Normen
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2 impl;
FrPolG 2005 §11 Abs1;
FrPolG 2005 §21 Abs1 Z4;
FrPolG 2005 §21 Abs7 Z5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2 impl;
FrPolG 2005 §11 Abs1;
FrPolG 2005 §21 Abs1 Z4;
FrPolG 2005 §21 Abs7 Z5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsangehöriger, stellte am 25. März 2008 bei der Österreichischen Botschaft in Kairo unter Vorlage seines am 9. März 2008 ausgestellten Reisepasses den formularmäßigen Antrag auf Erteilung eines "Schengen-Visums" für eine Geschäftsreise im Zeitraum 27. April 2008 bis 9. Mai 2008. Der Aufenthalt in Österreich hätte den Zweck haben sollen, dass der Beschwerdeführer persönlich Verhandlungen für das ägyptische Unternehmen "AF", bei dem er beschäftigt ist, mit dem in Wien ansässigen Unternehmen "S-F" führt. Diesbezüglich legte der Beschwerdeführer Bestätigungen der genannten Unternehmen vor, wobei von der "S-Fr" ausdrücklich die Übernahme aller Kosten für den Aufenthalt des Beschwerdeführers erklärt wurde. Weiters waren dem Antrag noch eine Reservierungsbestätigung für ein Hotel in Wien für den genannten Zeitraum, wobei sich daraus ein Zimmerpreis pro Nacht von EUR 275,-
- ergab, und eine Versicherungsbestätigung angeschlossen.
Noch am selben Tag wurde dem Beschwerdeführer unter Setzung einer Frist von 14 Tagen ein Verbesserungsauftrag erteilt, in dem ihm aufgetragen wurde, den Nachweis ausreichender eigener finanzieller oder sonstiger Mittel zu erbringen sowie den alten Reisepass und einen Firmenbuchauszug des einladenden Unternehmens zu übermitteln.
Hierauf legte der Beschwerdeführer die geforderten Unterlagen vor, wobei sich aus dem beglaubigten Firmenbuchauszug ergibt, dass die firmenmäßig gefertigte Erklärung hinsichtlich der Kostenübernahme vom Geschäftsführer der "S-Fr" stammt. Dem vorgelegten Reisepass war aufgrund entsprechender Stempel zu entnehmen, dass Anträge des Beschwerdeführers auf Erteilung von Touristenvisa von den zypriotischen Behörden am 22. Juli 2007 und von den griechischen Behörden am 28. November 2007 abgelehnt worden waren.
Mit einem als "Stellungnahme" überschriebenen Vorhalt der Österreichischen Botschaft Kairo vom 3. April 2008 wurde dem Beschwerdeführer sodann mitgeteilt, dass seitens der Behörde zwar keine weiteren Dokumente mehr benötigt werden, dem Antrag jedoch nicht stattgegeben werden könne. Die hiefür maßgeblichen Gründe wurden dem Beschwerdeführer nur durch Ankreuzen der entsprechenden Rubriken des Formblatts zur Kenntnis gebracht. Diese beiden Punkte lauten:
"Ein Schengener Vertragsstaat hat einen Zurückweisungsgrund mitgeteilt (§ 21 Abs. 7 Zi. 2 FPG 2005)"
"Sie haben im Verfahren zur Erteilung des Visums falsche Angaben gemacht. (§ 21 Abs. 7 Zi. 5 FPG 2005)"
In der vom Beschwerdeführer dazu erstatteten Stellungnahme vom 5. April 2008 wies er darauf hin, nie nach Europa gereist zu sein, aber am 28. November 2007 die Ausstellung eines Touristenvisums für Griechenland beantragt zu haben, das ihm aber nicht erteilt worden sei. Danach habe er keine weiteren Anträge gestellt. Der Beschwerdeführer ersuchte daher, "die Name des Vertragsstaat mir zu nennen, um den genauen Grund zu wissen."
Außerdem sei ihm nicht mitgeteilt worden, "was diese falschen Angaben sind". Abschließend erklärte sich der Beschwerdeführer bereit, "wegen weiterer Erläuterungen" wieder in die Botschaft zu kommen.
Ungeachtet dessen wies die Österreichische Botschaft Kairo (die belangte Behörde) den Visumsantrag des Beschwerdeführers mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 6. April 2008 unter Verwendung eines formularmäßigen Vordrucks ab. Dabei wurde durch Ankreuzen der dafür vorgesehenen Felder zum Ausdruck gebracht, dass die belangte Behörde die Versagungsgründe des § 21 Abs. 7 Z 2 und 5 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG für gegeben erachtete.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die (allgemeinen) Voraussetzungen für die Erteilung von Visa finden sich in § 21 FPG. Diese Bestimmung lautet samt Überschrift - soweit hier wesentlich - wie folgt:
"Erteilung von Visa
§ 21. (1) Visa dürfen einem Fremden auf Antrag erteilt werden, wenn
…
4. kein Versagungsgrund (Abs. 7) wirksam wird.
