VwGH 2008/22/0281

VwGH2008/22/028115.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des T, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. April 2007, Zl. 316.737/2-III/4/07, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

NAG 2005 §47 Abs3 Z3;
NAG 2005 §47 Abs3 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) den am 11. November 2005 gestellten Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen des Kosovo, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG ab.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer mit dem Antrag die Familienzusammenführung mit seinem in Österreich lebenden österreichischen Vater anstrebe, der sich zur Unterhaltsleistung für den Beschwerdeführer verpflichtet habe.

Allerdings sei aufgrund der Aktenlage "nicht ersichtlich", dass der Beschwerdeführer von seinem Vater bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen hätte oder mit diesem bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt und Unterhalt bezogen hätte. Der Beschwerdeführer habe seinem Antrag lediglich eine Verpflichtungserklärung seines Vaters beigelegt, wonach dieser ihn, seine Frau und seine Kinder mit EUR 300,-- monatlich im Kosovo finanziell unterstützt habe, ohne "diese Behauptung jedoch mit dementsprechenden Beweisen (z.B. Kontobewegungen) zu unterlegen".

Weiters habe der Beschwerdeführer im Verfahren die Fotokopie eines Sparbuches vorgelegt, das auf seinen Vater laute und einen Guthabenstand in der Höhe von EUR 24.964,-- per 26. Mai 2006 aufweise. Auf einer weiteren Fotokopie eines Sparbuches seien handschriftlich eine Kontonummer und der Name des Vaters des Beschwerdeführers vermerkt worden; dieses Sparbuch weise per 27. Jänner 2003 einen Guthabenstand in der Höhe von EUR 8.198,80 auf. In den vorgelegten Unterlagen fänden sich keine Hinweise darauf, dass der jeweils angeführte Geldbetrag tatsächlich dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehe.

Der Vater des Beschwerdeführers verfüge über eine monatliche Pension in der Höhe von EUR 1.003,72; andere regelmäßige Einkünfte seien auch in der Berufung nicht genannt worden.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 82 Abs. 1, 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 sowie 42 Abs. 1 NAG - im Wesentlichen aus, dass der gegenständliche Antrag aufgrund der nunmehr geltenden Rechtslage, nämlich des am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen NAG, als Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 NAG zu werten sei. Im Fall des Beschwerdeführers seien aber die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 Z. 3 lit. a und b NAG nicht gegeben, sodass der vorliegende Antrag "konsequenterweise von Amts wegen dahingehend einer Prüfung unterzogen" worden sei, ob die Voraussetzungen zur Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" gemäß § 42 Abs. 1 NAG vorlägen.

Gemäß § 42 Abs. 1 Z. 3 NAG müsse der Beschwerdeführer bzw. dessen Vater über feste und regelmäßige monatliche Einkünfte in der Höhe des Zweifachen der Richtsätze des § 293 ASVG verfügen. Es lägen allerdings keine ausreichenden Unterhaltsmittel des Beschwerdeführers "für eine dauernde Zuwanderung in das Bundesgebiet" vor, sodass diesem gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG kein Aufenthaltstitel erteilt werden dürfe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass die belangte Behörde den gegenständlichen, am 11. November 2005 (noch während der Geltung des am 31. Dezember 2005 außer Kraft getretenen Fremdengesetzes 1997 - FrG) gestellten Antrag in Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zutreffend nach den Bestimmungen des NAG (in der Fassung des BGBl. I Nr. 99/2006) beurteilt hat (§ 81 Abs. 1 NAG).

Die belangte Behörde stützte die Abweisung des vorliegenden Antrags allein auf das Fehlen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG und legte ihrer Entscheidung bei der in diesem Zusammenhang erforderlichen Berechnung der notwendigen Unterhaltsmittel die Annahme zugrunde, dass mangels Vorliegens der Voraussetzungen einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 NAG der gegenständliche Antrag von Amts wegen dahingehend habe geprüft werden müssen, ob die Voraussetzungen zur Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" gemäß § 42 Abs. 1 NAG vorlägen.

Damit wurde allerdings der durch den Antrag des Beschwerdeführers bestimmte Verfahrensgegenstand von der belangten Behörde eigenmächtig geändert. Dieser beantragte nämlich (noch während der Geltung des FrG) einen Aufenthaltstitel zwecks Familienzusammenführung mit seinem österreichischen Vater, was durch das Ankreuzen der im Antragsformular zur Festlegung des Aufenthaltszwecks dienenden Rubrik "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" deutlich zum Ausdruck kommt. Dementsprechend ging die belangte Behörde vorerst in ihrer Beurteilung davon aus, dass das Begehren des Beschwerdeführers nach den - im Entscheidungszeitpunkt relevanten - Bestimmungen des NAG einem Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" im Sinn des § 47 Abs. 3 NAG entspreche. Dafür, dass der Beschwerdeführer - wie von der belangten Behörde in weiterer Folge angenommen - eine Niederlassungsbewilligung nach § 42 Abs. 1 NAG beantragt hätte, gibt es demgegenüber überhaupt keine Hinweise.

