VwGH 2008/18/0651

VwGH2008/18/065120.1.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des D M in W, geboren am 12. Februar 1971, vertreten durch die Dr. Wolfgang Schimek Rechtsanwalt GmbH in 3300 Amstetten, Graben 42, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. Juli 2008, Zl. E1/292.783/2008, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

32004L0038 Unionsbürger-RL Art13 Abs2 lita;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art13 Abs2 lita;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 18. Juli 2008 wurde der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer mit einem vom 8. November 2002 bis 6. Jänner 2003 gültigen Visum in das Bundesgebiet eingereist sei und seinen Aufenthalt in Österreich nach Ablauf der Geltungsdauer des Visums unrechtmäßig fortgesetzt habe. Er sei zum Aufenthalt in Österreich nicht berechtigt. Einem Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sei mit Berufungsbescheid vom 15. Juni 2007 keine Folge gegeben worden.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Er mache familiäre Bindungen im Bundesgebiet zu einem Bruder, mit dem er im gemeinsamen Haushalt lebe, einer Tante, einem Onkel und drei Cousinen geltend. Der Beschwerdeführer habe im Bundesgebiet Beschäftigungen ausgeübt.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG gegeben seien. In Hinblick auf § 66 Abs. 1 FPG sei zwar angesichts der festgestellten Umstände von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses hohe öffentliche Interesse verstoße der mittlerweile mehrjährige unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers jedoch gravierend.

Die vom Beschwerdeführer ausgeübten Beschäftigungen seien mangels Aufenthaltstitels "wohl unrechtmäßig". Auch an der Verhinderung von Schwarzarbeit bestehe jedoch ein hohes öffentliches Interesse. Die solcherart vom Beschwerdeführer insgesamt ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung sei von solchem Gewicht, dass sich die Erlassung der Ausweisung - auch unter Berücksichtigung seiner keinesfalls besonders schwerwiegenden familiären Bindungen - als dringend geboten und sohin als zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG erweisen habe müssen, zumal der Beschwerdeführer unter den gegebenen Umständen rechtens nicht in der Lage sei, seinen Aufenthalt in Österreich vom Inland aus zu legalisieren.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde auch keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass der Beschwerdeführer nach Ablauf der Geltungsdauer seines Visums am 6. Jänner 2003 illegal in Österreich verblieben ist, dass sein (am 13. Jänner 2003 gestellter) Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit Bescheid vom 27. März 2007 rechtskräftig abgewiesen wurde und der Beschwerdeführer somit über keinen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt. In Hinblick darauf begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig in Österreich aufhalte und somit die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

1.2. Dass der Beschwerdeführer gegen den im Aufenthaltstitelverfahren ergangenen Berufungsbescheid zur Zl. 2007/18/0541 (nunmehr 2008/22/0291) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben hat und das Verfahren darüber noch anhängig ist, vermag daran - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - nichts zu ändern; nach ständiger hg. Rechtsprechung führt selbst die Anhängigkeit eines Niederlassungsverfahrens zu keiner Einschränkung der behördlichen Ermächtigung zur Erlassung einer Ausweisung (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2006/18/0151, mwN).

1.3. Da nach dem Vorbringen in der Beschwerdeergänzung die zwischen dem Beschwerdeführer und einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossene, mittlerweile rechtskräftig geschiedene Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens nur etwa zweieinhalb Jahre andauerte (vgl. Art. 13 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 2004/38/EG ), bestehen in Hinblick auf die Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich auch nicht die dem hg. Beschluss vom 2. Oktober 2008, Zl. A 2008/0041 (2008/18/0507), zugrunde liegenden gleichheitsrechtlichen Bedenken.

2.1. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG hat die belangte Behörde den knapp sechsjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, seine Beschäftigungen und seine Bindungen zu einem im gemeinsamen Haushalt lebenden Bruder sowie weiters zu einer Tante, einem Onkel und drei Cousinen berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers resultierenden persönlichen Interessen sind jedoch an Gewicht insoweit zu relativieren, als dieser Aufenthalt - jedenfalls überwiegend - unrechtmäßig war. Da der Beschwerdeführer niemals über einen Aufenthaltstitel verfügt hat, der ihn zur Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung berechtigt hätte, kommt auch den von ihm ausgeübten Beschäftigungen - worauf die belangte Behörde zutreffend hinweist -

keine wesentliche Bedeutung zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. September 2008, Zl. 2007/18/0261).

Diesen nicht besonders ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er sich seit Jahren unrechtmäßig in Österreich aufhält und diesen unrechtmäßigen Aufenthalt auch nach der rechtskräftigen Abweisung seines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels fortgesetzt hat, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, darstellt (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 2. September 2008). In Anbetracht dieser Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten und somit unter dem Gesichtspunkt des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, keinem Einwand.

2.2. Soweit die Beschwerde darauf hinweist, dass der Beschwerdeführer durch seine Erwerbstätigkeit auch Abgaben, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge leiste, so ist dem schlicht zu erwidern, dass nach der ständigen hg. Rechtsprechung bei der Interessenabwägung nach § 66 FPG zu Gunsten des Fremden nur die den privaten und familiären Bereich betreffenden Umstände, nicht jedoch öffentliche Interessen zu berücksichtigen sind (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Dezember 2008, Zl. 2007/18/0327).

2.3. Als Verfahrensmangel macht die Beschwerde geltend, dass die belangte Behörde "entscheidungswesentliche Beweisanträge" nicht berücksichtigt und insbesondere die Zeugen L.G. und M.M. zu Unrecht nicht befragt hätte. Bei Durchführung dieser Beweisanträge hätte die belangte Behörde im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 FPG zu einem anderen Ergebnis kommen können.

In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid beantragte der Beschwerdeführer die Vernehmung der beiden angeführten Zeugen sowie seiner eigenen Person im Wesentlichen zum Beweis dafür, dass er erfolgreich Deutschkurse absolviert, eine Beschäftigung angenommen, Abgaben, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge geleistet und in Österreich viele Verwandte habe, mit welchen er regelmäßigen und intensiven Kontakt pflege, und hier außerdem viele Freunde gewonnen habe.

Da die belangte Behörde allerdings die damit vorgebrachten Umstände, soweit ihnen überhaupt Relevanz zukommt, ohnehin der von ihr vorgenommenen - wie ausgeführt nicht zu beanstandenden - Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 FPG zugrunde gelegt hat, liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor.

3. Schließlich bestand für die belangte Behörde - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - auch keine Veranlassung, zu Gunsten des Beschwerdeführers von dem ihr gemäß § 53 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessen Gebrauch zu machen, sind doch keine besonderen Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprechen.

4. Da die Beschwerde somit unbegründet ist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 20. Jänner 2009

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