Normen
BAO §303 Abs1 litb;
BAO §303 Abs4;
BAO §303 Abs1 litb;
BAO §303 Abs4;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2001 bis 2005 abgewiesen. Die Beschwerdeführerin, eine wesentlich beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführerin, sei mit ihren ausgabenseitig jeweils nur unter Berücksichtigung der Sozialversicherungsbeiträge ermittelten Einkünften aus selbständiger Arbeit erklärungsgemäß zur Einkommensteuer für die Jahre 2001 bis 2005 veranlagt worden. Nachdem sie ihren Wohnsitz von Wien nach Vorarlberg verlegt hatte, habe ihr nunmehriger steuerlicher Vertreter mit dem am 7. August 2006 beim Finanzamt eingelangten Schreiben unter Beilage berichtigter Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2001 bis 2005 die Wiederaufnahme der Verfahren beantragt, weil das Betriebsausgabenpauschale bisher nicht berücksichtigt worden sei.
Das Finanzamt habe der Beschwerdeführerin zunächst mit Schreiben vom 14. August 2006 mitgeteilt, dass mangels neu hervorgekommener Tatsachen weder eine Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 1 BAO noch nach § 303 Abs. 4 BAO zulässig sei. Nach Wiederholung des Antrages habe das Finanzamt mit Bescheid vom 2. November 2006 den Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren als unbegründet abgewiesen, weil es sich bei der nachträglichen Geltendmachung des Betriebsausgabenpauschales nicht um eine neu hervorgekommene Tatsache, sondern lediglich um eine rechtliche Beurteilung eines bekannten Sachverhaltselementes handle.
Die Beschwerdeführerin habe Berufung, und nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung einen Vorlageantrag eingebracht. Sie habe unter Hinweis auf einen Erlass des BMF im Wesentlichen ausgeführt, Tatsache sei, dass ihr als Geschäftsführerin, insbesondere auch infolge der Betriebsstandorte in Wien und Vorarlberg, von ihr selbst zu tragende Aufwendungen erwachsen, außer den Beiträgen zur gewerblichen Sozialversicherung aber keine Betriebsausgaben geltend gemacht worden seien. Im Hinblick auf das "immer wieder betonte" Prinzip der Rechtsrichtigkeit sei daher der Wiederaufnahmetatbestand erfüllt. Ein Geschäftsführer könne entweder die tatsächlich erwachsenen Betriebsausgaben oder das Pauschale geltend machen. Grundsätzlich habe ein Steuerpflichtiger ein Recht auf Betriebsausgabenabzug. Hilfsweise werde aber auch die Absetzung der tatsächlichen Betriebsausgaben beantragt. Mangels Belegen könnten jedoch nur die Fahrtkosten zwischen den Firmenstandorten in Höhe von EUR 5.400,-- (ca. 15.000 km x EUR 0,36) ins Treffen geführt werden. Die Unterlassung der amtswegigen Wiederaufnahme der Verfahren stelle einen Ermessensmissbrauch dar.
Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, soweit die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf Wiederaufnahme auch als Antrag auf eine Wiederaufnahme von Amts wegen verstanden wissen wolle, sei darauf hinzuweisen, dass nach herrschender Auffassung ein subjektives öffentliches Recht auf amtswegige Wiederaufnahme nicht bestehe. Die Beschwerdeführerin könne daher durch die Mitteilung des Finanzamtes vom 14. August 2006 betreffend die Unterlassung der amtswegigen Wiederaufnahme nicht in ihren Rechten verletzt sein. Die nur im Falle einer amtswegigen Wiederaufnahme relevante Frage der Ermessenübung könne daher dahingestellt bleiben.
Ein Wiederaufnahmeantrag nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO könne nur auf solche Tatsachen gestützt werden, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden gewesen seien, deren Verwertung der Partei aber erst nachträglich möglich geworden sei. Solche Tatsachen seien ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente seien keine Tatsachen.
Die Beschwerdeführerin habe ihren Antrag damit begründet, dass ihr nunmehriger steuerliche Vertreter nach Übernahme der Vertretung festgestellt habe, dass das Betriebsausgabenpauschale nicht in Abzug gebracht worden sei.
