VwGH 2008/21/0287

VwGH2008/21/02878.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des C, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 25. Februar 2008, Zl. 2 F 495/1-2007, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §31 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §31 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste seinen Angaben zufolge am 1. Oktober 2001 illegal in das Bundesgebiet ein und beantragte am Tag darauf die Gewährung von Asyl. Mit Bescheid vom 13. November 2001 wies das Bundesasylamt diesen Antrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 ab und stellte gleichzeitig gemäß § 8 leg. cit. fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei. Diese Entscheidung bestätigte der unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 19. Jänner 2007 gemäß § 66 Abs. 4 AVG. Die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 31. Mai 2007, Zl. 2007/20/0379, abgelehnt.

Der Beschwerdeführer ist mit der nigerianischen Asylwerberin U., die in einem Caritasheim untergebracht ist und deren Asylverfahren noch im Berufungsstadium anhängig ist, befreundet. Der gemeinsame Sohn A. wurde am 4. Februar 2005, die gemeinsame Tochter I. am 13. September 2006 geboren. Der Beschwerdeführer lebt mit den Genannten unstrittig nicht in einem gemeinsamen Haushalt zusammen.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 25. Februar 2008 wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte sie aus, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers lediglich während seines Asylverfahrens "nach den asylrechtlichen Bestimmung geregelt" gewesen sei. Nunmehr stehe rechtskräftig fest, dass ihm "keine Flüchtlingseigenschaft" zukomme. Er halte sich somit unberechtigterweise im Bundesgebiet auf, weil er "über keinerlei Bewilligung nach dem Asyl- oder Fremdengesetz verfüge". Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße, sodass die Ausweisung zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten sei.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so sei diese gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Auf Grund der Tatsache, dass sich die Freundin des Beschwerdeführers und die gemeinsamen Kinder im Bundesgebiet aufhielten, komme es zu einem relevanten Eingriff in sein Familienleben. Dieser sei jedoch in Anbetracht des mehrmonatigen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet "seit rechtskräftigem negativen Abschluss" des Asylverfahrens zur Wahrung des als hoch zu bewertenden öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen dringend geboten und auch zulässig. Überdies sei die Beziehung zu anderen Verwandten als Eltern und Kindern vom Schutzumfang des § 66 Abs. 1 FPG nur im Fall eines Zusammenlebens im gemeinsamen Haushalt umfasst. Ein solches Zusammenleben, das nicht einmal behauptet worden sei, liege jedoch nicht vor. Der Beschwerdeführer könne den Kontakt "zu (seiner) Familie" dadurch aufrecht erhalten, dass er von dieser im Ausland besucht werde.

Der Beschwerdeführer halte sich "seit geraumer Zeit" im Bundesgebiet auf und habe "lediglich seit (seiner) Einreise im Bundesgebiet als Prospektverteiler gearbeitet". Diese Beschäftigung habe er jedoch auf Grund von Problemen im Lendenwirbelbereich aufgeben müssen. Des Weiteren sei er "für eine Firma tätig, indem (er) nach Gebrauchtwagen Ausschau halte, die zum Verkauf stehen". Wenn es "seitens der Firma" zu einem Ankauf komme, bekäme er Provision von etwa EUR 50,--. Damit könne er sich "etwas dazuverdienen". Er beziehe Sozialhilfe "in der Höhe von EUR 262,--", sonst habe er keine weiteren Einkünfte. Seine Freundin, die keiner Beschäftigung nachgehe, und die Kinder würden ebenfalls finanziell unterstützt. Die "angeführte Tätigkeit" sei keineswegs geeignet, um den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers "alleine durch diese Art von Einkünften zu bestreiten", weil er "zusätzlich Sozialhilfe beziehen müsse und sonst keine weiteren Einkünfte habe". Auch handle es sich bei der "ausgeübten Beschäftigung als Prospektverteiler bzw. Verkaufvermittler für eine Autofirma" um eine nicht so qualifizierte Tätigkeit, dass sie nicht auch in einem anderen Land außerhalb Österreichs ausgeübt werden könnte.

