VwGH 2008/18/0070

VwGH2008/18/00709.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des M L, geboren am 1. Juli 1971, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Dezember 2007, Zl. SD 1397/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 12. Dezember 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 sowie §§ 60 Abs. 2 Z. 9, 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer aufgrund eines vom 18. März bis 18. September 2005 gültigen Visums C des Königreiches Schweden - angeblich Ende März 2005 - in das Bundesgebiet eingereist sei. Dieses Visum sei allerdings ausdrücklich auf geschäftliche Zwecke beschränkt gewesen.

Der Beschwerdeführer scheine ab dem 31. Mai 2005 erstmals in W als behördlich gemeldet auf. Unter Zugrundelegung seiner Angabe, dass er schon Ende März eingereist sei, habe er melderechtliche Vorschriften verletzt. Im Zeitraum vom 10. April 2000 bis 10. Juli 2006 habe gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige Ausweisung bestanden, die von der Bezirkshauptmannschaft T. wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet erlassen worden sei.

Nachdem der Beschwerdeführer am 29. Juni 2005 die um siebzehn Jahre ältere österreichische Staatsbürgerin R.S. geheiratet habe, habe er am 4. Juli 2005 den Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - § 49 Abs. 1 FrG" gestellt.

Aus nachvollziehbaren Gründen - Aufenthalt trotz Ausweisung, Heirat einer um etwa siebzehn Jahre älteren Österreicherin - habe die Erstbehörde von Anfang an den Verdacht des Vorliegens einer Scheinehe gehabt, weshalb sie entsprechende Erhebungen angeordnet habe. Bei einer Erhebung am 24. November 2005 seien zwar vier Parteien des Wohnhauses, in dem die "eheliche" Wohnung liege, angetroffen worden, aber keine der Parteien habe den Beschwerdeführer anhand der vorgezeigten Fotos erkannt.

Bei einer Erhebung an der "ehelichen" Wohnadresse am 26. Mai 2006 hätten die Hausparteien A.N. und N.P. nach Vorweisung des Fotos des Beschwerdeführers angegeben, dass sie ihn noch nie im Haus gesehen hätten. In der "ehelichen" Wohnung seien damals R.S. und deren Sohn M.S. angetroffen worden. Trotz intensiver Suche hätten keine Dokumente des Beschwerdeführers gefunden bzw. vorgezeigt werden können. Auch die Wäsche des Beschwerdeführers sei derart spärlich vorhanden gewesen, dass ein ständiger oder auch nur längerer Aufenthalt des Beschwerdeführers als sehr unwahrscheinlich erscheine.

Bei einer Vernehmung am 20. Juni 2006 habe R.S. angegeben, dass ihr Ehemann mit einem deutschen Visum direkt von Deutschland nach Österreich gekommen sei. Zu Weihnachten habe der Beschwerdeführer ihr Blumen und ihrem Sohn ein Spiel für die "Play-Station" geschenkt.

Bei einer Vernehmung am 20. Juni 2007 habe der Beschwerdeführer bestätigt, dass er keineswegs aus geschäftlichen Gründen, sondern nur um R.S. zu heiraten, nach Österreich gekommen sei. Er sei vorher noch nie in Österreich oder Deutschland gewesen. Erst nach Hinweis auf den noch aufrechten Ausweisungsbescheid habe der Beschwerdeführer zugegeben, im Jahr 2000 seinen Cousin (in T.) besucht zu haben. Zu Weihnachten habe er weder seiner Frau noch deren Sohn etwas geschenkt.

Es müsse aber - so die belangte Behörde weiter - festgestellt werden, dass sich in den Aussagen der Ehepartner durchaus auch Übereinstimmungen gefunden hätten.

Bei weiteren Erhebungen im Wohnhaus des Ehepaares am 3. und 4. Jänner 2007 hätten die Hausparteien I.T., R.H., V.A., E.T., M.B. und das Ehepaar D., denen ein "gutes Farbfoto" des Beschwerdeführers gezeigt worden sei, übereinstimmend angegeben, dass sie den Beschwerdeführer im Haus noch nie gesehen hätten. R.S. - die Hausbesorgerin - lebe mit ihrem Sohn allein in der kleinen Hausmeisterwohnung.

Über Antrag des Beschwerdeführers seien sein Stiefsohn M.S., Z.S. und seine Schwägerin B.J. als Zeugen vernommen worden. Z.S. und B.J. hätten zwar nicht allzu viel über ein mögliches gemeinsames Familienleben der Ehepartner angeben können, hätten aber doch durch gelegentliche Besuche in deren Wohnung den Eindruck gewonnen, dass es sich (beim Beschwerdeführer und R.S.) um ein Ehepaar handle. M.S. habe angegeben, dass er eher selten zu Hause (in der "ehelichen" Wohnung) sei. Immerhin habe er seinen Stiefvater dort wiederholt gesehen.

