VwGH 2008/16/0140

VwGH2008/16/014016.12.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über den Antrag der P Handels-GmbH in W, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Ebendorferstraße 3, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates (Außenstelle Wien) vom 26. Mai 2008, GZ. RV/3175-W/07, betreffend Grunderwerbsteuer, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.

Begründung

Mit hg. Beschluss vom 2. September 2008, Zl. 2008/16/0091, wies der Verwaltungsgerichtshof eine von der Beschwerdeführerin erhobene Beschwerde gegen den im Spruch bezeichneten Bescheid zurück, weil sie am 11. Juli 2008 zur Post gegeben und somit verspätet sei.

Die Beschwerdeführerin bringt in ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Versäumung der Beschwerdefrist vor, der angefochtene Bescheid sei ihrer Rechtsvertreterin am 29. Mai 2008 zugestellt worden. Die Beschwerdefrist sei richtig mit 10. Juli 2008 berechnet und so auch im Fristenbuch der Kanzlei eingetragen worden. Die Beschwerde sei in der Folge verfasst und vom Rechtsanwalt Dr. Johannes R dessen Abendsekretärin Theresia M zur fristwahrenden "Verpostung" am selben Tag übergeben. Zugleich sei der Handakt zum betreffenden Verfahren im Sekretariat zur Ablage deponiert worden. Theresia M hätte aber an diesem Abend verschiedene Poststücke aus verschiedenen Abteilungen einzusammeln und zur Post zu bringen gehabt. Die gegenständliche Bescheidbeschwerde sei das erste zur Postaufgabe fertig vorbereitete Schriftstück gewesen und von ihr zunächst auf die Seite gelegt worden. In der Folge habe sie jedoch darauf vergessen, dieses Schriftstück zusammen mit anderen Poststücken zur Post mitzunehmen und dort aufzugeben. Der in der Sache ebenfalls befasste ständige Substitut Mag. Daniel G habe Theresia M am fraglichen Abend gegen 21.00 Uhr mit einem Stapel Post die Kanzlei verlassen sehen. Er sei davon ausgegangen, dass die Beschwerde rechtzeitig zur Post gegeben würde. Die Frage des Rechtsanwaltes Dr. Johannes R, ob Theresia M mit der Post gegangen sei, habe er daher bejaht. Theresia M sei seit 1. April 2007 in der Anwaltskanzlei beschäftigt und äußerst zuverlässig gewesen. Dass sie auf die Aufgabe eines Schriftstückes vergessen hätte, sei bei ihr mit Ausnahme des vorliegenden Falles noch nie vorgekommen.

Die Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung habe am 3. Oktober 2008, jenem Tag, an dem der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin der die Beschwerde zurückweisende hg. Beschluss zugegangen sei, begonnen. Der Aufgabeschein mit dem Datum 11. Juli 2008 (dem Tag nach dem Fristende) sei Anfang bis Mitte der darauf folgenden Woche, somit im Zeitraum vom 14. bis 16. Juli 2008, vom Kanzleiboten oder einem sonstigen Mitarbeiter des Empfanges bzw. der Poststelle in das Sekretariat des Rechtsanwalts Dr. Johannes R gebracht worden, wo er von der Tagessekretärin Sanja D im Rahmen der Postverwaltung im Akt abgeheftet worden sei. Es habe zu ihren Pflichten gehört, die ausgegangene Post im Hinblick auf ihre fristwahrende Versendung anhand des Fristenbuches nachträglich zu überprüfen. Diese Kontrolle sei von Sanja D zwar durchgeführt worden, sie habe aber, wahrscheinlich infolge einer Verwechslung mit einer weiteren Frist im Fristenkalender, die tatsächlich am 11. Juli 2008 geendet habe, jedoch nicht bemerkt, dass die Aufgabe der verfahrensgegenständlichen Bescheidbeschwerde verspätet erfolgt sei und habe den Akt abgelegt. Auch bei Sanja D handle es sich um eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft, die seit über vier Jahren bei der Beschwerdevertreterin beschäftigt sei und alle ihr übertragenen Aufgaben stets zuverlässig verrichtet habe.

Zur Bescheinigung dieses Vorbringens wurden eidesstättige Erklärungen der Kanzleikräfte Theresia M und Sanja D sowie des Substituten Mag. Daniel G vorgelegt.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Rechtsanwalt rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen. Es ist ihm nicht zuzumuten, sich nach der Übergabe der Poststücke an die Kanzleikraft in jedem Fall noch von der tatsächlichen Durchführung der Expedierung der Sendung zu überzeugen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2005, Zl. 2005/02/0030, mwN, und den hg. Beschluss vom 21. Februar 2007, 2006/06/0334, mwN).

Nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt wurde im vorliegenden Fall für die rechtzeitige Fertigstellung des Beschwerdeschriftsatzes gesorgt. Dass der Rechtsanwalt nicht auch noch die näheren Umstände der durch die nicht von vornherein als ungeeignet anzusehenden Kanzleikraft vorzunehmenden Postaufgabe überwachte, sodass es zur versehentlichen Nichtabfertigung der Beschwerde in der dargestellten Weise kam, vermag ein Verschulden des Rechtsanwaltes nicht zu begründen.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung war somit stattzugeben.

Wien, am 16. Dezember 2008

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