VwGH 2008/18/0593

VwGH2008/18/059329.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde des D O in X, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. Februar 2008, Zl. E1/55.651/2008, betreffend Ausweisung nach § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 29. Februar 2008 wurde der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 23. Februar 2001 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe unter einem anderen Namen einen Asylantrag gestellt, der erstinstanzlich abgewiesen worden sei. Das diesbezügliche Berufungsverfahren sei am 18. Oktober 2004 rechtskräftig eingestellt worden.

Nachdem der Beschwerdeführer am 12. Juli 2004 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet habe, habe er die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt. Dieser Antrag sei jedoch rechtskräftig abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer sei nicht im Besitz eines Einreise- oder Aufenthaltstitels für Österreich. Die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung seien daher im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG - vorbehaltlich des § 66 Abs. 1 leg. cit. - erfüllt.

Der Beschwerdeführer sei - wie dargestellt - verheiratet. Sorgepflichten oder sonstige familiäre Bindungen im Bundesgebiet seien nicht aktenkundig. Solcherart sei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße gravierend, wer - wie der Beschwerdeführer - illegal in das Bundesgebiet einreise, unter falscher Identität einen Asylantrag stelle, sich nicht weiter um dieses Verfahren kümmere, sodass dieses eingestellt werden müsse, und anschließend unrechtmäßig im Bundesgebiet verbleibe. Der Beschwerdeführer sei unter den gegebenen Umständen auch rechtens nicht in der Lage, seinen Aufenthalt in Österreich vom Inland aus zu legalisieren. Weiters sei zu berücksichtigen, dass er seine Ehe zu einem Zeitpunkt geschlossen habe, als er zur Niederlassung im Bundesgebiet nicht berechtigt gewesen sei und mit einem ständigen Aufenthalt in Österreich nicht habe rechnen dürfen. Selbst unter Berücksichtigung seiner privaten Lebensumstände könne sohin kein Zweifel daran bestehen, dass die Erlassung der Ausweisung dringend geboten und daher gemäß § 66 FPG zulässig sei.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe für die belangte Behörde keine Veranlassung bestanden, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 10. Juni 2008, B 691/08).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren stellte der Beschwerdeführer den Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass der vom Beschwerdeführer gestellte Antrag auf Erteilung eines (Erst-)Aufenthaltstitels rechtskräftig abgewiesen wurde und jener über keinen Einreise- oder Aufenthaltstitel verfügt. Im Hinblick darauf begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 (zweiter Halbsatz) FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

Daran kann auch der in der Beschwerde enthaltene Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer mit einer Österreicherin verheiratet sei, nichts ändern, weil zur Beurteilung der Voraussetzung gemäß § 53 Abs. 1 FPG ausschließlich zu prüfen ist, ob die der Niederlassungsbehörde obliegende Dokumentation eines direkt im Gemeinschaftsrecht begründeten Niederlassungsrechtes vorliegt und der Beschwerdeführer nach dem Akteninhalt nicht etwa über eine Daueraufenthaltskarte gemäß § 54 NAG verfügt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2009, Zl. 2007/18/0806, mwN). Auch im Übrigen begegnet der angefochtene Bescheid keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. in diesem Zusammenhang etwa auch den obzitierten Ablehnungs- und Abtretungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes).

2. Mit dem zur Interessenabwägung der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 1 FPG erstatteten Vorbringen zeigt die Beschwerde ebenso keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Der EGMR hat in seiner Judikatur zu Art. 8 EMRK (vgl. dazu etwa das Urteil vom 31. Jänner 2006, Nr. 50.435/99, Rodrigues da Silva und Hoogkamer gegen die Niederlande, sowie die Entscheidung vom 11. April 2006, Nr. 61.292/00, Useinov gegen die Niederlande) wiederholt ausgeführt, dass Art. 8 EMRK keine generelle Pflicht für die Vertragstaaten enthalte, die Wohnortwahl von Immigranten zu respektieren und auf ihrem Staatsgebiet Familienzusammenführungen zuzulassen. Dabei stellte der Gerichtshof (u.a.) darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt begründet wurde, in dem auf ein dauerhaftes Familienleben im Gastland vertraut werden durfte (vgl. dazu etwa auch das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2009, Zl. 2008/18/0037, mwN).

Die belangte Behörde hat bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung nach § 66 Abs. 1 FPG den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 2001 und seine familiären Bindungen zu seiner Ehefrau berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Die aus dem Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich resultierenden persönlichen Interessen sind jedoch an Gewicht dadurch zu relativieren, dass sein Aufenthalt jedenfalls nach rechtskräftiger Einstellung des über seinen Asylantrag geführten Verfahrens im Jahr 2004 unrechtmäßig war. Was seine familiären Bindungen zu seiner österreichischen Ehegattin anlangt, so musste dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin, der diese, nachdem sein Asylantrag mit erstinstanzlichem Bescheid abgewiesen worden war und obwohl er über keinen Aufenthaltstitel verfügte, im Jahr 2004 geheiratet hat, von Anfang an die Unsicherheit seines weiteren rechtlichen Schicksals in Bezug auf sein Aufenthaltsrecht bewusst sein.

Im Hinblick darauf begegnet auch die Beurteilung der belangten Behörde, dass § 66 Abs. 1 FPG der Ausweisung nicht entgegenstehe, keinem Einwand.

3. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 29. Juni 2010

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte