VwGH 2008/22/0807

VwGH2008/22/080727.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der A, vertreten durch Mag. Nikolaus Vogt, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Zeltgasse 3/13, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. April 2008, Zl. 150.788/2- III/4/08, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

EMRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
EMRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 10. April 2008 wies die belangte Behörde den (am 30. November 2005 eingereichten) Antrag

der Beschwerdeführerin, einer nigerianischen Staatsangehörigen, auf Erteilung

eines Aufenthaltstitels als begünstigte Drittstaatsangehörige (§ 49 Abs. 1 Fremdengesetz 1997) gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, ab.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin am 9. Dezember 2003 eingereist sei und am selben Tag einen Asylantrag gestellt habe. Das Asylverfahren sei in erster Instanz "rechtskräftig am 30.12.2003 negativ beschieden" worden. Die Beschwerdeführerin sei ohne entsprechenden Aufenthaltstitel weiterhin im Bundesgebiet geblieben. Sie habe am 9. August 2005 einen österreichischen Staatsbürger geheiratet und eine Erstniederlassungsbewilligung im Rahmen der Familienzusammenführung begehrt.

Gemäß § 21 Abs. 1 NAG hätte sie den Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einbringen und die Entscheidung im Ausland abwarten müssen.

Die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger "stellt keinesfalls ein Aufenthaltsrecht nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht dar." Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt in Österreich aufhielten, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen.

Die Behörde könne einen im Inland gestellten Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung aus besonders berücksichtigungswürdigen humanitären Gründen (gemäß § 72 NAG) von Amts wegen zulassen. Der Antrag der Beschwerdeführerin sowie ihr Berufungsschreiben enthielten keine humanitären Gründe. Humanitäre Gründe hätten trotz diesbezüglicher Prüfung seitens der Berufungsbehörde nicht festgestellt werden können. Laut Überprüfung der Meldedaten gebe es keinen gemeinsamen Hauptwohnsitz mit dem Ehemann der Beschwerdeführerin. Das Gewicht einer Integration auf Grund eines langjährigen Aufenthaltes, der lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen sei, sei im Stellenwert gemindert. Auch die Ehe mit einem Österreicher stelle keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund im Sinn des § 72 NAG dar. Eine Inlandsantragstellung werde daher von Amts wegen nicht zugelassen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sie einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt hat. Sie meint aber, dass sie - weil sie bereits einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt hatte und der nunmehrige Antrag für sie als fachunkundige Fremde einen "weiteren" Antrag dargestellt habe - auf die allenfalls nötige Auslandsantragstellung hinzuweisen gewesen wäre.

Dieser Ansicht kann sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anschließen. Zum einen handelt es sich beim Erfordernis der Auslandsantragstellung um eine Erfolgsvoraussetzung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2010, 2009/22/0022), auf die sich somit die Anleitungspflicht nicht erstreckt (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren Band I2, E 8 ff zu § 13a AVG wiedergegebene hg. Judikatur). Zum anderen durfte die Beschwerdeführerin im Geltungsbereich des Fremdengesetzes 1997, somit bis zum 31. Dezember 2005, ohnedies einen Antrag auf Familienzusammenführung (§ 49 FrG) im Inland stellen. Zulässigerweise beurteilte die belangte Behörde aber den Antrag nach Inkrafttreten des NAG mit 1. Jänner 2006 gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes (in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 2/2008) und wendete somit § 21 Abs. 1 NAG an (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 2010, 2008/22/0676). Die Beschwerdeführerin wäre nach Inkrafttreten des NAG verpflichtet gewesen, die Entscheidung über ihren Antrag im Ausland abzuwarten.

Das Recht, die Entscheidung im Inland abzuwarten, kommt daher im vorliegenden Fall nur gemäß § 74 NAG in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG vor, ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland einschließlich des Abwartens über die Entscheidung im Inland zuzulassen, wobei die Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch (etwa auf Familiennachzug) besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2008, 2008/22/0265 bis 0267).

Zum Vorliegen humanitärer Gründe nach § 72 NAG bringt die Beschwerdeführerin vor, sie wäre in Nigeria gemäß § 50 FPG bedroht. Abgesehen davon, dass ein derartiges Vorbringen im Verwaltungsverfahren nicht erstattet worden ist, wurde über die Frage der Bedrohung oder Verfolgung der Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland im Sinn des § 50 FPG bereits im Asylverfahren entschieden. Dass sich die Umstände bis zur gegenständlichen Entscheidung geändert hätten, wird nicht behauptet.

Die Beschwerdeführerin vermag auch hinsichtlich der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die belangte Behörde irrt zwar in ihrer Meinung, dass die Ehe mit einem Österreicher keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund im Sinn des § 72 NAG darstelle. Im Gegenteil kommt nämlich gerade einem Familienleben mit einem Österreicher große Bedeutung im Sinn einer Verstärkung der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich zu. Diesem Interesse steht jedoch das öffentliche Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften gegenüber, dem aus dem Gedanken des Schutzes der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt. Gegen dieses öffentliche Interesse hat die Beschwerdeführerin dadurch maßgeblich verstoßen, dass sie nach rechtskräftiger Abweisung ihres Asylantrages im Jahr 2003 unrechtmäßig in Österreich geblieben ist, statt den rechtmäßigen Zustand durch Ausreise herzustellen. Selbst unter Annahme eines aufrechten Familienlebens ist die Versagung eines Aufenthaltstitels nicht im Sinn des Art. 8 EMRK unzulässig, beschränkt sich doch das Vorbringen integrationsbegründender Umstände darauf, dass die Beschwerdeführerin seit knapp fünf Jahren in Österreich lebe und zwischenzeitig über einen entsprechenden Freundes- und Bekanntenkreis verfüge. Dies reicht nicht aus, um die geforderte Verhältnismäßigkeitsprüfung zu Gunsten der Beschwerdeführerin vorzunehmen.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht - im begehrten Ausmaß - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 27. September 2010

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