VwGH 2008/18/0533

VwGH2008/18/053311.5.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des M M in H, geboren am 27. Dezember 1979, vertreten durch Dr. Norbert Wess, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 20/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 2. Mai 2008, Zl. E1/133024/2008, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 2. Mai 2008 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z. 1 und § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I. Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer lebe seinen Angaben zufolge seit dem 11. Lebensjahr ständig in Österreich. Seine erstmalige behördliche Meldung im Bundesgebiet scheine allerdings erst am 24. April 1992 auf. Er sei geschieden, habe keine Sorgepflichten und sei in den vergangenen Jahren nur sporadisch einer Beschäftigung nachgegangen. An nahen Familienangehörigen lebten seine Eltern und eine Schwester (diese und die Mutter seien österreichische Staatsbürger) im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer weise drei rechtskräftige gerichtliche Vorstrafen auf:

a) Mit Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 8. November 2005 sei über ihn wegen des unbefugten Besitzes einer verbotenen Waffe (Schlagring) nach § 50 Abs. 1 Z. 2 Waffengesetz eine bedingte Freiheitsstrafe von drei Wochen verhängt worden.

b) Das Landesgericht für Strafsachen Wien habe ihn am 29. Juni 2006 wegen des Verbrechens der Geldfälschung (als Beitragstäter) nach § 12 dritter Fall, § 232 Abs. 2 StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten, wovon zwölfeinhalb Monate bedingt nachgesehen worden seien, verurteilt. Den Urteilsgründen zufolge habe er von einem Mittäter zwei gefälschte Euro-Banknoten zur Aufbewahrung übernommen, wobei er gewusst habe, dass dieser Mittäter die gefälschten Euro-Geldscheine als echt und unverfälscht in Verkehr habe bringen wollen.

c) Am 14. Mai 2007 sei über den Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB eine unbedingte Freiheitsstrafe von drei Jahren verhängt worden, weil er im Zusammenwirken mit weiteren Tätern am 7. September 2006 in Wien einer namentlich bekannten Frau unter Gewaltanwendung (Eintreten und Einschlagen) eine Handtasche entrissen habe, in der sich EUR 300,--, ein Mobiltelefon und eine Gaspistole befunden hätten.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen weiter aus, dass auf Grund dieser Verurteilungen der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei und das ihnen zu Grunde liegende Verhalten des Beschwerdeführers die Annahme als gerechtfertigt erscheinen lasse, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde und überdies anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen, nämlich vor allem dem Schutz der körperlichen Integrität, der Verteidigung der Ordnung und des Eigentums anderer sowie der Verhinderung von strafbaren Handlungen, zuwiderlaufe. Sein persönliches Verhalten stelle eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich jenes an der Hintanhaltung der Geldfälschungs- und Raubkriminalität, berühre. Durch das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers wäre auch der Gefährdungsmaßstab des § 86 Abs. 1 FPG erfüllt, zumal sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit maßgebend und nachhaltig gefährden würde.

Der Beschwerdeführer weise ein starke familiäre, aber nur eine geringe berufliche Bindung in Österreich auf. Seine Integration müsse als bedeutend anerkannt werden. Trotz des solcherart mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen überaus beachtlichen Eingriffes in sein Privatleben sei dessen Zulässigkeit im Grunde des § 66 FPG zu bejahen. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit und Allgemeinschädlichkeit der Geldfälschungs- und Gewaltkriminalität sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Gesundheit und des Eigentums anderer) dringend geboten. Das geschilderte wiederholte Fehlverhalten des Beschwerdeführers verdeutliche augenfällig seine Gefährlichkeit für den Geldverkehr und das Eigentum bzw. die körperliche Integrität im Bundesgebiet aufhältiger Menschen sowie das Unvermögen oder den Unwillen, die Rechtsvorschriften des Gastlandes einzuhalten. Im Hinblick auf die besondere Schwere der beiden letzten Tathandlungen des Beschwerdeführers und den damit verbundenen überaus erheblichen Unrechtsgehalt sowie die (insgesamt) mehrfache Begehung schwerer Delikte sei für ihn eine positive Verhaltensprognose nicht möglich.

