VwGH 2008/17/0240

VwGH2008/17/02404.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde des RD in G, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. November 2008, Zl. IKD(Pol)-070002/12-2008- Stö/Me, betreffend Schließung eines Clublokals nach § 56a GSpG, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §6 Abs1;
GSpG 1989 §50;
GSpG 1989 §56a;
StGB §168;
VStG §51 Abs1;
AVG §6 Abs1;
GSpG 1989 §50;
GSpG 1989 §56a;
StGB §168;
VStG §51 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Der Beschwerdeführer ist Obmann des Vereins zur Förderung des Gesellschafts- und Kartenspiels (in der Folge: der Verein). Dieser Verein hat in G Räumlichkeiten in der D-Straße 3 angemietet.

1.2. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 17. April 2008 wurde nach einer Kontrolle des Lokals am 16. April 2008 die Schließung dieses Clublokals gemäß § 56a Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 1993 in der Fassung BGBl. Nr. 747/1996, mit Wirkung ab 16. April 2008 verfügt. Der Bescheid ist nach seinem Kopf an den Beschwerdeführer adressiert und wurde diesem zugestellt. Begründend führte die Behörde erster Instanz nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens (Kontrolle des Lokals nach Bewerbung von regelmäßigen Pokerturnieren, Einvernahme von Zeugen, Verfügung der Schließung des Lokals durch das Organ der Behörde im Zuge der Kontrolle am 16. April 2008) aus, dass der Verein Pokerturniere im Clublokal D-Straße 3 beworben und veranstaltet habe. Der Beschwerdeführer sei Obmann des Vereins, sein Stellvertreter sei Herr P.

Nach Darlegung, wann vom Vorliegen von Glücksspielen im Sinn des GSpG auszugehen sei, wird resümiert, dass der Verein als Unternehmer im weiteren Sinn in seinem Clublokal Pokerturniere abgehalten habe. Es könne nicht angenommen werden, dass bloß zum Zeitvertreib oder zu gemeinnützigen Zwecken gespielt worden sei. Den Spielern sei ein Bonus in der Größenordnung von EUR 400,-- in Aussicht gestellt worden, darüber hinaus sei ein Bonus von EUR 4.000,-- für jenen Spieler ausgesetzt gewesen, der an einem Abend drei Assenpaare verloren habe.

Es sei somit von der Durchführung von verbotenen Glücksspielen durch den Verein auszugehen. Da der Verein trotz mehrfacher Aufforderung der Vereinsorgane durch die Behörde sein gesetzwidriges Verhalten nicht eingestellt habe, sei die Schließung des Clublokales zu verfügen gewesen.

1.3. Der Beschwerdeführer erhob Berufung und wendete sich insbesondere gegen die Annahme der Behörde, dass das Pokerspiel "Texas Hold'em" ein Glücksspiel sei. Dieses sei vielmehr ein Geschicklichkeitsspiel. Der Verein sei ein ideeller, nicht auf Gewinn gerichteter Verein und kein Unternehmer im Sinn des GSpG. Die verwaltungsstrafrechtlichen Bestimmungen seien subsidiär zu § 168 StGB und § 56a GSpG sei als "ultima ratio" zu verstehen; das Gesetz sehe vor, dass von einer Betriebsschließung Abstand zu nehmen sei, wenn eine weitere Gefährdung der Interessen des Glücksspielmonopols durch andere geeignete Vorkehrungen mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne.

1.4. Die Berufung wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat für das Land Oberösterreich vorgelegt, welcher sie jedoch mit einer als "Beschluss" bezeichneten Erledigung vom 9. Juni 2008 gemäß § 6 AVG an das Bundesministerium für Finanzen weiterleitete. Dieses übermittelte darauf hin die Berufung "zuständigkeitshalber" an die belangte Behörde.

Der Unabhängige Verwaltungssenat für das Land Oberösterreich vertrat in seinem Abtretungsbeschluss die Auffassung, dass der unabhängige Verwaltungssenat gemäß § 50 GSpG "- nur - 'gemäß § 51 VStG zuständig'" sei, über Berufungen gegen Betriebsschließungen nach § 56 GSpG zu entscheiden.

1.5. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Begründend geht die belangte Behörde auf das Berufungsvorbringen betreffend den Glücksspielcharakter von "Texas Hold'em", den Einwand, dass die Adressierung des Bescheids an den Beschwerdeführer (und nicht den Verein) rechtswidrig gewesen sei, die Nichtanwendbarkeit des vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Doppelbestrafungsverbots im Falle der Erteilung eines Auftrags nach § 56a GSpG sowie gemeinschaftsrechtliche Bedenken ein.

1.6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften, in der auch die Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend gemacht wird.

1.7. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Zur Beschwerdelegitimation:

Der Beschwerdeführer ist Obmann des Vereins, dessen Clublokal mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid geschlossen wurde bzw. geschlossen werden sollte.

Der erstinstanzliche Bescheid wurde an den Beschwerdeführer als Empfänger adressiert und ihm zugestellt. Er hat die Berufung im eigenen Namen erhoben.

