VwGH 2008/21/0352

VwGH2008/21/035227.1.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des K, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 14. April 2008, Zl. 2Fr-336/07, betreffend 1. Ausweisung und

2. Zurückweisung eines Antrags nach § 51 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §8;
AVG §68 Abs1;
FrPolG 2005 §51 Abs1;
FrPolG 2005 §51 Abs5;
FrPolG 2005 §51;
VwGG §30 Abs2;
VwRallg;
AsylG 1997 §8;
AVG §68 Abs1;
FrPolG 2005 §51 Abs1;
FrPolG 2005 §51 Abs5;
FrPolG 2005 §51;
VwGG §30 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er über die Ausweisung des Beschwerdeführers abspricht, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen (Zurückweisung des Antrags nach § 51 FPG) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein 1976 geborener türkischer Staatsangehöriger, reiste gemäß seinen Angaben am 8. April 2002 nach Österreich ein und stellte hier einen Asylantrag. Dieser wurde letztlich zweitinstanzlich mit am 6. September 2007 mündlich verkündetem und am 7. September 2007 schriftlich ausgefertigtem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen. Zugleich stellte der unabhängige Bundesasylsenat im Instanzenzug gemäß § 8 AsylG iVm § 50 FPG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "nach der Türkei" zulässig sei.

In der Folge leitete die Bundespolizeidirektion Klagenfurt ein Ausweisungsverfahren ein. In seiner Stellungnahme vom 19. September 2007 sprach sich der Beschwerdeführer gegen die Erlassung der in Aussicht genommenen fremdenpolizeilichen Maßnahme aus und stellte überdies einen Antrag nach § 51 FPG auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung in die Türkei.

Mit Bescheid vom 27. September 2007 wies die Bundespolizeidirektion Klagenfurt den Beschwerdeführer ungeachtet seiner Stellungnahme gemäß § 53 Abs. 1 FPG aus. Außerdem wies sie den genannten Antrag nach § 51 FPG gemäß Abs. 1 zweiter Satz dieser Gesetzesstelle als unzulässig zurück.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14. April 2008 gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten (die belangte Behörde) der dagegen erhobenen Berufung keine Folge. Betreffend die Ausweisung begründete sie das damit, dass der Beschwerdeführer zwar bis 6. September 2007 im Besitz einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung "gem. dem Asylgesetz" gewesen sei, sich seit der Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates über seinen Asylantrag aber nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. § 66 FPG stehe seiner Ausweisung nicht entgegen. Was den Feststellungsantrag anlange, so sei von den Asylbehörden festgestellt worden, "dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von Y.K. in die Türkei zulässig ist". Aus diesem Grunde und weil der Beschwerdeführer kein substanzielles Vorbringen zu einer Änderung des Sachverhaltes gegenüber der Tatsachengrundlage des Asylverfahrens hinsichtlich des Ausspruches nach § 8 AsylG erstattet habe, sei der Bescheid der Bundespolizeidirektion Klagenfurt auch insofern zu bestätigen gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen:

Der Beschwerdeführer macht zunächst im Hinblick auf eine aufrechte Beschäftigung seit Juni 2003 und die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin von Mai 2003 bis Mai 2005 geltend, ihm komme eine Rechtsstellung nach Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des - durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten - Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB) zu. Dabei nimmt er selbst auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Bezug, wonach die angesprochene Rechtsstellung nicht erlangt werden kann, wenn sich der betreffende türkische Staatsangehörige - wie im Fall des Beschwerdeführers - bloß auf Grund eines vorläufigen asylrechtlichen Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet befindet. Er vermeint aber, in seiner Eigenschaft als Ehegatte einer Österreicherin darüber hinaus ein Niederlassungsrecht und somit eine gesicherte Aufenthaltsposition innegehabt zu haben, weshalb er die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 ARB erfülle.

