VwGH 2008/21/0462

VwGH2008/21/046222.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des F, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 26. Juni 2008, Zl. St 79/08, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der aus Pakistan stammende Beschwerdeführer reiste am 3. Juli 2000 nach Österreich ein und stellte einen Asylantrag, der im Instanzenzug abgewiesen wurde. Unter einem wurde festgestellt, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan zulässig sei. Die Behandlung der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung gerichteten Beschwerde wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juli 2005 abgelehnt.

Hierauf stellte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter am 8. September 2005 den Antrag, ihm eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck (§ 13 Abs. 2 Fremdengesetz 1997 - FrG) zu erteilen, wobei sich aus einem Zusatzantrag ergibt, dass der Beschwerdeführer die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen gemäß § 19 Abs. 2 Z 6 iVm Abs. 3 FrG anstrebte (siehe dazu das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2008/21/0227).

Ein im ersten Rechtsgang im Instanzenzug erlassener Ausweisungsbescheid vom 22. September 2006 wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0403, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Nachdem die Berufungsbehörde mit Bescheid vom 14. November 2007 die erstinstanzliche Ausweisung gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben hatte, wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 11. März 2008 neuerlich gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 26. Juni 2008 keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

In der Begründung gab die belangte Behörde zunächst die Sachverhaltsfeststellungen der Erstbehörde wieder. Nach Darstellung des wesentlichen Inhalts der Berufung sowie nach Zitierung der maßgeblichen Rechtsvorschriften führte die belangte Behörde dann aus, der Beschwerdeführer halte sich seit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens, also seit Juli 2005, ca. drei Jahre illegal im Bundesgebiet auf. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße, die Ausweisung sei demnach gemäß § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme nämlich aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu.

Die öffentliche Ordnung werde - so führte die belangte Behörde im Rahmen der Interessenabwägung weiter aus - schwerwiegend beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die inländischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Das gelte auch dann, wenn Fremde nach Auslaufen einer Aufenthaltsberechtigung bzw. nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verlassen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund sei auch das Ermessen nicht zugunsten des Beschwerdeführers zu üben, insbesondere weil das dem Beschwerdeführer vorwerfbare (Fehl-)Verhalten (ca. dreijähriger illegaler Aufenthalt) im Verhältnis zu der von ihm geltend gemachten Integration (Aufenthalt in Österreich in der Dauer von ca. acht Jahren und Erwerbstätigkeit) überwiege.

Zweifelsohne sei dem Beschwerdeführer eine der langen Dauer seines Aufenthaltes entsprechende Integration zuzugestehen; dies insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass er bereits einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei und über einen Befreiungsschein verfüge. Dieser Umstand sei jedoch insofern zu relativieren, als sich der Beschwerdeführer während des Großteils des Zeitraumes im Asylverfahren befunden habe und daher nicht damit habe rechnen dürfen, nach Abschluss des Asylverfahrens weiterhin in Österreich verbleiben zu können. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers sei daher von vornherein nur auf begrenzte Dauer ausgerichtet gewesen.

Dass der Beschwerdeführer an TBC erkrankt sei, vermöge - so die belangte Behörde abschließend - auch nicht zu bewirken, dass er in Österreich verbleiben könne. Der Umstand, dass das Gesundheitswesen im Heimatstaat schlecht sei, bedeute noch nicht, dass eine Behandlung in keinem Fall möglich wäre. Im Übrigen stelle die Ausweisung keinen Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers dar, weil sich seine Ehefrau und seine Kinder in Pakistan aufhielten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen hat:

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. In der Beschwerde wird ausdrücklich zugestanden, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers seit dem Ablehnungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juli 2005 endgültig erledigt ist und dass sich der Beschwerdeführer seit damals nicht mehr rechtmäßig in Österreich aufhält.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

In dieser Hinsicht wird in der Beschwerde neuerlich auf den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit Anfang Juli 2000 verwiesen und weiters geltend gemacht, er sei während dieser Zeit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen nachgegangen und verfüge über einen Befreiungsschein. Strafgerichtliche Verurteilungen lägen nicht vor. Der Beschwerdeführer habe entsprechende Deutschkenntnisse erworben und einen Freundeskreis aufgebaut. Dazu komme, dass er an TBC erkrankt und im Jahr 2000 an den Lymphknoten operiert worden sei. Er befände sich seither in ständiger medizinischer Behandlung. In Pakistan könne er keine adäquate Behandlung bekommen und sich eine solche vor allem auch nicht leisten, weil er im Fall einer Rückkehr "vor dem Nichts stehen" würde. Vor diesem Hintergrund habe bereits der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 30. Jänner 2007 die Ausweisung aufgehoben und es sei daher umso weniger nachvollziehbar, dass neuerlich eine Ausweisung erlassen worden sei, obwohl sich die Integration infolge der längeren Aufenthaltsdauer neuerlich verstärkt habe.

