VwGH 2008/22/0438

VwGH2008/22/043815.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der X, vertreten durch Dr. Wolfgang Schöberl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Universitätsstraße 11, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. April 2007, Zl. 148.102/2- III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §293;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §8 Abs2 Z4;
ASVG §293;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §8 Abs2 Z4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer chinesischen Staatsangehörigen, vom 26. Juli 2006 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin strebe die Familiengemeinschaft mit ihrem in Österreich lebenden Ehegatten, einem österreichischen Staatsbürger, an. Dieser müsse, damit der Aufenthalt der Beschwerdeführerin zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könne, gemäß den Richtsätzen des § 293 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) für ein im gemeinsamen Haushalt lebendes Ehepaar ein monatliches Einkommen von EUR 1.091,14 ins Verdienen bringen. Dem Antrag sei lediglich eine Honorarnote des Ehegatten der Beschwerdeführerin für den Zeitraum März bis Mai 2006 angeschlossen gewesen, aus der ersichtlich sei, dass dieser monatlich jeweils EUR 1.030,-- bezogen habe. Die Erstbehörde habe die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 2. August 2006 aufgefordert, Kopien aller Honorarnoten ihres Gatten aus dem Jahr 2006 vorzulegen. Dieser Aufforderung sei sie jedoch nicht nachgekommen. Auch in der Berufung habe sie die geforderten Unterlagen nicht vorgelegt.

Auch eine Abwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG erfordere trotz Bestehens eines Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK nicht die Erteilung eines Aufenthaltstitels.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Übermittlung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falls im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Bescheides nach der Rechtslage des NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 99/2006 richtet.

Die Beschwerde rügt zunächst eine unrichtige Anwendung des § 11 Abs. 5 NAG und begründet dies im Wesentlichen damit, es sei bereits abstrakt ausgeschlossen, dass die Beschwerdeführerin zu einer finanziellen Belastung des Landes Wien werden könnte, weil sie die diesbezüglichen Voraussetzungen des Wiener Sozialhilfegesetzes - nämlich das Vorliegen eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EG" oder "Daueraufenthalt - Familienangehöriger" - nicht erfülle; sie habe nämlich einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" beantragt.

Dem ist entgegenzuhalten, dass § 11 Abs. 5 NAG als kumulative Voraussetzung zur Vermeidung einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft durch einen Fremden nicht nur auf die fehlende Notwendigkeit von Sozialhilfeleistungen abstellt, sondern auch die Höhe der von diesem nachzuweisenden (zu erwartenden) Einkünfte an die Richtsätze des § 293 ASVG knüpft. Die in der Beschwerde zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht, es komme nicht darauf an, ob das Einkommen des Ehegatten den Richtsätzen des § 293 ASVG entspreche, wenn die Gefahr einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft bereits abstrakt ausgeschlossen sei, ist daher nicht zutreffend.

Soweit die Beschwerdeführerin eine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung von drittstaatszugehörigen Angehörigen von Österreichern, die das ihnen gemeinschaftsrechtlich zustehende Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben, gegenüber jenen, bei denen dies nicht der Fall ist, ins Treffen führt, ist sie auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2009, G 244/09 u.a., hinzuweisen, wonach die insoweit relevante Bestimmung des § 57 NAG nicht mit Verfassungswidrigkeit behaftet ist.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Fremder initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel nachzuweisen, dass der Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint, wobei insoweit auch die Verpflichtung besteht, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2010, 2009/22/0219, mwN).

Dem Verwaltungsakt sind Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2004 und 2005 zu entnehmen, wonach das Jahreseinkommen des Ehegatten im Jahr 2004 EUR 3.624,14 und im Jahr 2005 EUR 4.340,-- betragen hat. Für das Jahr 2006 wurde der Erstbehörde mit dem gegenständlichen Antrag eine Honorarnote für den Zeitraum März bis Mai 2006 in Höhe von insgesamt EUR 3.090,-- vorgelegt. Im Verwaltungsakt befindet sich weiters ein Schreiben vom 4. September 2006, wonach der Ehegatte der Beschwerdeführerin für den Leistungszeitraum Juli bis September 2006 den Erhalt von EUR 2.000,-- (brutto) bestätigt. In Anbetracht dessen kann nicht davon gesprochen werden, die Beschwerdeführerin sei ihrer Verpflichtung zum initiativen Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel nachgekommen. Entgegen der Beschwerdeansicht war die belangte Behörde auch nicht gehalten, "das Einkommen, das voraussichtlich über das ganze Jahr (2006) erzielt werden wird, anhand der bereits gelegten Honorarnoten bzw. der bereits eingegangenen Einkünfte hochzurechnen", ergibt sich doch aus der Einkommenssituation der Jahre 2004 und 2005 sowie den für das Jahr 2006 vorgelegten Unterlagen kein Hinweis darauf, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin derartige ausreichende Einkünfte erzielt hätte. Auch unter Berücksichtigung des Sparguthabens in Höhe von EUR 8.003,67 konnte der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel im Sinn des § 293 ASVG nicht erbracht werden. Daher erweist sich die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG nicht vorliege, als zutreffend.

Gemäß § 11 Abs. 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z. 1 bis 6 leg. cit. erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten ist.

Die Beschwerde rügt diesbezüglich, die belangte Behörde sei dem in der Berufung gestellten Beweisantrag auf Vernehmung der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten nicht nachgekommen und habe keine mündliche Berufungsverhandlung anberaumt. Im Fall der Parteien- bzw. Zeugenvernehmung wäre hervorgekommen, dass die Beschwerdeführerin bereits seit 1986 verheiratet sei, ihr Sohn in Österreich lebe und österreichischer Staatsbürger sei.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung ihre eigene Vernehmung und die ihres Ehegatten zu dem nicht näher konkretisierten Beweisthema eines ausreichenden Einkommens beantragt hat. Die Relevanz der diesbezüglich unterbliebenen Vernehmungen wurde in der Beschwerde nicht dargetan. Die familiären Beziehungen zu dem in Österreich lebenden Sohn der Beschwerdeführerin haben auf Grund des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbots (§ 41 Abs. 1 VwGG) außer Betracht zu bleiben. Abgesehen davon, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung - entgegen dem Beschwerdevorbringen - in der Berufung nicht beantragt wurde, besteht im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der belangten Behörde auch kein Recht auf eine Berufungsverhandlung und auch kein Recht darauf, von der Behörde mündlich gehört zu werden.

Laut Verwaltungsakten ist die Beschwerdeführerin am 22. Juli 2006 mit einem bis Oktober 2006 gültigen Visum in das Bundesgebiet eingereist und nach Ablauf dieses Visums im Bundesgebiet verblieben. Entgegen der Beschwerdeansicht kann somit auch nicht davon gesprochen werden, dass im vorliegenden Fall "nicht der geringste Verstoß gegen fremdenrechtliche Bestimmungen" vorliege, verfügt doch die Beschwerdeführerin über keinen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet.

Wenn die belangte Behörde somit trotz Vorliegens eines Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK unter Hinweis auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens nicht für geboten erachtete, ist diese Ansicht nicht zu beanstanden.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 15. Juni 2010

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