Über Auftrag der Berufungsbehörde seien verschiedene Hausparteien vernommen worden. Die Zeugin M.B. habe angegeben, dass sie den Mann (den Beschwerdeführer) auf dem ihr gezeigten Lichtbild nicht kenne und ihn noch nie im Wohnhaus mit R.S. bzw. M.S. gesehen habe. M.B. habe mit R.S. regelmäßigen Kontakt, wobei R.S. ihr nie gesagt habe, dass sie verheiratet sei. Vielmehr habe R.S. ihr mitgeteilt, dass sie früher einmal verheiratet gewesen sei und ihr geschiedener Ehemann auch in W. lebe. R.S. wohne allein mit ihrem Sohn in der Wohnung.

Die Zeugin M.G. habe ebenfalls angegeben, dass sie den Mann (den Beschwerdeführer) auf dem Lichtbild nicht kenne und diesen noch nie im Wohnhaus mit R.S. bzw. M.S. gesehen habe. M.G. wohne seit 1996 ständig in ihrer Wohnung und sehe R.S. etwa zwei- bis dreimal pro Woche. Der einzige Mann - den sie mit R.S. gesehen habe - sei ein Fahrer der Firma H..

Der Zeuge J.B. habe auch angegeben, dass er den Mann (den Beschwerdeführer) auf dem Lichtbild nicht kenne und ihn noch nie im Wohnhaus mit R.S. bzw. M.S. gesehen habe. J.B. wohne seit dem Jahr 1999 in seiner Wohnung.

Der Zeuge J.R. habe bei seiner Vernehmung angegeben, dass er glaube, den Beschwerdeführer schon einmal im Haus - allerdings nicht mit R.S. bzw. M.S. - gesehen zu haben. Es sei für J.R. nicht vorstellbar, dass sich der Beschwerdeführer ständig und regelmäßig, zumindest seit 31. Mai 2005, also seit über zwei Jahren in der Wohnung von R.S., die dort mit ihrem Sohn lebe, aufhalte. J.R. lebe seit dem Jahr 2000 in seiner Wohnung.

Die Zeugin E.K. habe angegeben, dass sie den Beschwerdeführer möglicherweise schon einmal - etwa vor einem Jahr - im Haus gesehen habe; später habe sie ihn aber nicht mehr gesehen. E.K. glaube nicht, dass der Beschwerdeführer und R.S. ein Paar seien bzw. dass der Beschwerdeführer im Haus gewohnt habe.

In einer Stellungnahme vom 28. November 2007 - so die belangte Behörde weiter - habe der Beschwerdeführer lediglich angegeben, dass er Schichtarbeiter sei und werktags spätestens um 6.00 Uhr die Wohnung verlasse und frühestens um 18.00 Uhr zurückkehre. "Nur so sei es verständlich, dass ihn die Hausparteien nicht gut kennen." Trotz ausdrücklicher Aufforderung habe der Beschwerdeführer nicht mitgeteilt, aufgrund welchen Aufenthaltstitels er sich in Österreich aufhalte.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass sie keinen Grund erkenne, die klaren, prägnanten und in sich schlüssigen Aussagen der Hausparteien, die als Zeugen übereinstimmend angegeben hätten, dass sie den Beschwerdeführer im Wohnhaus entweder nur ein einziges Mal oder überhaupt nie gesehen hätten bzw. dass R.S. allein mit M.S. lebe, in Zweifel zu ziehen. Den Aussagen von M.S. (Stiefsohn des Beschwerdeführers) und B.J. (Schwägerin des Beschwerdeführers) komme hingegen weniger Glaubwürdigkeit zu; ihre Aussagen - sowie auch jene der Zeugin J. -

hätten auch kein Bild eines gemeinsamen Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK wiedergegeben, sondern bloß die mehr oder weniger häufige Anwesenheit des Beschwerdeführers in der "ehelichen Wohnung" bestätigt. Überdies komme diesen Aussagen aufgrund des Naheverhältnisses dieser Zeugen zum Beschwerdeführer bzw. zu R.S. insgesamt eine geringere Glaubwürdigkeit zu als den Aussagen der Hausparteien.