Bei der nach § 66 Abs. 2 FPG erforderlichen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass einer aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch das wiederholte strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt werde. Von daher gesehen hätten die privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den genannten hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten.

Der Wille des Gesetzgebers, auch gegen Fremde, die von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig niedergelassen seien, ein Aufenthaltsverbot erlassen zu können, sei unter der Voraussetzung der Verhängung einer mehr als zweijährigen unbedingten Freiheitsstrafe durch das Fremdenrechtspaket 2005 umgesetzt worden. Damit habe er jedoch auch zum Ausdruck gebracht, dass eine durch den inländischen Aufenthalt begründete Integration, die in derartigen Fällen wohl regelmäßig anzunehmen sein werde, bedeutungsmäßig hinter den Unrechtsgehalt von schweren und schwersten strafbaren Handlungen zurückzutreten habe.

Eine Ermessensentscheidung sei unter Rücksichtnahme auf § 56 Abs. 2 Z. 1 bzw. § 55 Abs. 3 Z. 1 FPG (Begehung von Verbrechen) nicht in Betracht gekommen.

Das Aufenthaltsverbot sei unbefristet auszusprechen gewesen, weil auf Grund der wiederholten Begehung schwerer Delikte nicht absehbar sei, wann der für die Erlassung maßgebliche Grund, nämlich die überaus erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, weggefallen sein werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In Anbetracht der unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde zu den gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers begegnet die - unbekämpfte - Ansicht, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

1.2. Der Beschwerdeführer, der bereits am 8. November 2005 wegen des unbefugten Besitzes einer verbotenen Waffe (eines Schlagringes) nach dem Waffengesetz zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Wochen rechtskräftig verurteilt worden war, hat - wie oben dargestellt - von einem Mittäter gefälschte Euro-Banknoten zur Aufbewahrung übernommen, wobei er wusste, dass dieser Mittäter die gefälschten Geldscheine als echt und unverfälscht in Verkehr bringen wollte, sodass er (der Beschwerdeführer) neuerlich straffällig wurde. Auch die über den Beschwerdeführer wegen dieser Straftat am 29. Juni 2006 verhängte empfindliche (teilbedingte) Freiheitsstrafe von 14 Monaten konnte ihn zu keinem Wohlverhalten bewegen. So wurde er nur wenige Wochen nach dieser Verurteilung in noch weit massiverer Weise als zuvor straffällig, indem er im Zusammenwirken mit anderen am 7. September 2006 in Wien einer Frau unter Gewaltanwendung, nämlich durch Eintreten und Einschlagen (auf sie), eine Handtasche entriss und sie auf diese Weise beraubte, weshalb er am 14. Mai 2007 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wurde.

In Anbetracht dieses massiven Gesamtfehlverhaltens, insbesondere des Umstandes, dass auch die Verhängung einer empfindlichen Freiheitsstrafe von 14 Monaten den Beschwerdeführer nicht davon abhalten konnte, binnen kurzem zum dritten Mal und noch dazu durch Begehung eines Gewaltverbrechens straffällig zu werden, begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken, geht doch vom Beschwerdeführer eine beträchtliche Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung strafbarer Handlungen aus.

