VwGH 2008/21/0662

VwGH2008/21/066229.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Gerfried Höfferer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Franzensbrückenstraße 20/1/6b, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 13. November 2008, Zl. BMI- 1015181/0002-II/3/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid erließ die im Devolutionsweg zuständig gewordene belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheirateten Staatsangehörigen Serbiens, gestützt auf § 60 Abs. 2 Z. 9 iVm § 63 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte sie aus, gegen den Beschwerdeführer sei bereits am 31. Juli 1997 wegen Mittellosigkeit ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden, am 3. August 1997 sei er in sein Heimatland abgeschoben worden. Danach sei er illegal neuerlich in das Bundesgebiet eingereist und habe am 1. August 2005 die Österreicherin N. geheiratet. Unter Berufung auf diese Ehe habe er am 26. Oktober 2005 die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt. Da ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK mit N. nie beabsichtigt gewesen oder geführt worden sei, sei gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z. 9 FPG die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig. Auf Grund der Eheschließung seien gemäß § 87 FPG die (inhaltlich wiedergegebenen) Bestimmungen des § 86 Abs. 1 FPG auf den Beschwerdeführer anzuwenden.

Die Tatsache des rechtsmissbräuchliche Eingehens einer Ehe zur Verschaffung fremdenrechtlicher Vorteile sei aus den widersprüchlichen Angaben abzuleiten, die der Beschwerdeführer und seine Gattin zu wesentlichen Details ihres Kennenlernens und der gemeinsamen Wohnadresse, die jedem Menschen, der mit einem Anderen dauerhaft zusammen wohne, jedenfalls bekannt sein müssten, getätigt hätten. (Der Beschwerdeführer hatte am 16. März 2007 vor der Erstbehörde ausgesagt, er habe N. im Jahr 2003 über ihren Schwiegersohn, wohnhaft in Wien 16., kennen gelernt. Die Eheschließung sei am 1. August 2005 erfolgt, sie hätten in Wien 16. in seiner Wohnung für einen Monat zusammen gewohnt. Anschließend seien sie nach 1120 Wien, V. Gasse, verzogen, wo seine Gattin und er derzeit zusammen wohnten. N. hatte - als Zeugin befragt - am gleichen Tag ausgeführt, den Beschwerdeführer "vier oder fünf Monate vor der Heirat", im April oder Mai 2004, durch ihren Schwiegersohn kennen gelernt zu haben. Sie sei mit ihm zwei Tage nach der Hochzeit zusammen gezogen, das sei die "Wohnung V. .... oder so, im 12. Bezirk" gewesen. In seiner Berufung vom 19. Juni 2007 hatte der Beschwerdeführer darauf verwiesen, sich bei seiner Aussage zum Kennenlernen in der Jahreszahl geirrt zu haben.)

Die Erstbehörde - so die belangte Behörde weiter - habe dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs mit Schreiben vom 30. März 2007 das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit einer ergänzenden Stellungnahme eingeräumt, wovon er keinen Gebrauch gemacht habe. Zu seinem (nach Wechsel des rechtsfreundlichen Vertreters) in einer Stellungnahme vom 9. Juli 2007 - im Berufungsverfahren - gestellten Beweisantrag (auf Einvernahme vier namentlich bezeichneter Zeugen zum Nachweis, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft bestanden habe und nach wie vor bestehe, sowie auf neuerliche Einvernahme der Zeugin N. und des Beschwerdeführers als Partei) sei festzuhalten, dass es dem Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens frei gestanden wäre, einen derartigen Antrag zu stellen bzw. die jeweiligen Zeugen namhaft zu machen. "Wären deren Aussagen tatsächlich von

verfahrensrelevantem Inhalt, (hätte er) diese Personen ... nicht

erst zum jetzigen, sondern bereits zu einem früheren Zeitpunkt genannt." Darüber hinaus sei hervorzuheben, dass er "keinerlei konkrete Angaben hinsichtlich des Inhaltes der Zeugenaussagen" gemacht habe.

Die rechtsmissbräuchliche Eingehung einer Ehe zur Verschaffung fremdenrechtlicher Vorteile stelle eine tatsächliche und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet berühre ein Grundinteresse der Gesellschaft, "nämlich das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Wahrung eines geordneten Fremdenwesens." Die Dauer des Aufenthaltsverbotes entspreche jenem Zeitraum, innerhalb dessen ein allfälliger positiver Gesinnungswandel des Beschwerdeführers in Bezug auf seine Einstellung zu den österreichischen Rechtsvorschriften erwartet werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der Beschwerdeführer ist als Ehemann Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z. 12 FPG) einer Österreicherin. Für diese Personengruppe gelten gemäß § 87 zweiter Satz FPG auch dann, wenn der österreichische Angehörige sein (gemeinschaftsrechtlich begründetes) Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 FPG. Gemäß § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde im Sinn des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG eine so genannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf diese Ehe berufen hat (vgl. etwa das eine Entscheidung der belangten Behörde betreffende hg. Erkenntnis vom 17. März 2009, Zl. 2008/21/0648, mwN).