(7) Die Erteilung eines Visums ist zu versagen (Abs. 1 Z 4),
- 1. …
- 2. wenn ein Vertragsstaat einen Zurückweisungsgrund mitgeteilt hat;
- 3. …
- 4. … oder
- 5. wenn der Fremde im Verfahren zur Erteilung eines Visums über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente zu täuschen versucht hat."
Zum erstgenannten Versagungsgrund lässt sich einem in den Akten befindlichen Vermerk zur Begründung der Antragsabweisung entnehmen, der Beschwerdeführer habe die "Ablehnungsstempel" von Griechenland und Zypern verheimlichen wollen, indem er den alten Reisepass erst nach mehrmaliger Aufforderung "mit heftigen Protesten" vorgelegt habe. Laut Auskunft der griechischen Botschaft in Kairo sei damals vom Beschwerdeführer eine Arbeitsbestätigung vorgelegt worden, wonach er bei der "AF" seit 2001 mit einem Bezug von £E 1.700,-- beschäftigt sei. Nach Mitteilung der Sozialversicherung sei er dort tatsächlich aber erst seit 1. April 2006 beschäftigt; im vorliegenden Antrag angeblich seit drei Jahren. Von der zypriotischen Botschaft sei keine Antwort erfolgt. Dazu führt die Gegenschrift noch erläuternd aus, durch das Eintragen von Stempeln hätten die Vertretungsbehörden Zyperns und Griechenlands auch für andere Schengen-Vertretungen "sichtbar" gemacht, dass für sie, zumindest im Zeitpunkt der Anbringung der Stempel, "Zurückweisungsgründe" bestanden hätten. Die Rückfrage bei der griechischen Botschaft habe ergeben, dass das seinerzeitige Visum wegen mangelnder finanzieller Mittel "zurückgewiesen" worden sei. Selbst bei der günstigsten Annahme in Bezug auf die Höhe des Einkommens des Beschwerdeführers - dazu bestünden widersprüchliche Angaben - wäre der Tatbestand der ungenügenden Eigenmittel und damit auch der seinerzeit von der griechischen Botschaft angegebene "Zurückweisungsgrund" fortbestanden.
Diesen Ausführungen ist zunächst zu entgegnen, dass die belangte Behörde die Antragsabweisung nicht auf das Fehlen der Erteilungsvoraussetzung nach § 21 Abs. 5 Z 2 FPG (öffentliche Interessen stehen der Visumserteilung entgegen, weil "der Fremde nicht über ausreichende eigene Mittel für seinen Unterhalt und für die Wiederausreise verfügt") oder nach § 21 Abs. 5 Z 3 FPG (öffentliche Interessen stehen der Visumserteilung entgegen, weil "der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte") gestützt hat. Vielmehr hat sie weder die Wirksamkeit noch die Tragfähigkeit der Verpflichtungserklärung des Geschäftsführers des einladenden Unternehmens betreffend die Übernahme aller Aufenthaltskosten für den Beschwerdeführer in Frage gestellt. Auf die Höhe seiner Bezüge kam es daher im vorliegenden Fall überhaupt nicht an.
Im Übrigen verkennt die belangte Behörde das Wesen des herangezogenen Versagungsgrundes nach § 21 (Abs. 1 Z 4 iVm) Abs. 7 Z 2 FPG. Diese Bestimmung wird in den Gesetzesmaterialien (RV 952 BlgNR 22. GP 85) wie folgt erläutert:
"In Abs. 7 werden die Bestimmungen des SDÜ über die Versagung eines einheitlichen Visums im Schengener Raum umgesetzt. Das Schengener Regime legt fest, dass nur dann ein einheitliches, für alle Vertragsstaaten gültiges, Visum ausgestellt werden darf, wenn bestimmte Voraussetzungen - zusätzlich zu den jeweils geltenden nationalen Bestimmungen - gegeben sind. (Die) Voraussetzungen sind unter anderen(m) dann nicht erfüllt, wenn ein Fremder gemäß Art. 96 SDÜ zur Einreiseverweigerung in die Schengener Staaten ausgeschrieben ist. Diese Ausschreibung, die mit Z 2 des Abs. 7 in die nationale Rechtsordnung Eingang findet, hindert einen Vertragsstaat daran, ein kurzfristiges Schengener Visum, das zu Einreise und Aufenthalt in allen Schengener Staaten berechtigt, zu erteilen. Die Versagung hat sich hierbei ausschließlich auf die Tatsache der Ausschreibung, nicht aber auf den ihr zu Grunde liegenden Sachverhalt zu beziehen."
Die Heranziehung dieses Versagungsgrundes hätte somit die erwähnte Ausschreibung im Schengener Informationssystem, wofür nach der Aktenlage keine Anhaltspunkte bestehen, vorausgesetzt. Das hat die belangte Behörde nicht beachtet.