Dem ist zu entgegnen, dass sich dem erwähnten Erkenntnis nicht entnehmen lässt, der Verwaltungsgerichtshof habe die Ausweisung des Beschwerdeführers bereits damals als nicht dringend geboten im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG angesehen. Vielmehr wurde der Berufungsbescheid nur deshalb aufgehoben, weil die belangte Behörde (vor allem) keine nachvollziehbare Abwägung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen mit dem gegenläufigen Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich vorgenommen hatte. Dieser Vorwurf kann der belangten Behörde, welche die entsprechenden Begründungsteile ergänzte, nun nicht mehr gemacht werden.

Die belangte Behörde hat aber auch die genannten, in der Beschwerde ins Treffen geführten Umstände in ihre Interessenabwägung und in die Ermessensentscheidung in ausreichendem Ausmaß einbezogen. Dem Vorbringen zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich während seines (seit der illegalen Einreise bis zum Bescheiderlassungszeitpunkt) etwa acht Jahre dauernden Aufenthaltes hielt die belangte Behörde aber zutreffend entgegen, dass dieser auf einen unbegründeten Asylantrag zurückzuführen war und seit Beendigung des Asylverfahrens bis zum Bescheiderlassungszeitpunkt bereits drei Jahre lang unrechtmäßig ist. Die belangte Behörde ist daher insoweit im Recht, als sie in dem Verhalten des Beschwerdeführers (vor allem im unrechtmäßigen Verbleib in Österreich trotz negativen Abschlusses des Asylverfahrens) eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen gesehen hat. Es trifft aber auch zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (siehe zum Ganzen etwa zuletzt Punkt 2.2.2.2. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293, mwN).

Ebenso entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen. Auch der EGMR stellt in seiner Judikatur darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes sei derart, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist. Sei das der Fall, bewirke eine Ausweisung des ausländischen Familienangehörigen nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art. 8 EMRK (vgl. dazu ausführlich Punkt 2.4.2. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zl. 2009/21/0348).

Im vorliegenden Fall wird durch die Ausweisung nicht in ein Familienleben, sondern nur in das Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen und es liegen insoweit trotz der schon sehr langen Aufenthaltsdauer und der mittlerweile erlangten - vor allem beruflichen - Integration (noch) keine derart außergewöhnlichen Umstände vor, dass dem Beschwerdeführer ein direkt aus Art. 8 EMRK ableitbares Aufenthaltsrecht zugestanden werden müsste. Vor diesem Hintergrund ist es fallbezogen im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers als im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten angesehen hat.

An dieser Beurteilung kann auch die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Erkrankung im Ergebnis nichts ändern. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann zwar der fehlenden notwendigen medizinischen Versorgung im Heimatstaat bei der Interessenabwägung nach § 66 FPG Bedeutung zukommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 28. Juni 2007, Zlen. 2007/21/0163 bis 0167, mwN). Eine dazu im Widerspruch stehende Auffassung hat die belangte Behörde aber in ihrem Bescheid ohnehin nicht vertreten. Soweit der Beschwerdeführer die diesbezügliche Feststellung zu bestehenden Behandlungsmöglichkeiten in Pakistan bekämpft, vermag sie nicht erfolgreich zu sein. Von einem schlechten Gesundheitswesen in Pakistan ist die belangte Behörde nämlich ohnehin ausgegangen, sodass die Berufung auf diverse Länderberichte zum Beweis für diese Tatsache ins Leere geht. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, fällt jedoch nicht entscheidend ins Gewicht, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat gibt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. April 2009, Zlen. 2008/21/0288 bis 0290, mwN). Mit dem Hinweis des Beschwerdeführers auf das Fehlen einer "adäquaten" Behandlung ist daher für sich genommen nichts zu gewinnen. Soweit der Beschwerdeführer aber die mangelnde Finanzierbarkeit der benötigten Medikamente mangels "Einkunftsmöglichkeit" behauptet, bleibt das Vorbringen - auch in der Beschwerde - zu allgemein (vgl. zur diesbezüglichen Konkretisierungspflicht etwa das Erkenntnis vom 26. September 2007, Zlen. 2006/21/0288 bis 291). In diesem Zusammenhang ist im Übrigen auch auf die im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen und unbestritten gebliebenen Angaben des Beschwerdeführers vom 13. Februar 2008 Bedacht zu nehmen, wonach er zwar im Jahr 2000 an TBC gelitten habe, zur Zeit jedoch "alles in Ordnung" sei und ihn die "damalige Krankheit" derzeit nicht bei seiner Arbeit beeinträchtige. Angesichts dessen wird mit dem dargestellten Vorbringen - auch wenn die Krankheit "seines Wissens nach" jederzeit wieder ausbrechen könne und er täglich Tabletten nehme - keine aktuell gegebene Situation beschrieben, die eine Ausweisung unzulässig erscheinen ließe.

Es werden vom Beschwerdeführer schließlich auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt wäre.

Soweit die Beschwerde im Übrigen ganz generell auf das Vorbringen im Verwaltungsverfahren und in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof im ersten Rechtsgang verweist, ist dies schon deshalb unbeachtlich, weil damit keine gesetzmäßige Darlegung der Beschwerdegründe vorgenommen wird (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. April 2009, Zl. 2009/21/0086, mwN).

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 22. Dezember 2009

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