Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer bezieht als Arzt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Berechtigung zur amtswegigen Wiederaufnahme der Besteuerungsverfahren betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 2002 bis 2004 strittig.
Die Wiederaufnahmebescheide ergingen auf der Grundlage eines gemäß § 150 BAO erstatteten Berichtes vom 6. Februar 2006 über das Ergebnis einer Außenprüfung beim Beschwerdeführer. Zur Wiederaufnahme des Verfahrens verwies die Prüferin unter Tz. 29 des Berichtes auf die für den Zeitraum 2002 bis 2004 unter Tz. 12- 14 (Umsatzsteuer) und unter Tz. 12, 14, 18- 22, 24 (Einkommensteuer) getroffenen Feststellungen.
Gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren richtete sich die Berufung des Beschwerdeführers vom 15. Februar 2006. In dieser stellte sich der Beschwerdeführer auf den Standpunkt, dass die Prüferin "auf Grund ihrer persönlichen Lebensumstände und nach Rücksprache mit meiner Standesvertretung" gemäß § 76 Abs. 1 lit. c BAO als befangen anzusehen sei. Damit seien die Prüfungsfeststellungen "nicht relevant und der Wiederaufnahme fehlt somit die Rechtsgrundlage".
Mit Berufungsvorentscheidung vom 3. März 2006 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Aus den Akten und dem im Betriebsprüfungsbericht dokumentierten Prüfungsverfahren ergäben sich keinerlei Anhaltspunkte zur Vermutung einer Befangenheit. Sachliche Bedenken gegen das Ergebnis des durchgeführten Abgabenverfahrens (etwa zum Vorliegen der Wiederaufnahmegründe) seien auch nicht vorgebracht worden.
Der Beschwerdeführer beantragte mit Schriftsatz vom 13. April 2006 die Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. In einem zur Begründung eingebrachten ergänzenden Schriftsatz vom 24. Mai 2006 rügte der Beschwerdeführer das Unterbleiben einer Schlussbesprechung im Rahmen der abgabenbehördlichen Prüfung. Die Prüfungsfeststellungen für die Streitjahre 2002 bis 2004 beträfen, neben sonstigen geringfügigen Aufwandskürzungen, vor allem die Erhöhung von Privatanteilen und eine Aktivierung von "Beratungskosten". "All diese Punkte" hätten im Rahmen einer Schlussbesprechung leicht ausgeräumt werden können, sodass die Verletzung der Verfahrensvorschrift, eine Schlussbesprechung abzuhalten, wesentlich sei und zu einer Aufhebung der bekämpften Bescheide führen müsse. Darüber hinaus erschöpften sich die Begründungen der Bescheide zur Wiederaufnahme der Verfahren in "allgemein bekannten Leerformeln".
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nach Durchführung einer Berufungsverhandlung hinsichtlich der Wiederaufnahme der Verfahren für die Jahre 2002 bis 2004 keine Folge (der ebenfalls gegen die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens für das Jahr 2001 erhobenen Berufung gab die belangte Behörde unter einem statt).
Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, es sei zu prüfen, ob das Verfahren aus den vom Finanzamt gebrauchten Gründen wieder aufgenommen werden durfte. Der Einwand des Beschwerdeführers, es sei keine Schlussbesprechung im Sinne des § 149 BAO durchgeführt worden, sei schon deshalb unerheblich, weil selbst das Unterbleiben einer solchen Besprechung keinen zur Aufhebung des Bescheides führenden Verfahrensmangel darstelle, wenn dem Grundsatz des Parteiengehörs materiell Rechnung getragen worden sei. Die Prüfungsfeststellungen seien dem Beschwerdeführer jedenfalls in Form des über das Ergebnis der Prüfung erstellten Berichtes zur Kenntnis gebracht worden. Es sei nicht zu erkennen, weshalb die in der Ergänzung zum Vorlageantrag angesprochenen Punkte nur im Rahmen einer Schlussbesprechung hätten ausgeräumt werden können. Außerdem habe die im Betriebsprüfungsverfahren für den Beschwerdeführer eingeschrittene steuerliche Vertreterin durch ihre Unterschrift auf der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 31. Jänner 2006 nicht nur deren Erhalt bestätigt, sondern auch, dass die in der Niederschrift angeführten Prüfungsfeststellungen ausführlich besprochen worden seien.
