VwGH 2008/12/0022

VwGH2008/12/002210.3.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khorramdel, in der Beschwerdesache des MMag. J W in F, vertreten durch Dr. Harald Burmann, Dr. Peter Wallnöfer und Dr. Roman Bacher, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Meraner Straße 1, gegen den Bundesminister für Finanzen wegen Verletzung der Entscheidungspflicht i.A. Akteneinsicht, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §13a;
AVG §17;
B-VG Art132;
VwGG §27;
AVG §13a;
AVG §17;
B-VG Art132;
VwGG §27;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Hofrat in einem öffentlichrechtlichen (Aktiv-)Dienstverhältnis zum Bund und beim Finanzamt I in Verwendung.

In seiner am 30. Jänner 2008 eingebrachten Säumnisbeschwerde gegen die belangte Behörde wegen "Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Dienstrechtsangelegenheit" bringt er Folgendes vor (Hervorhebungen im Original, Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof; gilt auch für nachfolgende Wiedergabe):

"Beschwerdepunkt:

Ich erachte mich dadurch, dass die belangte Behörde durch mehr als sechs Monate über meine Anträge vom 02. Mai 2005, ergänzt und wiederholt am 06. Juni 2005, gerichtet an das Finanzamt I als Dienstbehörde betreffend Akteneinsicht in den gesamten Personalakt samt sämtlichen Nebenakten und Aktenteilen, Aktenvermerken und Besprechungsprotokollen in Bezug auf den Beschwerdeführer beim Finanzamt I, der Steuer- und Zollkoordination West und des Bundesministeriums für Finanzen und nach Stellung eines Devolutionsantrages vom 05. Feber 2007 gerichtet an die übergeordnete Dienstbehörde, dem Bundesminister für Finanzen, nicht entschieden hat, in meinen Rechten auf Sachentscheidung als verletzt.

Sachverhalt:

Mit den Anträgen vom 02. Mai 2005 und 06. Juni 2005 an das Finanzamt I als Dienstbehörde wurde gem. § 17 AVG Akteneinsicht in den gesamten Personalakt samt sämtlichen Nebenakten und Aktenteilen, Aktenvermerken und Besprechungsprotokollen betreffend den Beschwerdeführer begehrt. Diesem Antrag wurde bisher nicht entsprochen und keine Sachentscheidung getroffen.

Seit dem Devolutionsantrag vom 05. Februar 2007 (eingelangt im Bundesministerium für Finanzen am 13. Februar 2007) betreffend die Erlassung eines Feststellungsbescheides hinsichtlich Akteneinsicht in vollem Umfang (den gesamten Personalakt samt sämtlichen Nebenakten und Aktenteilen, Aktenvermerken und Besprechungsprotokollen in Bezug auf den Beschwerdeführer beim Finanzamt I, der Steuer- und Zollkoordination West und des Bundesministeriums für Finanzen) sind mehr als sechs Monate verstrichen, sodass die übergeordnete Dienstbehörde, das Bundesministerium für Finanzen, der gesetzlichen Entscheidungspflicht gem. § 73 Abs. 1 AVG nicht nachgekommen ist.

Durch Vorlage meiner Anträge auf Akteneinsicht, den Devolutionsantrag vom 05. Feber, sowie den bekannten Aktenvorgängen bis 06. Juli 2007 mache ich glaubhaft, dass seit dem Einlangen meiner Anträge auf Akteneinsicht und des Devolutionsantrages vom 5. Februar 2007 beim Bundesministerium für Finanzen die Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG bzw. des § 27 VwGG von sechs Monaten verstrichen ist.

Es wird daher gestellt

Antrag

der Verwaltungsgerichtshof wolle in Stattgebung meiner Säumnisbeschwerde in der Sache selbst erkennen und der Dienstbehörde auftragen die beantragte Akteneinsicht in vollem Umfang zu gewähren.

Das Bundesministerium für Finanzen möge in jedem Fall zur Leistung von Aufwandersatz gem. §§ 47 ff VwGG binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution verhalten werden."

