VwGH 2008/21/0132

VwGH2008/21/013230.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. Heimo Lindner, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 35 B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 4. Jänner 2008, Zl. St 335/07, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1970 geborene Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landgerichtes Kassel vom 8. Dezember 1995 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gemäß der Urteilsbegründung hatte sich der Beschwerdeführer gemeinsam mit einem Mittäter zumindest 3 kg Heroin beschafft, die er 1994 veräußerte bzw. zu diesem Zweck vorrätig hielt. Es habe "Handeltreiben in reinster Form" vorgelegen.

Der ab März 1995 in Untersuchungshaft und dann in Strafhaft befindliche Beschwerdeführer wurde im Juli 1999 aus der Strafhaft entlassen und in die Türkei abgeschoben. Spätestens im September 2000 gelangte er nach Österreich, wo er einen Asylantrag stellte. Dieser wurde gemäß §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 rechtskräftig abgewiesen.

Im Hinblick auf das vorhin genannte Urteil des Landgerichtes Kassel und das vom Beschwerdeführer - dieser hatte mittlerweile am 21. Dezember 2001 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet - gesetzte Gesamtfehlverhalten erließ die belangte Behörde mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 8. November 2002 gemäß §§ 36 Abs. 1, 37, 39 und 48 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot. Die gegen dieses Aufenthaltsverbot erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wies dieser mit Erkenntnis vom 28. Jänner 2003, Zl. 2002/18/0297, als unbegründet ab.

Am 19. Februar 2003 stellte der Beschwerdeführer einen neuerlichen Asylantrag. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 68 AVG zurückgewiesen, wogegen der Beschwerdeführer Berufung erhob. Außerdem stellte er im Juni 2007 den Antrag auf Aufhebung des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes.

Mit dem nunmehr bekämpften, gleichfalls im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. Jänner 2008 wurde dieser Antrag gemäß § 65 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG abgewiesen. Das begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass angesichts des verwirklichten strafrechtlich relevanten Sachverhalts die seither verstrichene Zeitspanne viel zu kurz sei, um eine Behebung "des Aufenthaltsverbotes bzw. des Rückkehrverbotes" zu rechtfertigen. Die Hinweise des Beschwerdeführers, dass er am 26. Juli 1999 vorzeitig bedingt aus der Strafhaft entlassen und dass auch das in Deutschland gegen ihn verhängte Aufenthaltsverbot "mit 30.03.2007 aufgehoben bzw. rückwirkend befristet" worden sei, dass er eine Österreicherin geheiratet und für den Unterhalt von zwei minderjährigen Kindern aufzukommen habe und dass er in Österreich stets einer Beschäftigung nachgegangen sei, könnten daran nichts ändern, weil der nach Abzug der Haft verbleibende Zeitraum des - vorgebrachten -

Wohlverhaltens angesichts der überaus großen Gefährlichkeit von Suchtgiftdelikten viel zu kurz sei, um auf einem Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen:

Die belangte Behörde hat richtig erkannt, dass das gegen den Beschwerdeführer seinerzeit verhängte Aufenthaltsverbot im Grunde des § 125 Abs. 3 FPG nunmehr als unbefristetes Rückkehrverbot gilt.

Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot oder ein Rückkehrverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Ein darauf abzielender Antrag kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 65 Abs. 1 FPG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose - fallbezogen nach § 86 Abs. 1 FPG - weiterhin zu treffen ist und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 66 FPG zulässig ist. Darüber hinaus hat die Behörde auch bei dieser Entscheidung das ihr eingeräumte Ermessen zu üben (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 17. März 2009, Zl. 2007/21/0259).

Es ist zuzugestehen, dass bei Suchtgiftdelikten bekanntermaßen eine hohe Rückfallsquote besteht und dass ein großes öffentliches Interesse an der Bekämpfung dieser gefährlichen Kriminalitätsform sowohl unter dem Blickwinkel der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als auch unter dem Gesichtspunkt anderer in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter öffentlicher Interessen gegeben ist. Im vorliegenden Fall ist allerdings zu bedenken, dass die Deliktsbegehung bei Erlassung des nunmehr bekämpften Bescheides mehr als 13 Jahre zurücklag. Nach Verbüßung von mehr als vier Jahren Haft wurde der Beschwerdeführer im Juli 1999, sohin rund achteinhalb Jahre vor der hier zu beurteilenden Entscheidung, unstrittig bedingt entlassen. Er hat sich seither gemäß seinem, von der belangten Behörde nicht in Abrede gestelltem Vorbringen in strafrechtlicher Hinsicht wohlverhalten und ist in Österreich stets einer Beschäftigung nachgegangen. Von daher kann - anders als bei Erlassung des seinerzeitigen Aufenthaltsverbotes vor mehr als fünf Jahren - nicht mehr davon ausgegangen werden, dass vom Beschwerdeführer eine gegenwärtige Gefahr im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG ausgehe. Nochmals sei darauf hingewiesen, dass der Suchtgiftkriminalität eine hohe Rückfallsgefahr innewohnt. Dieses Rückfallsrisiko hat sich beim Beschwerdeführer bis dato aber gerade nicht verwirklicht und es ist in Anbetracht der zuvor angeführten Umstände - auch unter Bedachtnahme auf die nunmehrige familiäre Situation des Beschwerdeführers - nicht zu erkennen, warum sich daran etwas ändern sollte. Jedenfalls vermochte die belangte Behörde nichts in diese Richtung aufzuzeigen, weshalb ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 30. April 2009

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