Da die belangte Behörde diese - im Übrigen schon von der Erstbehörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegte - Rechtslage in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargelegt hat, ist es nicht nachvollziehbar, dass sie das Aufenthaltsverbot im Spruch des angefochtenen Bescheides nur auf § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG und nicht auch auf § 86 Abs. 1 FPG stützte. Dadurch ist der Beschwerdeführer aber für sich genommen nicht in Rechten verletzt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 2009, Zl. 2007/21/0002).

Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen einer Schein- oder Aufenthaltsehe. Die - von Verständigungsproblemen betroffene -

Befragung seiner damals gesundheitlich beeinträchtigten Ehefrau N. (am 16. März 2007) sei während vorübergehender Streitigkeiten und einer getrennten Wohnsitznahme erfolgt. Selbst N. habe jedoch das Vorliegen einer Scheinehe bestritten und ein eheliches Zusammenleben nie in Abrede gestellt. Auf die Erklärung des Beschwerdeführers, sich bei den Ausführungen zum Kennenlernen seiner späteren Ehefrau nur in der Jahreszahl geirrt zu haben, sei nicht eingegangen worden. Zudem begründe es eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, dass die Einvernahme der vier im Berufungsverfahren beantragten Zeugen, seine ergänzende Befragung sowie die seiner Ehegattin N. unterblieben sei.

Dem ist zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm insoweit zukommenden (eingeschränkten) Prüfungsbefugnis keine Bedenken an der Bejahung des Vorliegens einer Scheinehe durch die belangte Behörde hegt. Dies folgt vor allem aus den dargestellten unterschiedlichen Aussagen über das erste Kennenlernen und die (angebliche) erste gemeinsame Wohnung nach der Eheschließung. Beides betrifft grundlegende Aspekte der Beziehung des Beschwerdeführers zu N., sodass Irrtümer (etwa über die unmittelbar nach der Eheschließung bezogene Wohnung) nicht nachvollziehbar sind. Solche sind auch mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Zeugin N. sowie mit "Verständigungsproblemen", die jeweils im Übrigen auch in der Beschwerde nicht inhaltlich konkretisiert wurden, nicht schlüssig erklärbar.

Mit den Ausführungen der Beschwerde zum Unterbleiben einer Befragung vier weiterer Zeugen sowie der ergänzenden Einvernahme des Beschwerdeführers und der Zeugin N. wird nicht ausreichend dargetan, welchen konkreten Angaben zum Bestehen eines gemeinsamen Familienlebens, die zur Widerlegung der bereits vorliegenden Beweisergebnisse geeignet gewesen wären, dabei getätigt worden wären. Die nur ganz allgemein gehaltenen Formulierungen in der Beschwerde genügen nicht, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen, zumal sich auch die Darstellung der Beweisthemen im Verwaltungsverfahren darauf beschränkte, dass der Beschwerdeführer seine Gattin aus Liebe geheiratet habe sowie dass eine eheliche Lebensgemeinschaft bestanden habe und nach wie vor bestehe. Im Übrigen wurde weder im Verwaltungsverfahren noch in der vorliegenden Beschwerde konkret dargelegt, welche Aussagen die Zeugen bei einer behördlichen Befragung gemacht hätten, sowie bei welchen Gelegenheiten sie zu persönlichen Wahrnehmungen überhaupt in der Lage gewesen wären (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2009, Zl. 2008/21/0390).

Auf Basis der Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Schließung einer Aufenthaltsehe (am 1. August 2005) und zur Stellung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Berufung auf diese Ehe durfte die belangte Behörde auch davon ausgehen, dass eine Prognose iSd § 86 Abs. 1 FPG (tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt) gerechtfertigt sei (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 7. Februar 2008, Zl. 2006/21/0232, und vom 17. März 2009, Zl. 2008/21/0171 mwN).

Die vom Beschwerdeführer begangene grobe Verletzung des als hoch zu bewertenden öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kann - trotz des seit der Eheschließung verstrichenen Zeitraums - noch nicht als maßgeblich gemindert angesehen werden. Ebenso können der inländische Aufenthalt des Beschwerdeführers und seine sozialen Bindungen nicht entscheidend ins Gewicht fallen, beruhen diese Umstände doch gerade auf der (missbilligten) Berufung auf die Scheinehe.

Vor dem Hintergrund der gebotenen Relativierung der vom Beschwerdeführer in Österreich erlangten Integration bestehen keine Bedenken gegen das Ergebnis der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 und 2 FPG. Auch unter dem Gesichtspunkt der Ermessensübung ist keine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erkennen, fehlen doch besondere Umstände, die ein Absehen von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verlangt hätten.

Schließlich entspricht auch die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes dem § 63 Abs. 1 FPG. Insoweit sind fallbezogen keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich, welche eine Befristung auf kürzere Dauer als geboten erscheinen ließen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2009, Zl. 2007/21/0107).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 29. September 2009

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