Dieser Säumnisbeschwerde war neben den genannten Eingaben vom 2. Mai und 6. Juni 2005 u.a. auch eine Ablichtung des genannten Devolutionsantrages vom 5. Februar 2007 angeschlossen, der folgenden Inhalt aufweist:

"Betrifft:

Akteneinsicht in den gesamten Personalakt ... betreffend den Beschwerdeführer ...; Devolutionsantrag

Zur Vorbereitung des Besprechungstermines am 19. Mai 2005 im Bundesministerium für Finanzen wurde bereits am 02. Mai 2005 Akteneinsicht in sämtliche Akten ... gem. § 17 AVG beantragt. Am 17. Mai 2005 wurde mir Akteneinsicht in den Personalakt (ein blauer Bene-Ordner) durch das Finanzamt I gewährt.

Dabei wurde ausdrücklich betont, dass darüber hinaus gehende Akten nicht bekannt bzw. von der Personalabteilung nicht zur Einsicht vorgelegt worden seien.

Anlässlich der Besprechung im Ministerium stellte sich heraus, dass, wie von GL Dkfm. E. M. unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wurde, offensichtlich irgendwelche Akten, Aktenteile und/oder Dossiers über den Beschwerdeführer vorliegen, die ein 'unverträgliches Verhalten' dokumentieren sollten.

Seit meinem Antrag auf Akteneinsicht in vollem Umfang in sämtliche Akten, Aktenteile und/oder Dossiers sowie in allfällige Nebenakten und Schriftstücke meine Person betreffend wurde mir eine derartige Akteneinsicht vom Finanzamt I nicht gewährt, noch eine Entscheidung darüber getroffen, dass die begehrte vollständige und allumfassende Akteneinsicht aus welchen Gründen immer nicht gewährt werde.

Seit der Antragstellung sind mehr als sechs Monate verstrichen, sodass die Behörde der gesetzlichen Entscheidungspflicht gem. § 73 Abs. 1 AVG nicht nachgekommen ist.

Ich stelle daher den

Antrag

das Bundesministerium für Finanzen solle als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im vorliegenden Fall gem. § 73 AVG in der Sache selbst entscheiden und Akteneinsicht in sämtliche Akten, Aktenteile und/oder Dossiers sowie in allfällige Nebenakten und Schriftstücke, wie begehrt, gem. § 17 AVG gewähren."

Mit Verfügung vom 19. Februar 2008 trug der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG auf, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides sowie eine Kopie des Nachweises über die Zustellung des Bescheides an den Beschwerdeführer dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt, und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

Die belangte Behörde legte Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Zurückweisung der vorliegenden Säumnisbeschwerde unter Zuerkennung von Aufwandersatz beantragt. Der Beschwerdeführer habe in seinem Devolutionsantrag vom 5. Februar 2007, der nur auf den Antrag vom 2. Mai 2007 verweise, ausschließlich die faktische Gewährung der Akteneinsicht beantragt. Im Gegensatz zum tatsachenwidrigen Vorbringen der Säumnisbeschwerde sei weder im Antrag vom 2. Mai 2005 noch im Devolutionsantrag vom 5. Februar 2007 die Erlassung eines Feststellungsbescheides beantragt worden. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass auch der Antrag auf Akteneinsicht vom 6. Juni 2005 keinen Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides beinhaltet habe. Durch die erwähnten Anträge sei daher keine Pflicht der belangten Behörde nach § 73 AVG ausgelöst worden, eine Sachentscheidung über die beantragte - und ohnehin gewährte - Akteneinsicht zu treffen. Der Beschwerdeführer habe sohin nicht in dem von ihm geltend gemachten Recht auf Sachentscheidung verletzt werden können. Für die belangte Behörde habe keine Pflicht zu einer Sachentscheidung bestanden, sodass eine solche auch nicht habe verletzt werden können. Die vorliegende Säumnisbeschwerde wäre daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

