VwGH 2008/18/0555

VwGH2008/18/055530.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des I M in Wien, geboren am 20. Juli 1985, vertreten durch Dr. Hans Peter Kandler, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Grazer Straße 53a/1/5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. Juni 2008, Zl. E1/103.379/2008, betreffend Ausweisung nach § 54 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §54 Abs1 Z2;
NAG 2005 §11 Abs2 Z1;
UniversitätsG 2002 §75 Abs6;
FrPolG 2005 §54 Abs1 Z2;
NAG 2005 §11 Abs2 Z1;
UniversitätsG 2002 §75 Abs6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 6. Juni 2008 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Aserbaidschan, gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei mit einem von der österreichischen Botschaft in Moskau ausgestellten, vom 30. September 2003 bis 29. Jänner 2004 gültigen Visum D in das Bundesgebiet eingereist und habe in weiterer Folge Aufenthaltstitel zum Zweck des Studiums an der Wirtschaftsuniversität Wien erhalten. Nachdem er den Vorstudienlehrgang besucht habe, sei er ab 8. Februar 2005 für das Studium "Internationale Betriebswirtschaft" gemeldet gewesen. Im Rahmen dieses Studiums habe er am 1. Juli 2005 eine Prüfung in "Wirtschaftskommunikation I (russisch)" positiv abgelegt. Danach schienen keine weiteren positiven Prüfungsergebnisse auf. Der Beschwerdeführer sei daher bereits anlässlich eines Verlängerungsantrages am 24. November 2006 von der Aufenthaltsbehörde darüber belehrt worden, dass er bei der nächsten Verlängerung einen ausreichenden positiven Studienerfolgsnachweis (acht Semesterstunden pro Studienjahr) erbringen müsste, andernfalls er mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu rechnen hätte. Dem bisher letzten Verlängerungsantrag vom 2. November 2007 habe der Beschwerdeführer ein Studienblatt beigelegt, wonach er seit 17. September 2007 für das Bachelorstudium "Wirtschafts- und Sozialwissenschaften" gemeldet sei. Im Oktober 2007 habe er im Rahmen dieses Studiums zwar Prüfungen in den Fachgebieten "Marketing", "Betriebliche Informationssysteme I" und "Wirtschaft im rechtlichen Kontext - Wirtschaftsprivatrecht I" abgelegt, diese seien jedoch jeweils mit "Nicht Genügend" gewertet worden.

In der vorliegenden Berufung habe der Beschwerdeführer bestätigt, die Prüfungen nicht bestanden zu haben, und dies unter anderem damit erklärt, dass er auf Grund eines familiären Todesfalles mehrere Monate in seinem Heimatland verbracht hätte. Er hätte sich jedoch bereits neuerlich zu den Prüfungen angemeldet. Tatsächlich sei er im Februar 2008 neuerlich zu den Prüfungen angetreten, er habe diese jedoch wieder nicht bestanden. Nur am 5. Mai 2008 habe er die Prüfung im Gegenstand "Einführung in die Betriebswirtschaftslehre" positiv (mit Befriedigend) abgelegt.

Nach Hinweis auf § 64 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG und § 75 Abs. 6 Universitätsgesetz 2002 - UG führte die belangte Behörde weiter aus, dass der Beschwerdeführer bisher lediglich eine Prüfung, und zwar im Gegenstand "Einführung in die Betriebswirtschaftslehre" (drei ECTS-Punkte bzw. zwei Semesterstunden), positiv abgelegt habe. Tatsächlich umfasse das von ihm gewählte Bachelorstudium "Wirtschafts- und Sozialwissenschaften" eine zweisemestrige Studieneingangsphase, die 14 Lehrveranstaltungen im Ausmaß von 30 Semesterstunden und 59 ECTS - Anrechnungspunkten vorsehe, und einen zweiten Studienabschnitt mit vier Semestern und 55 Semesterstunden bzw. 112 ECTS-Punkten. Um zu Lehrveranstaltungen und Prüfungen des zweiten Studienabschnittes zugelassen zu werden, müssten Lehrveranstaltungen im Ausmaß von insgesamt 42 ECTS-Anrechnungspunkten absolviert worden sein. Darüber hinaus werde eine Reihe von Lehrveranstaltungen verlangt, von denen der Beschwerdeführer bisher keine einzige positiv abgeschlossen habe.

Der Beschwerdeführer befinde sich in seinem sechsten Semester (gerechnet ab dem Wintersemester 2005) und habe in keinem Studienjahr den im § 75 Abs. 6 UG normierten Prüfungserfolg aufgewiesen. Unstrittig sei nicht absehbar, wann er den ersten Studienabschnitt abgeschlossen haben werde.

Da der Aufenthalt eines Fremden zum ausschließlichen Zweck des Studiums eine Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens darstelle, wenn er - wie der Beschwerdeführer - trotz eines beinahe dreijährigen ordentlichen Studiums nur einen völlig unzureichenden Studienerfolg aufzuweisen habe, vertrete die belangte Behörde die Auffassung, dass die Erteilungsvoraussetzung (für einen Aufenthaltstitel) nach § 11 Abs. 2 Z. 1 NAG fehle.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Umstand, er hätte im Jahr 2007 mehrere Monate in seiner Heimat verbracht, weil ein Angehöriger (er spreche einmal von seinem Vater, dann wieder von seinem Großvater) verstorben wäre, könne daran bereits deshalb nichts ändern, weil der Beschwerdeführer dies nicht konkretisiert und auch nicht erklärt habe, was ihn in den Jahren 2005 und 2006 abgehalten habe, einen positiven Studienerfolg zu erbringen. Die Regelung des § 64 Abs. 3 zweiter Satz NAG, wonach eine Aufenthaltsbewilligung für Studierende trotz Fehlens eines Studienerfolgsnachweises verlängert werden könne, wenn Gründe vorlägen, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar seien, führe keineswegs dazu, dass das Fehlen eines ausreichenden Studienerfolgs in solchen Fällen unter keinen Umständen eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen darstellen könne.