Der von der Beschwerde vorgebrachte Umstand, dass der Beschwerdeführer seine Straftat bereue, nunmehr eine Drogentherapie begonnen habe und von seiner kriminellen Vergangenheit Abstand genommen habe, führt zu keiner relevanten Verringerung der von ihm ausgehenden Gefahr. So ist nicht gesichert, dass diese Therapie einen positiven Verlauf nehmen werde. Aber selbst wenn der Beschwerdeführer die genannten Straftaten unter dem Einfluss der Drogenabhängigkeit verübt haben und deren Therapie in absehbarer Zeit erfolgreich abgeschlossen werden sollte, könnte selbst eine auf Grund einer solchen Therapie erzielte Drogenfreiheit angesichts der wiederholten Straffälligkeit des Beschwerdeführers erst nach einem längeren Zeitraum des Wohlverhaltens zur Annahme einer relevanten Minderung der Gefährdung öffentlicher Interessen führen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2008, Zl. 2006/18/0467, mwN). Dasselbe gilt in Bezug auf den behaupteten Gesinnungswandel, den der Beschwerdeführer durch eine längere Zeit des Wohlverhaltens erst unter Beweis zu stellen haben wird. Hiebei ist die in Haft verbrachte Zeit - laut der Beschwerde befindet sich der Beschwerdeführer derzeit in einer Justizanstalt - nicht zu berücksichtigen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 13. September 2006, Zl. 2006/18/0173, mwN). Da die Frage, ob die sich in einem Fehlverhalten des Fremden manifestierende Gefährlichkeit für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit als in rechtserheblichem Ausmaß gemindert anzusehen sei, vorwiegend daran zu messen ist, ob sich der Fremde tatsächlich bereits über einen relevanten Zeitraum wohlverhalten hat, stellt auch die von der Beschwerde gerügte Unterlassung der amtswegigen Einholung eines psychologischen Gutachtens keinen Verfahrensmangel dar (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2007, Zl. 2007/18/0340, mwN).

2. Bei der Interessenabwägung nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde die lange Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seine starken familiären Bindungen in Österreich berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 66 Abs. 1 leg. cit. angenommen. Diesen gewichtigen persönlichen Interessen an seinem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht jedoch die oben beschriebene, sich aus dem gravierenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers ergebende massive Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Wie bereits ausgeführt, konnten ihn auch zwei vorangegangene strafgerichtliche Verurteilungen nicht davon abhalten, binnen kurzem im Jahr 2006 neuerlich straffällig zu werden, wobei er die kriminelle Energie insoweit noch steigerte, als er das Gewaltverbrechen des Raubes verübte. Im Hinblick darauf, insbesondere auf seine Gewaltbereitschaft, ist die Ansicht der belangten Behörde, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers das gegenläufige öffentliche Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes jedenfalls nicht überwögen und die Erlassung des Aufenthaltsverbotes daher gemäß § 66 Abs. 2 FPG zulässig sei, nicht zu beanstanden, und es führt auch das Beschwerdevorbringen, mit dem der Beschwerdeführer nochmals auf seine beträchtlichen familiären Bindungen und Interessen, die Rechtmäßigkeit seines bisherigen Aufenthaltes im Bundesgebiet und seine Selbsterhaltungsfähigkeit hinweist und den Mangel von Bindungen in seinem Heimatstaat behauptet, zu keiner anderen Beurteilung.

3. Abgesehen davon, dass auf dem Boden der hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. Mai 2008, Zl. 2007/18/0016, mwN) bereits auf Grund der Verurteilung des Beschwerdeführers vom 14. Mai 2007 im Sinn des § 55 Abs. 3 FPG eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht im Sinn des Gesetzes gelegen wäre, zeigt die Beschwerde keine besonderen Umstände auf, die eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers geboten hätten. Da auf Grund der wiederholten Straffälligkeit des Beschwerdeführers, wie oben bereits dargelegt, eine günstige Verhaltensprognose nicht getroffen werden konnte und sein weiterer Aufenthalt eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde, ist bereits deshalb sein Hinweis auf § 56 FPG nicht zielführend.

4. Schließlich bestehen auch gegen die festgesetzte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes keine Bedenken.

Nach der hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 31. März 2008, Zl. 2008/18/0209, mwN) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 63 Abs. 1 FPG - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann.

Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts der wiederholten, an krimineller Intensität sich steigernden Straftaten des Beschwerdeführers und des Umstandes, dass ihn auch zwei vorangegangene Bestrafungen zu keinem Wohlverhalten bewegen konnten, die Auffassung vertrat, dass der Zeitpunkt des Wegfalls des für die Erlassung des Aufenthaltverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der von ihm ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, nicht vorhergesehen werden könne, und deshalb diese Maßnahme unbefristet erließ, und es zeigt auch die Beschwerde keine Umstände auf, die den Schluss zuließen, dass der Wegfall dieser Gründe bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erwartet werden könne.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 11. Mai 2009

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