Der Einwand des Beschwerdeführers, die Begründungen der erstinstanzlichen Bescheide beschränkten sich auf so genannte Leerformeln, sei nicht berechtigt. Aus dem Verweis unter Tz. 29 des Prüfungsberichtes zur Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren für die Jahre 2002 bis 2004 auf die Tz. 12 bis 14 ergebe sich, dass im Zuge der Betriebsprüfung die Tatsache, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 2002 bis 2004 steuerpflichtige Umsätze aus einer Gutachtertätigkeit erzielt habe, neu hervorgekommen sei (während in den Steuererklärungen noch sämtliche Umsätze als steuerfrei behandelt worden seien). Dass diese Feststellung zu Unrecht getroffen worden sei, behaupte der Beschwerdeführer nicht einmal. Aus dem Verweis in Tz. 29 u.a. auf die Tz. 18, 20 und 21 seien zur Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren für die Jahre 2002 bis 2004 nachvollziehbar jene Punkte abzuleiten, die zu einer Änderung der Bemessungsgrundlagen bei der Einkommensteuer geführt hätten. Diese Umstände stellten als neu hervorgekommene Tatsachen einen tauglichen Grund für eine Wiederaufnahme des Verfahrens dar. Dass die Außenprüfung diese Feststellungen zu Unrecht getroffen habe, werde vom Beschwerdeführer ebenfalls nicht behauptet. Vom Beschwerdeführer werde auch nicht aufgezeigt, dass dem Finanzamt bereits im wiederaufzunehmenden Verfahren der jeweilige Sachverhalt soweit offengelegt gewesen sei, dass das Finanzamt bereits in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Auch aus den vorliegenden Akten lasse sich derartiges nicht entnehmen. So sei es beispielsweise nicht aktenkundig, dass der Beschwerdeführer im wiederaufzunehmenden Verfahren "die näheren Umstände im Zusammenhang mit den geltend gemachten Ausgaben für freiwilligen Sozialaufwand, Ordinationsjubiläum, Fachliteratur, Fracht und geringwertige Wirtschaftsgüter oder die für die Beurteilung des Privatanteils an den Ausgaben für Energie, Telefon oder PKW maßgeblichen Verhältnisse vollständig dargelegt hätte". Es bestünden weiters keine Anhaltspunkte dafür, dass die von der Außenprüfung auf den betrieblichen Bankkonten festgestellten Betriebseinnahmen oder eine Fehlbuchung eines Portos dem Finanzamt bereits im wiederaufzunehmenden Verfahren bekannt gewesen seien.
Die Begründung zur Ermessensübung unter Tz. 30 des Prüfungsberichtes, wonach dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen gewesen sei, sei ausreichend. Der Beschwerdeführer habe auch nichts vorgebracht, was gegen die Richtigkeit dieser Ermessensübung sprechen könnte. Die Erhöhungen der Umsatzsteuerbemessungsgrundlagen und der Gewinne der einzelnen Jahre könnten auch nicht als bloß geringfügig bezeichnet werden. Dadurch, dass der Beschwerdeführer umsatzsteuerpflichtige (und als solche auch in Rechnung gestellte) Erlöse in seinen Umsatzsteuererklärungen als steuerfrei behandelt habe, habe er zudem ein Verhalten gesetzt, das ein berücksichtigungswürdiges Interesse an einer Aufrechterhaltung der Rechtskraft der Umsatzsteuerbescheide nicht begründen könne.
Der in der Berufung gegen die Prüferin erhobene Vorwurf der Befangenheit sei schon deshalb unberechtigt, weil der Beschwerdeführer keine Umstände aufgezeigt habe, die geeignet gewesen wären, die Unbefangenheit der Prüferin in Zweifel zu ziehen.
In der dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem "Recht auf Nichtwiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommen- und Umsatzsteuer 2002 bis 2004" verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer erhebt in der Beschwerde zunächst auch den Vorwurf einer Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde.
Der Beschwerdeführer bringt vor, nach der im Internet elektronisch bereitgestellten, am 1. April 2008 verlautbarten Geschäftsverteilung der belangten Behörde sei der Senat 8 des Außenstelle Wien zur Entscheidung über die Berufung zuständig gewesen. Auf der Niederschrift über den Verlauf der mündlichen Verhandlung vom 9. April 2008 sei allerdings der Senat 18 ausgewiesen, während aus dem angefochtenen Bescheid hervorgehe, dass dieser vom Senat 8 ausgefertigt worden sei. Weil das gemäß § 287 Abs. 3 BAO anzufertigende Beratungsprotokoll über die Beschlussfassung der belangten Behörde gemäß § 90 Abs. 2 BAO von der Akteneinsicht ausgeschlossen sei, könne der Beschwerdeführer nicht überprüfen, welcher Senat über die Berufung entschieden habe. Es werde daher der Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen zu prüfen haben, ob nicht ein "unzuständiger Berufungssenat die Berufung verhandelt, darüber beraten und abgestimmt und damit erledigt hat".
Es trifft zwar zu, dass im Kopf der Niederschrift über den Verlauf der mündlichen Berufungsverhandlung vom 9. April 2008 die Bezeichnung "Außenstelle Wien Senat 18" aufscheint. Aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten (auch aus der in der Beschwerde angesprochenen Niederschrift über die Beratung und Abstimmung zur Berufungsverhandlung vom 9. April 2008) ergibt sich jedoch zweifelsfrei, dass der nach der Geschäftsverteilung zuständige Senat 8 über die Berufung entschieden hat und die Bezeichnung in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung - wie auch in der Gegenschrift ausgeführt wird - offensichtlich auf einem Versehen beruht.
