VwGH 2008/21/0478

VwGH2008/21/047824.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der Y, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Juni 2008, Zl. 151.773/4-III/4/08, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §292 Abs3;
ASVG §293;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §47 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ASVG §292 Abs3;
ASVG §293;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §47 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG ab.

Begründend führte sie belangte Behörde - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, die 1945 geborene Beschwerdeführerin strebe (ebenso wie ihre Schwiegertochter und die Enkelin, denen im Berufungsverfahren Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" erteilt worden seien) die Familienzusammenführung mit ihrem Sohn, einem österreichischen Staatsbürger, an. Dieser habe zwar am 18. September 2007 eine Haftungserklärung iSd § 2 Abs. 1 Z. 15 NAG abgegeben, die sich jedoch als nicht tragfähig erweise. Er könne sich nämlich nur mit jenem Betrag, der über sein pfändungsfreies Existenzminimum hinausgehe, gegenüber der Beschwerdeführerin verpflichten. Das erwähnte pfändungsfreie Existenzminimum mache angesichts der Sorgepflichten für die Ehefrau und Tochter EUR 1.902,50 aus. Weiters habe er einen monatlichen Mietzins von EUR 443,59 zu zahlen. Davon sei der "Wert der freien Station" in der Höhe von aktuell EUR 239,15 abzuziehen, sodass EUR 204,44 für monatliche Mietbelastungen zur Verfügung stehen müssten. Der Zusammenführende beziehe (unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen) ein monatliches Durchschnittseinkommen von insgesamt EUR 2.763,--. Es verblieben daher lediglich EUR 656,06 (und nicht wie erforderlich EUR 747,--) monatlich, die er der Beschwerdeführerin an Unterhaltszahlungen leisten könnte. Insoweit mangle es an einer besonderen Erteilungsvoraussetzung, sodass die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels nicht in Betracht komme.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Die belangte Behörde hat verkannt, dass sie hinsichtlich der Deckung des Bedarfs für den Sohn der Beschwerdeführerin und für seine (im Zeitpunkt des beabsichtigten Nachzugs der Beschwerdeführerin erwartungsgemäß) mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebende Ehefrau sowie für die - nach der Aktenlage am 8. September 2001 geborene - Tochter auf den Ausgleichszulagenrichtsatz abzustellen gehabt hätte (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2010, Zl. 2008/21/0012). Demnach wäre in Bezug auf den Bedarf des Sohnes der Beschwerdeführerin und seiner Ehefrau vom Richtsatz nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa ASVG auszugehen gewesen. Dieser hatte nach der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 101/2007 bei Erlassung des bekämpften Bescheides EUR 1.120,-- betragen. Unter Berücksichtigung der Unterhaltspflicht für ein minderjähriges Kind erhöht sich dieser Betrag nach § 293 Abs. 1 letzter Satz ASVG um EUR 78,29 auf EUR 1.198,29. Zur Deckung des Lebensbedarfs der Beschwerdeführerin selbst hätte - insoweit ist die belangte Behörde im Recht - ein dem Richtsatz nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG entsprechender Betrag von (damals) EUR 747,-- zur Verfügung stehen müssen. Auf Basis der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Rechtslage hätte damit zur Aufbringung der notwendigen Mittel ein monatliches Einkommen des Sohnes der Beschwerdeführerin von EUR 1.945,29 ausgereicht. Nach den dem bekämpften Bescheid zu Grunde liegenden Tatsachenannahmen bezog er ein diesen Betrag übersteigendes monatliches Durchschnittseinkommen von EUR 2.763,--. Auf den in der Beschwerde gerügten Umstand, dass diese Feststellung - ohne jede Begründung - von der erstinstanzlichen Tatsachenannahme des Bezuges regelmäßiger Monatseinkünfte von durchschnittlich EUR 3.223,45 abgegangen war, brauchte somit nicht näher eingegangen zu werden.

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 3. April 2009, Zl. 2008/22/0711, zur hier anzuwendenden Rechtslage vor der am 1. Jänner 2010 in Kraft getretenen Novelle BGBl. I Nr. 122/2009 klargestellt, dass keine gesetzliche Grundlage bestehe, das zu berücksichtigende Einkommen des Unterhaltspflichtigen durch Wohnkosten zu schmälern oder den "Wert der freien Station" hinzuzurechnen (vgl. Punkt 5.4. der Entscheidungsgründe). Soweit die belangte Behörde daher davon ausgegangen ist, dem Sohn der Beschwerdeführerin müsste für "Mietbelastungen" ein zusätzlicher Betrag zur Verfügung stehen, der sich aus der Differenz der tatsächlichen Wohnungskosten und dem sogenannten "Wert der freien Station" (§ 292 Abs. 3 ASVG) errechne, steht dies somit nicht im Einklang mit dieser Rechtslage.

Schließlich ist der belangten Behörde vorzuwerfen, dass sie keine Beurteilung nach § 11 Abs. 3 NAG vorgenommen hat. Dazu wäre sie nämlich im Hinblick darauf verpflichtet gewesen, dass sie die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin ungeachtet der Bezugnahme allein auf das in § 47 Abs. 3 NAG normierte Erfordernis des Vorliegens einer Haftungserklärung der Sache nach auf § 11 Abs. 2 Z. 4 iVm Abs. 5 NAG - danach bestimmt sich nämlich die Tragfähigkeit der Haftungserklärung - gestützt hat.

Aus den dargestellten Gründen ist der bekämpfte Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 24. Juni 2010

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