Angesichts des "eminenten öffentlichen Interesses" an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, insbesondere an einer wirksamen Bekämpfung des unrechtmäßigen Aufenthaltes bzw. der illegalen Zuwanderung Fremder, sowie zur möglichen Hintanhaltung der damit verbundenen negativen Auswirkungen auf das Gemeinwohl, habe auch das der Behörde in § 53 Abs. 1 FPG eingeräumte Ermessen nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgeübt werden können. Sein Vorbringen, er habe sich in Österreich vorbildlich verhalten und nie gegen österreichische Gesetze verstoßen, könne im Lichte des § 66 Abs. 1 FPG nicht zu seinen Gunsten ausschlagen, weil diese Umstände weder eine Stärkung seiner persönlichen Interessen noch eine Schwächung des die Ausweisung gebietenden öffentlichen Interesses zur Folge haben. Nach § 53 Abs. 1 FPG komme es auf ein weiteres - zum unrechtmäßigen Aufenthalt hinzukommendes - die öffentliche Ordnung oder Sicherheit beeinträchtigendes Verhalten des Fremden nicht an. Die Abwägung der öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes mit den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich ergebe, dass letztere gegenüber ersteren eindeutig zurückzutreten hätten. Der Aufenthalt sei nämlich nur auf einen Asylantrag zurückzuführen, der sich letztlich als unbegründet erwiesen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. In der Beschwerde wird zugestanden, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig beendet ist. Auch ist der Beschwerde keine Behauptung zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - beim Beschwerdeführer vorläge. Es bestehen somit keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Unter diesem Gesichtspunkt macht die Beschwerde als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, dass die Kinder des Beschwerdeführers im Fall seiner Ausweisung "jedenfalls mit erheblichen psychischen Schäden unweigerlich konfrontiert wären". Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, von Amts wegen einen Sachverständigen aus dem Fach der Kinderpsychologie beizuziehen, der mit der Erstattung eines Gutachtens zu dieser Frage zu beauftragen gewesen wäre. Auch durch die - ausdrücklich beantragte - Einvernahme des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin "hätte sich darstellen können, dass dieser zu seiner Lebensgefährtin auch eine innige Beziehung pflegt, insbesondere auch seinen Kindern ein liebevoller Vater ist, der viel Zeit mit den Kindern verbringt".

Bei diesem Tatsachenvorbringen sowie der Darstellung einer konkreten Gefahr psychischer Schäden handelt es sich jedoch um unzulässige Neuerungen, sodass die belangte Behörde schon deshalb nicht zu den von der Beschwerde vermissten Beweisaufnahmen gehalten sein konnte. Das Bestehen der erwähnten familiären Beziehungen, wozu eine Einvernahme des Beschwerdeführers und seiner Freundin U. beantragt worden war, hat die belangte Behörde ihre Entscheidung hingegen ohnedies zu Grunde gelegt. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften ist somit zu verneinen.

Mit dem Hinweis auf diese Beziehungen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf: Unter Berücksichtigung des Fehlens einer Haushaltsgemeinschaft und vor allem des Umstandes, dass die familiären Bindungen erst zu einem Zeitpunkt begründet wurden, als den betroffenen Personen - infolge erstinstanzlicher Abweisung des vom Beschwerdeführer gestellten Asylantrages - bewusst sein musste, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher war, ist nicht ersichtlich, dass die belangte Behörde Art. 8 EMRK im vorliegenden Einzelfall nicht ausreichend Rechnung getragen hätte (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2009, Zl. 2008/18/0721, mwN aus der Judikatur des EGMR).

Gegebenenfalls könnte der Beschwerdeführer, sollte seiner Freundin U. und in weiterer Folge den gemeinsamen Kindern Asyl oder subsidiärer Schutz zuerkannt werden, nach den Bestimmungen der §§ 34 und 35 AsylG 2005 ein Aufenthaltsrecht erhalten.

Weiters behauptet der Beschwerdeführer, sein Aufenthalt im Bundesgebiet wäre "als finanziell abgesichert anzusehen". Insoweit tritt er jedoch den oben wiedergegebenen - dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten entsprechenden - Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde nicht konkret entgegen. Im Übrigen ist er darauf zu verweisen, dass er noch in dem der vorliegenden Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof angeschlossenen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ausführt, seinen monatlichen Wohnungskosten von EUR 447,25 stünde ein jährliches Reineinkommen als selbständig Erwerbstätiger von EUR 600,-- gegenüber, sonst habe er weder Einkünfte noch Vermögen. Angesichts dieser Ausführungen, die mit den festgestellten sporadischen und geringen Einkünften der vergangenen Monate im Wesentlichen im Einklang stehen, kann insbesondere angesichts der unstrittigen Sorgepflichten für zwei Kinder von Selbsterhaltungsfähigkeit nicht die Rede sein.

Die in der Beschwerde erwähnte strafgerichtliche Unbescholtenheit ist aus den von der belangten Behörde zutreffend dargestellten Gründen als neutral zu bewerten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2009, Zl. 2008/21/0655, mwN).

Ebenso werden in der Beschwerde keine ausreichenden Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt wäre.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 8. September 2009

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