In der Beschwerde wird weiters eine unrichtige Besetzung des Berufungssenates geltend gemacht. Aus der Geschäftsverteilung ergebe sich, dass das von der Arbeiterkammer Niederösterreich entsendete Mitglied des erkennenden Senates (der Nummerierung nach) nur als drittes Mitglied des Senates aufscheine. Die am 9. April 2008 (unmittelbar vor der mündlichen Berufungsverhandlung) vom Beschwerdevertreter vorgenommene Akteneinsicht habe allerdings keinen aktenkundigen Nachweis auf die Verhinderung der in der Geschäftsverteilung zuvor gereihten Mitglieder des Senates 8 ergeben. Damit sei das dritte Mitglied nicht befugt gewesen, an der Entscheidung mitzuwirken, was eine unrichtige Senatsbesetzung und damit eine Unzuständigkeit der belangten Behörde zur Folge habe.
In der - vom Beschwerdeführer unwidersprochen gebliebenen - Gegenschrift führt die belangte Behörde dazu aus, dass der Beschwerdevertreter vor der Berufungsverhandlung in den vom Referenten geführten Rechtsmittelakt Einsicht genommen habe. Darin seien allerdings die von der Senatssachbearbeiterin geführten Protokolle über die Feststellung der Verhinderung entsendeter Mitglieder nicht abgelegt. Aus diesem Protokoll ergebe sich für den konkreten Fall, dass die beiden erstgereihten Mitglieder verhindert gewesen seien, sodass auch im Sinne des Punktes 3.2.6 der Geschäftsverteilung aktenkundig belegt sei, dass das drittgereihte Mitglied einzuberufen gewesen sei.
Da dieses Vorbringen der belangten Behörde im Inhalt der vorgelegten Akten (insbesondere der darin enthaltenen Ablichtung des erwähnten Protokolls) Deckung findet, vermag der Beschwerdeführer auch in diesem Punkt keine Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuzeigen.
Die Bestimmung des § 149 BAO über die nach Beendigung der abgabenbehördlichen Prüfung abzuhaltende Schlussbesprechung stellt keinen Selbstzweck dar, sondern dient der Wahrung des Parteiengehörs (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 2. Juni 2004, 2001/13/0229, und vom 11. Mai 2005, 2001/13/0039). Es bildet keinen Verfahrensmangel, wenn dem Abgabepflichtigen bei Unterlassen der Schlussbesprechung auf andere Weise die erforderlichen Auskünfte über die Feststellungen des Prüfers, damit über die Ergebnisse der Prüfung gegeben werden, etwa durch Zustellung des Prüfungsberichtes (§ 150 BAO) und damit vor Erlassung der abschließenden Sachbescheide die Möglichkeit einer wirksamen Stellungnahme - wenn auch erst im Berufungsverfahren - eingeräumt wird (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 1660, mit Hinweis u.a. auf das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 1971, 1924/70, ÖStZB 1972, 1).
In der Beschwerde wird vorgebracht, dem Vorhalt der belangten Behörde, wonach dem Beschwerdeführer die "Prüfungsfeststellungen" jedenfalls in Form des über das Ergebnis der Prüfung erstellten Berichtes zur Kenntnis gebracht worden seien und sich dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht habe entnehmen lassen, warum die angesprochenen Punkte nur im Rahmen einer Schlussbesprechung hätten ausgeräumt werden können, sei entgegen zu halten, dass der Beschwerdeführer sowohl im Vorlageantrag als auch anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung substantiierte Einwendungen gegen die "Feststellungen" erstattet habe.
Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.
In der Berufung hat der Beschwerdeführer ausschließlich die - in der Beschwerde auch nicht mehr weiter verfolgte - Befangenheit des Prüfungsorganes ins Spiel gebracht. In der Begründung zum Vorlageantrag vom 24. Mai 2006 beschränkte sich der Beschwerdeführer im Wesentlichen darauf, den von ihm gesehenen Verfahrensmangel des Unterbleibens der Schlussbesprechung aufzuzeigen, ohne dessen Relevanz konkret darzulegen. Auch das in der Berufungsverhandlung erstattete Vorbringen beschäftigte sich in der Hauptsache mit dem allgemeinen Aufzeigen von Verfahrensmängeln (insbesondere wiederum zum Unterbleiben der Schlussbesprechung). Nur betreffend "den betragsmäßig größten Punkt, die Tz. 19 betreffend Aktivierung der Beratungskosten" wurde geltend gemacht, dass die in dieser Tz. geäußerte Rechtsansicht der Prüferin "mit Sicherheit unrichtig" sei.
Wenn sich damit die belangte Behörde nicht mehr weiter mit den "Einwendungen" des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren auseinander setzte, zumal sie im angefochtenen Bescheid die Wiederaufnahme der Verfahren allein wegen der von der Prüferin zu den Tz. 12, 18, 20 und 21 getroffenen Feststellungen als begründet ansah, kann ihr auch kein Vorwurf gemacht werden. Das erstmals in der Beschwerde zu den Tz. 12, 18, 20 oder 21 enthaltene Vorbringen, das die dort getroffenen Feststellungen in Zweifel zu ziehen und daraus auch eine Rechtswidrigkeit der Wiederaufnahmebescheide abzuleiten versucht, unterliegt somit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren dem Neuerungsverbot nach § 41 Abs. 1 VwGG.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet. Sie war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, wobei von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof nach § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden konnte.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 23. November 2011
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