Unabhängig davon, wie man den Bescheid der Behörde erster Instanz deutet (ob damit erkennbar der Verein als Adressat angesprochen war oder nur der Beschwerdeführer), hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid über die Berufung des Beschwerdeführers entschieden und den Bescheid an den Beschwerdeführer adressiert. Es ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, dass die belangte Behörde damit über eine dem Verein zurechenbare Berufung entscheiden wollte. Es kann daher dahin gestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer zulässigerweise Berufung erhoben hat oder ob die Berufung allenfalls dem Verein zugerechnet werden könnte; auch der Hinweis in der Gegenschrift der belangten Behörde, sowohl der erstinstanzliche als auch der angefochtene Bescheid seien dem Beschwerdeführer "in der Funktion des Vereinsobmannes, der auch die Verantwortung für diese Vereinsveranstaltungen zu übernehmen hat" zugestellt worden, vermag nichts daran zu ändern. Die belangte Behörde gibt mit diesem Hinweis nur neuerlich zu erkennen, dass sie den Beschwerdeführer als Adressaten des Bescheides ansah (und dies nunmehr mit dem Hinweis auf seine "Verantwortung" rechtfertigt). Der Hinweis auf eine Verantwortung des Vereinsobmanns lässt jedenfalls gerade nicht erkennen, dass die belangte Behörde einen Bescheid gegenüber dem Verein erlassen wollte. Es verbietet sich daher umso mehr eine Umdeutung des an den Beschwerdeführer als Berufungswerber gerichteten Bescheides.

Der Beschwerdeführer ist daher jedenfalls zur Beschwerdeerhebung vor dem Verwaltungsgerichtshof legitimiert.

2.2. In der Sache:

§ 50 Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989 in der Fassung BGBl. I Nr. 125/2003 und I Nr. 143/2005, lautet:

"Behörden und Verfahren

"§ 50. Für Strafverfahren und für Betriebsschließungen nach diesem Bundesgesetz sind in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion diese, und in zweiter Instanz die unabhängigen Verwaltungssenate gemäß § 51 Abs. 1 VStG 1950 zuständig. Diese Behörden können sich dabei der Mitwirkung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Organe der Abgabenbehörde bedienen."

Die Ergänzung des § 50 GSpG um die Wortfolge "und für Betriebsschließungen" erfolgte mit der Novelle BGBl. I Nr. 125/2003.

Im Bericht des Finanzausschusses (297 BlgNR XXII. GP, 1) heißt es zur Neufassung des § 50 GSpG durch die Novelle BGBl. I Nr. 125/2003:

"Die ausdrückliche Erwähnung der Betriebsschließungen in der Zuständigkeitsbestimmung des § 50 entspricht der bestehenden Rechtslage und der bisher geübten Verwaltungspraxis. Sie dient lediglich der Klarstellung und sohin der Verbesserung der Rechtssicherheit."

Gemäß § 50 GSpG ist somit zur Entscheidung über Berufungen gegen Betriebsschließungen nach dem GSpG der unabhängige Verwaltungssenat jenes Landes, in dem die Behörde erster Instanz ihren Sitz hat, zuständig.

Die gegenteilige Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates für das Land Oberösterreich ist insofern unzutreffend, als die von diesem als "Einschränkung" gelesene Wendung "§ 51 Abs. 1 VStG 1950" nicht die Bedeutung hat, dass der unabhängige Verwaltungssenat nur dann über die Berufung gegen eine Betriebsschließung zu entscheiden hätte, wenn keine Strafbarkeit nach § 168 StGB vorliege. Diese Argumentation ist im Ansatz verfehlt. Sie setzt sich einerseits über den Wortlaut der Regelung hinweg und hat andererseits weder nachvollziehbare teleologische, systematische oder verfassungsrechtlichen Argumente, noch Gesichtspunkte der Entstehungsgeschichte für sich.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2009/17/0002, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgeführt hat, ist der unabhängige Verwaltungssenat gemäß § 50 GSpG grundsätzlich im Verfahren über Betriebsschließungen als Rechtsmittelinstanz zuständig.

Die Weiterleitung der dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegten Berufung gemäß § 6 AVG erfolgte daher zu Unrecht. Eine derartige Weiterleitung hat keine bindende Wirkung in dem Sinn, dass im Falle der Unzuständigkeit der Behörde, an die die Berufung weitergeleitet wurde, diese ihre Unzuständigkeit nicht mehr wahrnehmen könnte. Die Behörde, an die die Berufung weiter geleitet wurde, hat diese vielmehr gemäß § 6 AVG an die ihres Erachtens zuständige Behörde weiter zu leiten, wenn sie zur Auffassung kommt, dass sie nicht zuständig ist (und somit gegebenenfalls an die übertragende Behörde zurück zu leiten; vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 30. Mai 1996, Slg. Nr. 14.475/A).

Die belangte Behörde hätte daher im Hinblick auf § 50 GSpG über die vom unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich weiter geleitete Berufung nicht entscheiden dürfen.

Die belangte Behörde hat daher eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nicht zustand. Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grunde wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

2.3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den über den nach § 3 Abs. 2 der genannten Verordnung anzuwendenden Pauschalbetrag

hinaus gehenden Teil des Kostenersatzbegehrens, weil neben den Pauschalbeträgen nach dieser Verordnung der Ersatz von Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist.

Wien, am 4. November 2009

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