Eine Änderung der maßgeblichen Tatsachenlage werde damit aber nicht aufgezeigt. Die Inanspruchnahme des gesetzlichen Betriebsausgabenpauschales für Einkünfte aus selbständiger Arbeit setze nach § 17 Abs. 2 EStG 1988 u.a. voraus, dass die Anwendung der Pauschalierung aus der Aufstellung der Betriebsausgaben hervorgehe. Mangels einer solchen fristgerechten Geltendmachung pauschaler Betriebsausgaben könne keine Rede von einem im abgeschlossenen Verfahren bereits existent gewesenen Umstand sein, der erst nachträglich hervorgekommen sei und dessen Kenntnis einen anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Die Bestimmung des § 303 BAO diene nicht dazu, fehlende formale Tatbestandselemente nachträglich zu erfüllen.
Auch soweit im Vorlageantrag alternativ die Fahrtkosten zwischen den Betriebsstätten in Wien und Vorarlberg als tatsächliche Betriebsausgaben geltend gemacht würden, lasse sich für die Beschwerdeführerin nichts gewinnen. Für die Beurteilung der Frage, ob einem Wiederaufnahmeantrag stattzugeben sei, seien allein die innerhalb der Antragsfrist von drei Monaten ab Kenntniserlangung des Wiederaufnahmegrundes vorgebrachten Wiederaufnahmegründe maßgeblich, im vorliegenden Fall sohin das nicht berücksichtigte Betriebsausgabenpauschale. Überdies sei darauf hinzuweisen, dass das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln nur dann zur Wiederaufnahme führe, wenn diese im wiederaufzunehmenden Verfahren ohne grobes Verschulden der Parteien nicht hätten geltend gemacht werden können. Der Wiederaufnahmewerber sei sowohl für das Vorliegen des Wiederaufnahmegrundes als auch für das Fehlen groben Verschuldens behauptungs- und beweispflichtig.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde über die Beschwerde in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin macht geltend, der gegenständliche Sachverhalt stelle geradezu einen klassischen Fall für eine amtswegige Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 4 BAO dar. Die belangte Behörde sei der irrigen Meinung, dass das Finanzamt über diesen Antrag zu Recht nicht bescheidmäßig abgesprochen habe.
Damit zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil eine Verletzung ihrer Rechte durch das Unterbleiben der amtswegigen Wiederaufnahme der Verfahren nicht in Betracht kommt (vgl. den hg. Beschluss vom 31. März 2004, 2004/13/0036).
Die Beschwerdeführerin führt aus, ihr Antrag erfülle die Voraussetzungen des § 303 Abs. 1 lit. b BAO. Wenn die belangte Behörde meine, ihr Antrag enthalte keine ausreichende Bezeichnung der Umstände gemäß § 303 Abs. 1 BAO, wäre sie verpflichtet gewesen, einen Mängelbehebungsauftrag zu erteilen.
Dem ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde den behaupteten Umstand, dass das Betriebsausgabenpauschale von 6 % nicht abgezogen wurde, als den Umstand (§ 303 Abs. 1), auf den der Antrag gestützt wird, angenommen hat. Einen Grund, einen Mängelbehebungsauftrag zu erteilen, gab es daher nicht. Ob der geltend gemachte Umstand allerdings einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darstellt, ist eine davon zu unterscheidende Frage.
Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte (§ 303 Abs. 1 lit. b BAO).
Die Wiederaufnahme auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen bietet die Möglichkeit, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 1997, 96/13/0185). Tatsachen in diesem Sinne sind Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente sind keine Tatsachen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2000, 95/14/0094). Diese Tatsachen müssen auch neu hervorkommen, das heißt es muss sich um solche Tatsachen handeln, die bereits vor Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens bestanden haben, aber erst nach rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens der Behörde bekannt geworden sind.
Bei den im Beschwerdefall wiederaufzunehmenden Verfahren handelt es sich um die Veranlagung der Einkommensteuer. Die Beschwerdeführerin hatte die Möglichkeit, die tatsächlichen Aufwendungen geltend zu machen oder das gesetzliche Betriebsausgabenpauschale (§ 17 EStG 1988) anzusprechen. Die Beschwerdeführerin beruft sich darauf, dass die Geltendmachung des Betriebsausgabenpauschales unterlassen worden sei. Die Beseitigung der Folgen einer Unterlassung der Geltendmachung von Betriebsausgaben, sei es auf Grund Unkenntnis gesetzlicher Vorschriften oder auf Grund unzutreffender rechtlicher Würdigung, durch die Beschwerdeführerin kann nicht durch die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgen. Das Wiederaufnahmeverfahren hat nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei im Verwaltungsverfahren zu sanieren, sondern soll die Möglichkeit bieten, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen. Die Auffassung der belangten Behörde, die Wiederaufnahme nach § 303 BAO diene nicht dazu, fehlende formale Tatbestandselemente nachträglich zu erfüllen, ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 28. Oktober 2009
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