In seiner "Stellungnahme zur Gegenschrift" vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, durch den wiederholten Antrag auf Akteneinsicht in vollem Umfang und dem im Devolutionsantrag gestellten Antrag mit Bezugnahme auf § 73 AVG sei ein für jedermann unmissverständlich gestellter Antrag an die belangte Behörde eingebracht worden. Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde, dass kein Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides begehrt worden sei, seien sehr wohl gestellte und wiederholte Anträge auf Akteneinsicht vorgelegen, die auch ausreichend substantiiert und sohin rechtserheblich gewesen seien. Durch das Nichtgewähren der beantragten Akteneinsicht sei faktisch und real eine solche verweigert worden. Jedenfalls hätte die belangte Behörde auf Grund seiner aus dem gesamten Verhalten im gegenständlichen Verfahren erkennbaren Absicht, sich mit der Vorlage lediglich von Aktenteilen des Personalaktes beziehungsweise Nichtvorlage von entfernten Aktenteilen nicht abzufinden, die durch den Devolutionsantrag auch in geeigneter Weise kundgetan worden sei, "unter Anwendung der Manuduktionspflicht eine sachgerechte Entscheidung treffen müssen".

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegen die Voraussetzungen für eine Beschwerdeführung nach Art. 132 B-VG in Verbindung mit § 27 VwGG dann nicht vor, wenn die Verpflichtung der belangten Behörde nicht auf die Erlassung einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung (eines Bescheides), sondern auf die Ausstellung einer Bescheinigung (Beurkundung) oder auf eine sonstige Leistung, wie etwa die Erteilung einer Auskunft oder die Gewährung von Akteneinsicht gerichtet ist. Der Verwaltungsgerichtshof kann aus dem Titel der Verletzung der Entscheidungspflicht nur dann angerufen werden, wenn eine Behörde mit einer gegenüber der Partei zu erlassenden Sachentscheidung in Verzug geblieben ist. Ein tatsächliches Verhalten - etwa die Gewährung von Akteneinsicht - könnte vom Verwaltungsgerichtshof in Stattgebung der Säumnisbeschwerde nicht an Stelle der belangten Behörde gesetzt werden. Das Verlangen nach Setzung eines tatsächlichen Vorganges für sich genommen löst keine Verpflichtung der Behörden zur Erlassung einer Sachentscheidung aus, eine solche tritt vielmehr erst dann ein, wenn die Behörde durch konkrete Handlungen oder Unterlassungen die Akteneinsicht real verweigert (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 31. März 2006, Zl. 2004/12/0174, mwN).

Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend aufzeigt, hatte der Beschwerdeführer - entgegen seinem Vorbringen in seiner Säumnisbeschwerde - im Verwaltungsverfahren ausschließlich die Gewährung von Akteneinsicht begehrt. Auch dem Devolutionsantrag vom 5. Februar 2007, wonach die belangte Behörde gemäß § 73 AVG "in der Sache selbst entscheiden und Akteneinsicht ... gewähren" solle, kann nicht die Bedeutung beigemessen werden, dass damit ein - überdies noch gar nicht vor der Dienstbehörde erster Instanz erhobenes - Begehren auf Erlassung eines Bescheides über die Akteneinsicht auf die belangte Behörde übergehen sollte. Damit bestand für die belangte Behörde keine vom Beschwerdeführer in seiner Säumnisbeschwerde ausschließlich geltend gemachte Verpflichtung zur Erlassung eines Bescheides über die Gewährung oder Versagung von Akteneinsicht, sodass eine solche Pflichtverletzung auch nicht im Wege der Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof herangetragen werden konnte. Umgekehrt kann der Verwaltungsgerichtshof nach dem eingangs Ausgeführten nicht in Stattgebung der Säumnisbeschwerde an Stelle der belangten Behörde ein tatsächliches Verhalten, nämlich die Gewährung von Akteneinsicht, setzen.

Die in der Stellungnahme zur Gegenschrift aufgeworfene Frage, ob die belangte Behörde in Ansehung der im Verwaltungsverfahren erhobenen Anträge verpflichtet gewesen wäre, den Beschwerdeführer zu manuduzieren, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil für die Frage der Verletzung einer Entscheidungspflicht nur das von der Partei im Verwaltungsverfahren tatsächlich erhobene Begehren maßgebend ist, nicht jedoch ein möglicherweise aus Anlass einer Manuduktion zu erst zu erhebendes.

Da die belangte Behörde keine Pflicht zu einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung (Erlassung eines Bescheides) getroffen hatte und sie demnach eine solche auch nicht verletzen konnte, war die vorliegende Säumnisbeschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere ihren § 3 Abs. 2.

Wien, am 10. März 2009

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