VwGH 2008/23/0030

VwGH2008/23/003017.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Dr. Wurdinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, in der Beschwerdesache der Bundesministerin für Inneres in 1014 Wien, Herrengasse 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 31. Juli 2006, Zl. 303.653- C1/E1-X/47/06, betreffend § 38 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz 2005 (mitbeteiligte Partei: BG, geboren 1977, vertreten durch Dr. Marcus Zimmerbauer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Bürgerstraße 41), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §38 Abs1;
AVG §64 Abs2;
AVG §66 Abs2;
B-VG Art131 Abs2;
VwGG §42 Abs1;
VwGG §42 Abs2;
VwRallg;
AsylG 2005 §38 Abs1;
AVG §64 Abs2;
AVG §66 Abs2;
B-VG Art131 Abs2;
VwGG §42 Abs1;
VwGG §42 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten gegen Spruchpunkt IV. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 20. Juli 2006, mit welchem einer Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 38 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) die aufschiebende Wirkung aberkannt worden war, gemäß § 38 Abs. 1 AsylG 2005 statt und behob diesen Spruchpunkt ersatzlos.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, zu welcher der Mitbeteiligte eine Gegenschrift erstattete.

Nach Einleitung des Vorverfahrens legte die belangte Behörde mit der Aktenvorlage ihren Bescheid vom 6. November 2006, Zl. 303.653-C1/E2-X/47/06, vor. Mit diesem Bescheid behob sie in Erledigung der Berufung des Mitbeteiligten die Spruchpunkte I. bis III. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 20. Juli 2006, mit denen sein Antrag auf internationalen Schutz vom 19. Mai 2006 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen, ihm gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zuerkannt und er gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 dorthin ausgewiesen worden war, und verwies die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

Mit Verfügung vom 6. September 2010 wurde die Beschwerdeführerin unter Hinweis darauf, dass durch die Berufungsentscheidung vom 6. November 2006 der angefochtene Bescheid nicht mehr dem Rechtsbestand angehöre, aufgefordert mitzuteilen, aus welchen Gründen an der Erledigung der Amtsbeschwerde noch ein rechtliches Interesse bestehen sollte.

Mit Schreiben vom 30. September 2010 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass eine "Klaglosstellung" nicht vorliege, weil mit der Amtsbeschwerde die Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine (objektive) Rechtmäßigkeit begehrt worden sei. Ihre Interessenlage richte sich "über die Bindung im konkreten Rechtsstreit hinaus" auf die Klärung von Rechtsfragen im Zusammenhang mit § 38 Abs. 1 AsylG 2005 für gleich gelagerte Rechtsfälle in anderen bzw. künftigen Asylrechtsstreitigkeiten. Zudem bleibe die im angefochtenen Bescheid vertretene Rechtsansicht auch dahingehend von Relevanz, "als diese das Bundesasylamt im gegenständlichen Verfahren gebunden hat und diesem somit eine neuerliche Aberkennung der aufschiebenden Wirkung aus diesem Grund versagt geblieben ist".

Gemäß § 38 Abs. 1 AsylG 2005 kann das Bundesasylamt einer Berufung gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz und der damit verbundenen Ausweisung in näher angeführten Fällen die aufschiebende Wirkung aberkennen. Diese Bestimmung stellt eine lex specialis zu § 64 Abs. 2 AVG dar (so die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage 952 BlgNR XXII. GP 56).

Durch die Behebung eines Bescheides im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hat. Der in erster Instanz ergangene Bescheid wird damit zur Gänze aus dem Rechtsbestand ausgeschieden, womit im Sinne dieser Beseitigungswirkung als akzessorische Entscheidung auch der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung wegfällt und nicht mehr dem Rechtsbestand angehört (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. April 1994, Zl. 92/03/0238, sowie vom 28. März 2008, Zl. 2005/12/0178, und den hg. Beschluss vom 19. Juni 1990, Zl. 88/04/0068, jeweils betreffend § 64 Abs. 2 AVG).

Im vorliegenden Fall ist der angefochtene Bescheid mit der Erlassung des Bescheides der belangten Behörde vom 6. November 2006, mit dem die (verbliebenen) Spruchpunkte I. bis III. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 20. Juli 2006 gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben wurden, infolge seines akzessorischen Charakters aus dem Rechtsbestand ausgeschieden und hat damit seine Wirksamkeit verloren (vgl. zu einem ähnlichen Fall betreffend § 64 Abs. 2 AVG den bereits zitierten Beschluss vom 19. Juni 1990, Zl. 88/04/0068; vgl. auch das zitierte Erkenntnis vom 18. April 1994, Zl. 92/03/0238).

Der angefochtene Bescheid könnte daher bei der im Beschwerdefall gegebenen Fallkonstellation nicht auf seine Richtigkeit überprüft werden (vgl. den zitierten Beschluss vom 19. Juni 1990, Zl. 88/04/0068). Dem Verwaltungsgerichtshof steht bei einer Bescheidbeschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG nur die Kompetenz zu, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen oder den angefochtenen Bescheid aus den Gründen des § 42 Abs. 2 VwGG aufzuheben, nicht aber auch, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides festzustellen. Dies gilt auch im Fall von Beschwerden gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG (vgl. die hg. Beschlüsse vom 23. Juli 2004, Zl. 2004/02/0106, und vom 26. April 2010, Zl. 2007/01/1186), mag auch die zugrundeliegende Rechtsfrage für künftige Verwaltungsverfahren von Interesse sein (vgl. den hg. Beschluss vom 15. Dezember 2008, Zlen. 2007/10/0231 bis 0239).

Da der angefochtene Bescheid - wie dargelegt - nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, kann er auch keine rechtliche Bindungswirkung für das Bundesasylamt im fortgesetzten Verfahren im Sinne der Abstandnahme von der neuerlichen Aberkennung der aufschiebenden Wirkung entfalten.

Das rechtliche Interesse an der meritorischen Erledigung der Amtsbeschwerde ist damit nach ihrer - zulässigen - Erhebung weggefallen, womit ein Fall gegeben ist, in dem im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Verfahren in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen ist (vgl. den zitierten Beschluss vom 19. Juni 1990, Zl. 88/04/0068, und die jeweils Amtsbeschwerden betreffenden, bereits zitierten Beschlüsse vom 23. Juli 2004, Zl. 2004/02/0106, vom 15. Dezember 2008, Zlen. 2007/10/0231 bis 0239, sowie vom 26. April 2010, Zl. 2007/01/1186). Das Beschwerdeverfahren war daher wegen Gegenstandslosigkeit einzustellen.

Mangels einer formellen Klaglosstellung liegen die Voraussetzungen für einen Kostenzuspruch nach § 56 VwGG nicht vor. Vielmehr kommt § 58 Abs. 2 VwGG zur Anwendung, wonach der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen ist; würde hiebei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber in freier Überzeugung zu entscheiden. Im vorliegenden Beschwerdefall kann ohne unverhältnismäßigen Prüfungsaufwand allerdings nicht gesagt werden, welchen

Ausgang das verwaltungsgerichtliche Verfahren genommen hätte, wäre die Beschwerde nicht gegenstandslos geworden. Ein Kostenzuspruch (an den Mitbeteiligten) findet daher nicht statt.

Wien, am 17. November 2010

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