Zum Verfahrensgegenstand eines Antrages im Anwendungsbereich des NAG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgeführt, dass nach den Bestimmungen dieses Gesetzes eine amtswegige Umdeutung eines Antrages grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Dies ergibt sich nicht nur aus der aus § 19 Abs. 2 NAG hervorgehenden strengen Antragsbindung, sondern auch aus § 23 Abs. 1 NAG, wonach die Behörde den Antragsteller zu belehren hat, wenn sich ergibt, dass der Fremde einen anderen als den beantragten Aufenthaltstitel benötigt. Die Richtigstellung (Änderung) des Antrages - innerhalb einer von der Behörde gemäß § 13 Abs. 3 AVG zu setzenden Frist - ist Sache des Antragstellers (vgl. jüngst etwa das hg. Erkenntnis vom 15. April 2010, 2008/22/0071, mwN).

Somit war es der Behörde verwehrt, aus Eigenem den Antrag ohne Weiteres umzudeuten und diesen auf die Ausstellung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gerichteten Antrag als Begehren auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 42 Abs. 1 NAG zu werten. Damit erweisen sich aber auch die Ausführungen der belangten Behörde zu den vom Beschwerdeführer nach § 42 Abs. 1 Z 3 NAG (als besondere Erteilungsvoraussetzung) aufzubringenden Einkünften (diese Bestimmung legt fest, dass die festen und regelmäßigen monatlichen Einkünfte des Drittstaatsangehörigen der Höhe nach dem Zweifachen der Richtsätze des § 293 ASVG entsprechen müssen) schon vom Ansatz her als gänzlich verfehlt, weil im gegenständlichen Fall das Vorliegen der Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 NAG nicht zu prüfen war.

§ 47 Abs. 3 NAG lautet:

"(3) Angehörigen von Zusammenführenden im Sinne des Abs. 1 kann auf Antrag eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - Angehöriger' erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

1. Verwandte des Zusammenführenden oder seines Ehegatten in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen tatsächlich Unterhalt geleistet wird;

2. Lebenspartner sind, die das Bestehen einer dauerhaften Beziehung im Herkunftsstaat nachweisen und ihnen tatsächlich Unterhalt geleistet wird; oder

3. sonstige Angehörige des Zusammenführenden sind,

a) die vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen haben;

b) die mit dem Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben und Unterhalt bezogen haben oder

c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege durch den Zusammenführenden zwingend erforderlich machen.

Unbeschadet eigener Unterhaltsmittel hat der Zusammenführende jedenfalls auch eine Haftungserklärung abzugeben."

In diesem Zusammenhang ist der im Verwaltungsakt erliegenden Erklärung des Vaters des Beschwerdeführers vom 31. Mai 2006 zu entnehmen, dass dieser den Beschwerdeführer, dessen Frau und dessen Kinder mit monatlich EUR 300,-- im Kosovo unterstützt habe. Der angefochtene Bescheid führt dazu aus, dass dessen ungeachtet nicht ersichtlich sei, dass der Beschwerdeführer vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen hätte, weil die gerade wiedergegebene Erklärung seines Vaters nicht "mit dementsprechenden Beweisen (z.B. Kontobewegungen)" unterlegt worden sei.

Die damit von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung stellt sich allerdings als nicht nachvollziehbar dar: Entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, dass ausschließlich Kontoauszüge die Nachweise einer tatsächlichen Unterhaltsleistung an den Beschwerdeführer erbringen könnten. Was aber sonst die belangte Behörde mit "den entsprechenden Beweisen" meint, bleibt mangels weiterer darauf Bezug nehmenden Ausführungen im Unklaren. Bei Zweifel an der Richtigkeit der vorgelegten Erklärung des in Österreich lebenden Vaters des Beschwerdeführers wäre es der belangten Behörde etwa auch freigestanden, diesen als Zeugen zu befragen oder befragen zu lassen (§ 66 Abs. 1 AVG; vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 2010, 2007/21/0557, sowie das bereits angeführte hg. Erkenntnis vom 15. April 2010).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die begehrte Umsatzsteuer vom Pauschalbetrag gemäß § 1 Z. 1 lit. a dieser Verordnung bereits umfasst ist.

Wien, am 15. Juni 2010

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