieser Frage wurden von der belangten Behörde aber nicht getroffen; die Bezeichnung als "zweifelhaft" im angefochtenen Bescheid legt auch nicht offen, ob die belangte Behörde insoweit von einer (fehlenden) Glaubhaftmachung ausgeht. Auch wenn der belangten Behörde zuzugestehen ist, dass der Beschwerdeführer in Österreich - nach seinen eigenen Angaben -nur wenig Kontakt zu christlichen Kirchen hatte, ist anderseits zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer bereits im Iran - auch von der belangten Behörde festgestellt - an christlichen Veranstaltungen teilgenommen hatte. Insoweit liegt auch nicht ein "bloßes Interesse am Christentum" - so die belangte Behörde in der rechtlichen Beurteilung - vor. Dass sich der Beschwerdeführer aber durch diese Teilnahme an christlichen Veranstaltungen bewusst einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt hatte, wurde von der belangten Behörde bei der Prüfung, ob eine innere Überzeugung des Beschwerdeführers vorliege, nicht berücksichtigt (vgl. hiezu - wenn auch im Hinblick auf eine Konversion im Iran - diesen Gesichtspunkt betonend etwa das Schreiben des UNHCR an die belangte Behörde vom 6. Dezember 2001: "... großes Risiko auf sich genommen haben und dadurch das Ausmaß ihrer Überzeugung offenkundig wird").

Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass die belangte Behörde bei der Prüfung der Verfolgungsgefahr berücksichtigt hat, dass der Beschwerdeführer - nach seinem Vorbringen - bereits in das Blickfeld der iranischen Behörden gelangt sei; die Teilnehmer seien identifiziert, sein Vater sei wiederholt nach dem Aufenthaltsort des Beschwerdeführers befragt worden. Dem angefochtenen Bescheid kann nicht entnommen werden, dass dieses Vorbringen als unglaubwürdig beurteilt wurde auch wenn wiederholt das Vorbringen als "vage erstattet" bezeichnet wird; nachvollziehbar begründete Feststellungen (allenfalls auch negative) zu diesem Vorbringen wurden nicht getroffen. Dass dieses Vorbringen aber rechtlich irrelevant sei, wurde von der belangten Behörde nicht dargelegt und ist nicht ersichtlich.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Von der in der Beschwerde beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 11. November 2009

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