In Bezug auf den Versagungsgrund nach § 21 (Abs. 1 Z 4 iVm) Abs. 7 Z 5 FPG ist dem erwähnten Aktenvermerk zu entnehmen, die "Gehaltsbestätigung" über £E 2.200,-- sei "geschönt"; das tatsächliche Einkommen betrage laut Kontoauszug £E 1.364,--. Laut Sozialversicherung betrage das Einkommen £E 267,50. Überdies seien unterschiedliche Angaben zur Dauer des Arbeitsverhältnisses gemacht worden. Dadurch habe der Beschwerdeführer - so erläuterte die belangte Behörde in der Gegenschrift - "über wichtige Teile seiner Identität (Anstellungsverhältnis; wahre Vermögens- und Einkommensverhältnisse)" zu täuschen versucht. Durch das Unterlassen der Vorlage des alten, jedoch noch gültigen Reisepasses mit den "Ablehnungsstempeln" habe der Beschwerdeführer - so wurde in der Gegenschrift noch ergänzt - die belangte Behörde ebenfalls zu täuschen versucht, was durchaus als Täuschung über die Echtheit eines Dokumentes gewertet werden könne. Außerdem habe der Beschwerdeführer auch über das Reisemotiv zu täuschen versucht, weil der Antrag wegen einer Geschäftsreise gestellt worden sei, um nachfolgend eine Verpflichtungserklärung bezüglich einer Privateinladung beizubringen. Damit bezieht sich die belangte Behörde darauf, dass nachträglich eine weitere Verpflichtungserklärung eines in Graz wohnhaften Bekannten des Beschwerdeführers übermittelt wurde. Die "Summe dieser Widersprüche" habe "bedauerlicherweise" dazu geführt, dass der Antrag abzulehnen gewesen sei, weil der Beschwerdeführer im Verfahren zur Erteilung des Visums falsche Angaben gemacht habe.
Die Anwendung des in Rede stehenden Versagungsgrundes setzt den Täuschungsversuch über bestimmte, im Gesetz taxativ aufgezählte, für die Erteilung eines Visums wesentliche Umstände voraus. Nur der Versuch der Täuschung des Fremden über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente rechtfertigt per se die zwingende Versagung der Visumserteilung. Keiner dieser Fälle liegt aber hier vor. Der Beschwerdeführer hat bei der Antragstellung einen gültigen Reisepass vorgelegt, dessen Echtheit nicht bezweifelt wurde. Dass er den "alten" Reisepass erst über Aufforderung durch die belangte Behörde übermittelte, kann - entgegen der Meinung der belangten Behörde - nicht als Täuschung über die Echtheit einer Urkunde angesehen werden, zumal den aus der Sicht der belangten Behörde "verheimlichten" Ablehnungen früherer Visumsanträge - wie oben bereits erwähnt - für die Beurteilung des vorliegenden Antrags keine maßgebliche Bedeutung zukam. Gleiches gilt für die unterschiedliche Höhe des Einkommens des Beschwerdeführers; auch darauf wurde schon hingewiesen. Schließlich ist der belangten Behörde zu entgegnen, dass sich aus der Aktenlage eine Täuschung über das wahre Reisemotiv nicht entnehmen lässt. Soweit für die belangte Behörde diesbezüglich Ungereimtheiten bestanden hatten, wäre sie im Übrigen zunächst verpflichtet gewesen, deren Aufklärung zu versuchen.
Der belangten Behörde ist aber - wie auch die Beschwerde zu Recht ins Treffen führt - in Bezug auf beide von ihr herangezogenen Versagungsgründe noch der Vorwurf zu machen, dass sie die aus § 11 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG resultierende Verpflichtung zur Wahrung des Parteiengehörs verletzt hat. Die belangte Behörde hätte dem Beschwerdeführer nämlich vor Erlassung des bekämpften Bescheides nicht nur unsubstantiiert, unter bloßer Bezugnahme auf die jeweiligen Gesetzesstellen, sondern konkret vorhalten müssen, aus welchen Gründen sie im Einzelnen davon ausgehe, ein Schengener Vertragsstaat habe einen Zurückweisungsgrund mitgeteilt und der Beschwerdeführer habe im Verfahren zur Erteilung des Visums falsche Angaben gemacht, sodass ihm in seiner Stellungnahme eine darauf Bezug nehmende Erwiderung möglich gewesen wäre. Die Unterlassung eines solchen Vorhalts, dem vor dem Hintergrund der den österreichischen Vertretungsbehörden eingeräumten Begründungserleichterung besondere Bedeutung zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/21/0229, mwN), bewirkte somit auch einen Verfahrensfehler.
Der angefochtene Bescheid war aber schon wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, wobei noch anzumerken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof für die in der Beschwerde angeregte Anfechtung einzelner Bestimmungen des FPG betreffend das Visumsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof im vorliegenden Fall keinen Anlass gefunden hat.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 19. Mai 2011
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