Ein nicht unwesentliches Indiz für das Vorliegen einer Scheinehe sei auch in dem "enormen Altersunterschied" zwischen den Ehepartnern - der Beschwerdeführer sei etwa siebzehn Jahre jünger als R.S. - und ihren zum Teil divergierenden Aussagen begründet. In einem sehr hohen Prozentsatz tatsächlich nachgewiesener Scheinehen sei ein hoher Altersunterschied feststellbar, "weil der Markt an scheinehewilligen Österreichern/Österreicherinnen sehr eng ist und der Fremde nehmen muss, was gerade verfügbar ist". Der unbändige Wille des Beschwerdeführers, gleichsam um jeden Preis in Österreich Fuß zu fassen, werde schließlich auch dadurch dokumentiert, dass er mit einem Visum für geschäftliche Zwecke und trotz aufrechter Ausweisung eingereist sei, tatsächlich aber eine Frau (eine österreichische Staatsbürgerin) habe heiraten wollen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer "Familienangehöriger" im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG sei, weil er Drittstaatsangehöriger und Ehegatte einer nicht freizügigkeitsberechtigten österreichischen Staatsbürgerin sei. Daher würden im Sinn des § 87 FPG die §§ 85 Abs. 2 und 86 FPG gelten. Da sich weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Berufungsvorbringen erkennen lasse, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers im Einklang mit den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht habe, sei der Beschwerdeführer allerdings kein "begünstigter Drittstaatsangehöriger" im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG.

Nach Wiedergabe der §§ 87 und 86 Abs. 1 FPG führte die belangte Behörde weiter aus, dass diese Bestimmungen im Wesentlichen Ausfluss der Richtlinie 2004/38/EG seien, die allerdings in Art. 35 auch vorsehe, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen erlassen könnten, die notwendig seien, um die durch die Richtlinie (z.B. den Angehörigen von EU-Bürgern) verliehenen Rechte im Fall von Rechtsmissbrauch oder Betrug - wie z.B. durch das Eingehen von Scheinehen - zu verweigern, aufzuheben oder zu widerrufen. Daraus folge schlüssig, dass das Eingehen einer Scheinehe im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG durchaus zu einem Aufenthaltsverbot nach Maßgabe der genannten Kriterien führen könne, zumal Scheinehen auch durch die Entschließung des Rates vom 4. Dezember 1997 über Maßnahmen zur Bekämpfung von Scheinehen ausdrücklich verpönt würden.

Im Übrigen könne auch im Rahmen der Beurteilung von Sachverhalten, die den §§ 87 und 86 Abs. 1 FPG zu unterstellen seien, der Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als Orientierungsmaßstab für die Verhängung von Aufenthaltsverboten herangezogen werden. Nach § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG liege ein diesbezüglicher Grund vor, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen und sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt habe.

Nach dem Gesagten könne kein Zweifel daran bestehen, dass das Verhalten des Beschwerdeführers, der eine Scheinehe zwecks Erlangung aufenthalts- und beschäftigungsrechtlicher Vorteile eingegangen sei, den öffentlichen Interessen zuwiderlaufe und eine grobe Verletzung der öffentlichen Ordnung, insbesondere auf dem Gebiet eines geordneten Ehe- und Fremdenwesens, darstelle, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht nur zulässig, sondern dringend geboten sei. Das im Eingehen einer Aufenthaltsehe liegende Verhalten, welches mit der Täuschung staatlicher Organe über den wahren Ehewillen beginne und zum dadurch bewirkten Erschleichen staatlicher Berechtigungen und Befugnisse führe, stelle zweifellos auch eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die das Grundinteresse der Gesellschaft an einer gesetzlich gesteuerten Zuwanderung, an der Einhaltung der hiefür maßgeblichen Rechtsvorschriften und am Recht auf wahrheitsgetreue Angaben gegenüber Staatsorganen berühre.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG falle bloß der kaum dreijährige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ins Gewicht. Eine davon ausgehende Integration in Österreich werde in ihrer Relevanz aber dadurch gemindert, dass der Beschwerdeführer unrechtmäßig in Österreich geblieben sei, wobei ihm auch der Erstantrag auf Niederlassungsbewilligung kein Aufenthaltsrecht habe sichern können. Die familiären Bindungen im Bundesgebiet - ein Bruder und eine Schwester des Beschwerdeführers lebten ebenfalls in Österreich, allerdings nicht im gemeinsamen Haushalt mit diesem - seien als gering einzustufen.

Den vorhandenen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt in Österreich stehe gegenüber, dass er durch das rechtsmissbräuchliche Eingehen der Ehe und die Berufung darauf im Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung maßgebliche öffentliche Interessen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK (Wahrung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) erheblich beeinträchtigt habe. Daher könne die Ansicht der Erstbehörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), durchaus nachvollzogen und übernommen werden. Es müsse in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hingewiesen werden, dass ein Fremder, der eine "Scheinehe" eingehe, staatliche Autorität verkörpernde Organe - z.B. den Standesbeamten über den wahren Ehewillen oder die Beamten der Fremdenpolizeibehörde bzw. der Aufenthaltsbehörde - und damit im eigentlichen Sinn den Staat Österreich bewusst täusche.

Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe (§ 63 FPG), so erscheine die von der Erstbehörde vorgenommene kurze Befristung nicht als gerechtfertigt, weil seit dem 1. Jänner 2006 die Höchstdauer u.a. auch in Fällen von Aufenthaltsehen von fünf auf zehn Jahre hinaufgesetzt worden sei. In Hinblick auf das dargelegte Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den (auch unrechtmäßigen) Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen eines zehnjährigen Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gegen den Beschwerdeführer als Familienangehörigen einer - nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides und des Verwaltungsaktes - nicht freizügigkeitsberechtigten Österreicherin im Sinn des § 87 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 86 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn aufgrund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Bei dieser Beurteilung kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. September 2009, Zl. 2009/18/0291, mwN). Nach § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass der Beschwerdeführer seit seiner Eheschließung in einer Betonfabrik in L. im Schichtbetrieb tätig sei und somit keine regelmäßige Arbeitszeit habe. Die Schicht dauere entweder von 6.00 bis 14.00 Uhr oder von 14.00 bis 22.00 Uhr. Aufgrund der Entfernung zum Arbeitsort müsse der Beschwerdeführer beispielsweise bei der Frühschicht die gemeinsame Wohnung bereits vor 5.00 Uhr verlassen. R.S. arbeite als Raumpflegerin in der Wiener Staatsoper und als Hausbesorgerin in Wien 9. Die Dienstzeit in der Staatsoper sei jeweils von 6.30 bis 15.30 Uhr. Bei einer "Nachschau durch die Kriminalbeamten" um 16.00 Uhr sei lediglich der Stiefsohn des Beschwerdeführers in der Wohnung anwesend gewesen, welcher bestätigt habe, dass die Ehepartner einen Spaziergang unternommen hätten, weil dies die einzige Zeit sei, in welcher die Ehepartner -

aufgrund ihrer Dienstzeiten - Zeit miteinander verbringen könnten. Die einschreitenden Beamten hätten sich auch davon überzeugen können, dass die persönlichen Sachen des Beschwerdeführers, wie Kleider und Toiletteartikel, in der Wohnung vorhanden seien. Der Beschwerdeführer habe bereits in seiner Stellungnahme vom 18. August 2006 schlüssig dargelegt, weshalb er nur selten und grundsätzlich nur während der Nachtstunden zu Hause anzutreffen sei und dass seine Ehefrau ebenfalls berufstätig sei und sich daher ebenso häufig nicht in der Wohnung aufhalte.

2.2. Damit gelingt es der Beschwerde jedoch nicht, eine Unschlüssigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung aufzuzeigen.

Die belangte Behörde hat ihrer Beweiswürdigung die Angaben des Beschwerdeführers und die Aussagen von R.S., M.S., Z.S. und B.J. zugrunde gelegt sowie an der Wohnanschrift Erhebungen durchgeführt und zahlreiche Nachbarn vernommen.

Die belangte Behörde hat im Weiteren die Ergebnisse des Beweisverfahrens einer eingehenden Beweiswürdigung unterzogen und nachvollziehbar und plausibel dargelegt, weshalb sie den Angaben der Nachbarn größere Glaubwürdigkeit beigemessen hat als den Darstellungen von M.S., Z.S. und B.J..

2.3. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde begegnet daher im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

2.4. Auf Basis der getroffenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, aber mit der Ehefrau ein gemeinsames Familienleben nie geführt hat. Daher begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG (als "Orientierungsmaßstab") verwirklicht sei, keinem Einwand.

Angesichts des hohen Stellenwertes, welcher der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukommt, ist auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass die in § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbedenklich (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 24. September 2009, mwN).

2.5. Soweit die Beschwerde in ihrer Verfahrensrüge unter anderem ausführt, dass der Beschwerdeführer zum Beweis dafür, dass er und seine Ehefrau ein harmonisches und glückliches Familienleben führten, insgesamt fünf Zeugen beantragt habe, so ist dem zu entgegnen, dass die vom Beschwerdeführer - wie aus den Verwaltungsakten hervorgeht - beantragten Zeugen jeweils am 23. Jänner 2007 vernommen wurden.

Aufgrund des Gesagten geht auch der weitere Vorwurf in der Beschwerde, dass eine vorweggenommene Beweiswürdigung durch die belangte Behörde vorliege, ins Leere.

3. Auch gegen das - nicht bekämpfte - Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG vorgenommenen Interessenabwägung bestehen keine Bedenken.

4. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 9. November 2009

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