VwGH 2008/22/0790

VwGH2008/22/079014.10.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde der NU, geboren am 8. Juni 1930, vertreten durch Mag. Banu Kurtulan, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Marc Aurel-Straße 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Juni 2008, Zl. 150.058/2-III/4/2007, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §14 Abs3;
NAG 2005 §19 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §81;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §14 Abs3;
NAG 2005 §19 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §81;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde einen Antrag der Beschwerdeführerin, einer türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe "durch einen Familienangehörigen" bei der Bundespolizeidirektion Wien einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gestellt. Dieser Antrag sei auf Grund des Inkrafttretens des NAG nach dessen Vorschriften zu beurteilen gewesen. Gemäß § 21 Abs. 1 NAG seien Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung sei im Ausland abzuwarten. Der Antrag sei nicht bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland, sondern "eindeutig durch einen Familienangehörigen, Ihren Sohn, bei der zuständigen Inlandsbehörde" eingebracht worden, weshalb die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 NAG nicht erfüllt seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Unbestritten steht fest, dass der von der Beschwerdeführerin eingebrachte Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung am 20. Oktober 2005 von ihrem Sohn als bevollmächtigten Vertreter bei der (damals nach § 89 Abs. 2 Fremdengesetz 1997 - FrG für die Erteilung der beantragten Niederlassungsbewilligung zuständigen) Bundespolizeidirektion Wien abgegeben wurde.

Die belangte Behörde stützte die von ihr ausgesprochene Abweisung auf § 21 Abs. 1 NAG, wonach Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen sind und die Entscheidung im Ausland abzuwarten ist. Der angefochtene Bescheid enthält allerdings keine Feststellungen dahingehend, dass sich die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten hätte. Die belangte Behörde geht allein deshalb von einer unzulässigen Inlandsantragstellung aus, weil der gegenständliche Antrag vom bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin ohne Einschaltung einer Berufsvertretungsbehörde der Niederlassungsbehörde im Inland überreicht wurde.

Dem im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden (und am 31. Dezember 2005 außer Kraft getretenen) FrG war das Erfordernis der persönlichen Antragstellung fremd. Eine solche Verpflichtung wurde erst durch § 19 Abs. 1 NAG als eine vom AVG abweichende Verfahrensbestimmung eingeführt. Den Erläuternden Bemerkungen zu dieser Regelung in der Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket 2005 (952 BlgNR 22. GP S. 127 f) ist zu entnehmen, dass eine solche deswegen als unbedingt erforderlich erachtet wurde, weil "dies der einzig verlässliche Weg ist festzustellen, wo sich der Fremde zum Antragszeitpunkt gerade befindet - vor allem, ob der Fremde, soweit dies notwendig ist, wirklich im Ausland ist und sich nicht schon in Österreich befindet. Weiters wird die persönliche Anwesenheit zur Beibringung jener Daten unverzichtbar sein, die der künftigen Personifizierung des Aufenthaltstitels mittels Biometrie (Fingerabdruck, Lichtbild) dienen.".

§ 81 Abs. 1 NAG sieht vor, dass Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes (dies war der 1. Jänner 2006) anhängig sind, nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen sind. Nach den Materialien zu dieser Bestimmung (aaO., S. 149) dürfen aber jedenfalls von der nunmehr zuständigen Behörde zusätzliche Formalvoraussetzungen - deren Erfüllung im Falle eines Antrags nach den Bestimmungen des NAG erforderlich wäre - die aber zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrags nach den Bestimmungen des FrG für dessen Gültigkeit nicht vorgesehen waren, nicht zu Ungunsten des Antragstellers zu einer Zurückweisung seines Antrages aus diesen formalen Gründen führen.

Daraus ergibt sich, dass das Nichterfüllen des Formalerfordernisses des § 19 Abs. 1 erster Satz NAG im Falle eines vor Inkrafttreten des NAG gestellten Antrages nicht zur Zurückweisung führen darf (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Oktober 2007, 2007/21/0040, und vom heutigen Tag, 2008/22/0118).

Zwar stützte die belangte Behörde im gegenständlichen Fall - nach der im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführten Gesetzesbestimmung - die Antragsabweisung auf § 21 Abs. 1 NAG, sie stellte jedoch nicht fest, die Beschwerdeführerin habe sich im Zeitpunkt der Antragstellung im Inland aufgehalten oder die Erledigung des Antrages im Bundesgebiet abgewartet. Im Ergebnis warf die belangte Behörde der Beschwerdeführerin - worauf die Beschwerde zu Recht hinweist - die nicht persönlich erfolgte Antragstellung vor, was aber im Lichte des Vorgesagten nicht dem Gesetz entsprach.

Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 14. Oktober 2008

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