Dem ist zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer ungeachtet seiner Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin, die noch 2005 geschieden worden war, auch im Bereich des hier maßgeblichen FrG 1997 für die Rechtmäßigkeit seiner Niederlassung einer (rechtsbegründenden) Niederlassungsbewilligung bedurft hätte, es sei denn, ein Aufenthaltsrecht hätte sich unmittelbar aus gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften ergeben. Dafür gibt es vorliegend jedoch keinen Hinweis. Die demnach erforderliche Niederlassungsbewilligung wurde dem Beschwerdeführer aber nicht erteilt. Damit kam ihm die angesprochene gesicherte Aufenthaltsposition nicht zu, weshalb er sich nicht mit Erfolg auf Art. 6 ARB berufen kann (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 22. September 2009, Zl. 2008/22/0064, auf dessen Begründung des Näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Von daher bestehen auch gegen die Zuständigkeit der belangten Sicherheitsdirektion keine Bedenken.

Mit Recht verweist der Beschwerdeführer allerdings darauf, dass ihm bei Bescheiderlassung nach wie vor das besagte vorläufige asylrechtliche Aufenthaltsrecht zukam. Mit Beschluss vom 2. Jänner 2008, Zl. AW 2007/01/1102, hat der Verwaltungsgerichtshof nämlich seiner gegen die Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates vom 6. bzw. 7. September 2007 erhobenen Beschwerde - nach Ablehnung ihrer Behandlung und Abtretung durch den Verfassungsgerichtshof - die aufschiebende Wirkung zuerkannt, sodass er wieder die Rechtsstellung als Asylwerber und damit das in dieser Position innegehabte Aufenthaltsrecht erlangte. Für die belangte Behörde wäre das durch Vornahme einer Abfrage im zentralen Fremdenregister des Bundesministeriums für Inneres ohne Weiteres erkennbar gewesen.

Im Hinblick auf das bei Bescheiderlassung bestehende Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers (der Verwaltungsgerichtshof hat die Behandlung seiner Beschwerde gegen den Asylbescheid erst mit Beschluss vom 24. März 2010, Zl. 2008/23/0231, abgelehnt) erweist sich seine Ausweisung nach § 53 Abs. 1 FPG als verfehlt, sodass der angefochtene Bescheid insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Der Zurückweisung seines Feststellungsantrages nach § 51 FPG (in der hier maßgeblichen Fassung vor dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009) steht die zur Zl. AW 2007/01/1102 der Beschwerde gegen den Asylbescheid zuerkannte aufschiebende Wirkung allerdings - anders als der Beschwerdeführer meint - nicht entgegen. Dabei ist zunächst darauf zu verweisen, dass von vornherein kein Fall nach § 51 Abs. 5 FPG (in der genannten Fassung) vorlag, weil der Beschwerdeführer nicht ansatzweise einen geänderten Sachverhalt (bezogen auf die Entscheidung der Asylbehörden nach § 8 AsylG) vorgebracht hat. Die erwähnte Bewilligung der aufschiebenden Wirkung der "Asylbeschwerde" vermochte aber daran, dass der Fremdenpolizeibehörde gemäß § 51 Abs. 1 zweiter Satz FPG eine Feststellung betreffend die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat verwehrt war, schon deshalb nichts zu ändern, weil die "Sperrwirkung" des § 51 Abs. 1 zweiter Satz FPG auch in Bezug auf noch nicht rechtskräftige Entscheidungen des Bundesasylamtes zum Tragen kommt (vgl. zur insoweit gleich gelagerten Rechtslage nach dem Fremdengesetz 1997 die hg. Erkenntnisse vom 26. Mai 2003, Zl. 2003/18/0013, und vom 2. Oktober 2008, Zl. 2005/18/0573). Es ist aber auch ohne Belang, dass die belangte Behörde bei Wiedergabe des § 8 - Ausspruches der Asylbehörden - offenkundig irrtümlich - einen falschen Namen (Y.K.) anführte. Dass eine den Beschwerdeführer betreffende "negative" Feststellung nach § 8 AsylG sowohl seitens des Bundesasylamtes als auch bestätigend durch den unabhängigen Bundesasylsenat getroffen wurde, ist nämlich unstrittig. Soweit sich die Beschwerde gegen die von der belangten Behörde bestätigte Zurückweisung des Antrags des Beschwerdeführers nach § 51 FPG richtet, war sie daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 27. Jänner 2011

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