Der Erteilung des begehrten weiteren Aufenthaltstitels stehe ein Versagungsgrund entgegen, weshalb der Tatbestand des § 54 Abs. 1 Z. 2 FPG erfüllt sei.

Bei der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 und 2 FPG sei zugunsten des Beschwerdeführers sein etwa fünfjähriger inländischer Aufenthalt zu berücksichtigen gewesen. Die aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren persönlichen Interessen würden in ihrem Gewicht jedoch dadurch entscheidend gemindert, dass sein Aufenthalt bisher ausschließlich zum - vorübergehenden - Zweck des Studiums berechtigt gewesen sei, er jedoch nur einen völlig unzureichenden Studienerfolg aufzuweisen habe. Die Beziehung des Beschwerdeführers zu - nicht näher konkretisierten - in Wien lebenden Verwandten werde in ihrem Gewicht einerseits durch seine Volljährigkeit und andererseits durch das Fehlen einer Haushaltsgemeinschaft nicht unerheblich relativiert. Den somit nicht stark ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet stehe die dargestellte gewichtige Beeinträchtigung öffentlicher Interessen durch seinen weiteren inländischen Aufenthalt gegenüber. Die Ausweisung sei zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG), und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keineswegs schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG).

Mangels sonstiger, besonders zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe für die belangte Behörde auch keine Veranlassung bestanden, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass der Beschwerdeführer, der ab 8. Februar 2005 für das Studium "Internationale Betriebswirtschaft" und seit 17. September 2007 für das Bachelorstudium "Wirtschafts- und Sozialwissenschaften" gemeldet gewesen sei, bisher lediglich am 1. Juli 2005 eine Prüfung in "Wirtschaftskommunikation I (russisch)" und am 5. Mai 2008 die Prüfung im Gegenstand "Einführung in die Betriebswirtschaftslehre" jeweils positiv abgelegt, die übrigen Lehrveranstaltungen jedoch bisher nicht positiv abgeschlossen und seit dem Wintersemester 2005 in keinem Studienjahr den im § 75 Abs. 6 UG normierten Prüfungserfolg aufgewiesen habe. Im Hinblick darauf begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers eine Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens darstelle und der Tatbestand des § 11 Abs. 2 Z. 1 NAG erfüllt sei, weshalb auch der Tatbestand des § 54 Abs. 1 Z. 2 FPG verwirklicht sei (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2009, Zl. 2008/18/0452, mwN), keinen Bedenken.

Wenn die Beschwerde vorbringt, dass der Beschwerdeführer seine Deutschkenntnisse intensiv verbessert habe und beabsichtige, ab September 2008 eine "englisch sprechende" Universität in Wien zu besuchen, weil er die englische Sprache bereits in der Schule in seinem Heimatland gelernt habe, so zeigt er mit diesem Vorbringen keine Rechtswidrigkeit der genannten Beurteilung der belangten Behörde auf.

2.1. In Bezug auf die Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 und 2 FPG bringt die Beschwerde vor, dass der Beschwerdeführer in das österreichische Wirtschafts- und Sozialleben voll integriert sei und sich einen Freundeskreis geschaffen habe. Die belangte Behörde habe nicht gewürdigt, dass er sich seit fast fünf Jahren im Bundesgebiet aufhalte und wohlverhalten habe.

2.2. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde zugunsten des Beschwerdeführers dessen etwa fünfjährigen inländischen Aufenthalt berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privatleben angenommen. Die aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren persönlichen Interessen des Beschwerdeführers werden allerdings - worauf die belangte Behörde zutreffend hingewiesen hat - in ihrem Gewicht entscheidend dadurch relativiert, dass sein Aufenthalt bisher ausschließlich zu dem - vorübergehenden - Zweck des Studiums berechtigt war und er nur einen völlig unzureichenden Studienerfolg aufgewiesen hat. Diesen somit eher gering zu gewichtenden persönlichen Interessen steht die Gefährdung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessen begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), keinen Bedenken.

Gegen diese Beurteilung spricht auch nicht die in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, dass der Beschwerdeführer bei seiner Abschiebung einer menschenunwürdigen Verfolgung ausgesetzt wäre und das Leben in seiner Heimat auf Grund der politischen und wirtschaftlichen Situation nicht gesichert sei, weil - abgesehen davon, dass mit der Erlassung einer Ausweisung nicht ausgesprochen wird, in welchen Staat der Fremde auszureisen habe - die Frage des allfälligen Vorliegens von Gründen im Sinn des § 50 Abs. 1 oder 2 FPG nicht im Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung, sondern in einem gesonderten Verfahren, so etwa in einem Verfahren gemäß § 51 FPG oder einem asylrechtlichen Verfahren, zu beurteilen ist.

3. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei, und ergeben sich keine besonderen Umstände, die eine Ermessensübung nach § 54 Abs. 1 FPG zugunsten des Beschwerdeführers geboten hätten. Das Beschwerdevorbringen, dass sich der Beschwerdeführer seit fast fünf Jahren rechtmäßig in Österreich aufhalte und wohlverhalten habe, stellt hiebei keinen Umstand im genannten Sinn dar.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 30. April 2010

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