VwGH 2008/11/0099

VwGH2008/11/009927.6.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der V-Gesellschaft mbH in W, vertreten durch Mag. Dr. Erhard Buder und DDr. Gabriele Herberstein, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Lerchenfelderstraße 94, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. April 2008, Zl. MA 62 - III/9146/05, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1332;
AVG §13 Abs3;
AVG §71 Abs1 Z1;
ABGB §1332;
AVG §13 Abs3;
AVG §71 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 27. September 2007, Zl. 2007/11/0166, verwiesen. Demnach wurde die beschwerdeführende Partei mit Kostenbescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 - Rechnungsamt (MA 6), vom 22. Juni 2004 (der beschwerdeführenden Partei zugestellt am 29. Juni 2004) gemäß § 11 Abs. 1 VVG zur Zahlung insbesondere der durch eine Ersatzvornahme entstandenen Kosten von EUR 4.135,96 verpflichtet. Das von der beschwerdeführenden Partei an die MA 6 gerichtete Schreiben vom 30. Juni 2004 ist im zitierten Erkenntnis wörtlich wiedergegeben und stellt nach den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses keine Berufung dar.

Mit Schreiben vom 20. Oktober 2004 stellte die beschwerdeführende Partei den nachfolgend näher umschriebenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dieser Antrag, soweit er "zur Korrektur des Bescheiddatums in der mit Schreiben vom 30.06.2004 erhobenen Berufung, sodass nunmehr das Datum des in der Berufung bzw. angefochtenen Bescheides lautet auf 22.06.2004" erhoben wurde, gemäß § 71 Abs. 1 AVG zurückgewiesen und, soweit der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung einer Berufung gegen den Bescheid vom 22. Juni 2004 erhoben wurde, gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG abgewiesen.

In der Begründung führte die belangte Behörde - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, die beschwerdeführende Partei habe ihren Antrag damit begründet, dass sie im genannten Schreiben vom 30. Juni 2004 an die MA 6 den anzufechtenden Bescheid vom 22. Juni 2004 auf Grund eines Irrtums nicht bezeichnet habe. Dieser Irrtum sei dadurch entstanden, dass sie bei der Verfassung des Schreibens vom 30. Juni 2004 einen inhaltsgleichen Text aus einer vorangegangenen schriftlichen Stellungnahme an die MA 6 vom 4. März 2004 übernommen habe. Nach dem Kopieren dieses Textes habe sie jedoch versehentlich die erste Zeile bzw. den ersten Satz nicht richtig gestellt. Im Schreiben vom 30. Juni 2004 sei jedoch die Geschäftszahl des anzufechtenden Bescheides genannt worden, sodass dieses Schreiben für die Behörde offensichtlich als Berufung gegen den Bescheid vom 22. Juni 2004 erkennbar gewesen sei. Dass sie beim Kopieren des Textes in das Schreiben vom 30. Juni 2004 übersehen habe, den anzufechtenden Bescheid zu benennen und mit dem richtigen Datum zu bezeichnen, stelle lediglich einen minderen Grad des Versehens dar.

Dem hielt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zunächst entgegen, dass der Inhalt des Schreibens vom 30. Juni 2004 in keiner Weise eine Berufung habe erkennen lassen. Da der anzufechtende Bescheid vom 22. Juni 2004 eine Rechtsmittelbelehrung über die notwendigen Teile einer Berufung enthalten habe, sei es dem vertretungsbefugten Organ der beschwerdeführenden Partei durchaus zumutbar gewesen, eine entsprechende Berufung zu verfassen. Insbesondere sei von einer vertretungsbefugten Person zu erwarten, dass sie ein Schreiben wie jenes vom 30. Juni 2004 auf dessen inhaltliche Richtigkeit und Vollständigkeit kontrolliere, bevor es unterfertigt werde. Entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Partei beruhe der Irrtum daher nicht bloß auf einem minderen Grad des Versehens im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung einer Berufung sei daher abzuweisen gewesen. Soweit sich dieser Antrag auf die Korrektur von Fehlern in einem bereits eingebrachten Schriftsatz und nicht auf die Nachholung einer versäumten Prozesshandlung beziehe, sei der Antrag mangels Rechtsgrundlage zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG (fallbezogen ist nur diese Ziffer relevant) ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, unter E. 96 zu § 71 AVG referierte hg. Judikatur).

Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid zwar seinem Umfang nach zur Gänze, sie führt aber gegen den den Antrag zurückweisenden Teil dieses Bescheides keine Gründe ins Treffen, die eine Rechtswidrigkeit dieses Spruchteiles erkennen ließen. Im Hinblick auf § 71 AVG ist es daher nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "zur Korrektur" eines Schreibens als unzulässig zurückgewiesen hat.

Gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages, soweit er als gegen die Versäumung der Berufungsfrist erhoben anzusehen ist, macht die beschwerdeführende Partei zusammengefasst geltend, die MA 6 hätte den Irrtum im Schreiben vom 30. Juni 2004 erkennen und dieses Schreiben daher der beschwerdeführenden Partei gemäß § 13 Abs. 3 AVG zur Verbesserung zurückstellen müssen. Die beschwerdeführende Partei habe erst auf Grund der ersten Vollstreckungsverhandlung vom 11. Oktober 2004 erkannt, dass ihr Schreiben vom 30. Juni 2004 nicht als Berufung gewertet worden sei. Der Fehler in diesem Schreiben, der durch die Übernahme eines inhaltsgleichen Textes eines seinerzeitigen Schreibens vom 4. März 2004 unterlaufen sei, beruhe auf einem minderen Grad des Versehens, zumal die beschwerdeführende Partei bei der Verfassung dieses Schreibens rechtlich nicht vertreten gewesen sei. Die beschwerdeführende Partei vertrete daher zusammengefasst den Standpunkt, dass die Angabe eines unrichtigen Bescheiddatums sowie das Fehlen eines Berufungsantrages im Schreiben vom 30. Juni 2004 bloß als ein minderer Grad des Versehens zu werten seien.

Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde nicht in Zweifel gezogen, dass ein Irrtum der beschwerdeführenden Partei ausschlaggebend dafür war, dass das Schreiben vom 30. Juni 2004 nicht als Berufung gegen den Bescheid vom 22. Juni 2004 verfasst wurde. Vielmehr ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass die beschwerdeführende Partei ein nicht bloß minderer Grad des Versehens an der Versäumung der Berufungsfrist trifft.

Diese Ansicht ist nicht als rechtswidrig zu erkennen:

Soweit die beschwerdeführende Partei meint, die Erstbehörde (MA 6) hätte das Schreiben vom 30. Juni 2004 als Berufung erkennen und dieses Schreiben gemäß § 13 Abs. 3 AVG an die beschwerdeführende Partei zur Verbesserung zurückstellen müssen, steht diese Auffassung im Widerspruch zum zitierten hg. Erkenntnis Zl. 2007/11/0166. Dort hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, aus dem Inhalt des in Rede stehenden Schreibens vom 30. Juni 2004 ergebe sich nicht, dass die beschwerdeführende Partei überhaupt eine Berufung habe erheben wollen, zumal dieses Schreiben - abgesehen von der fehlenden Bezeichnung des anzufechtenden Bescheides vom 22. Juni 2004 - auch keinen Berufungsantrag enthalten habe. Daher kann sich die beschwerdeführende Partei nicht auf die Rechtsansicht stützen, sie habe darauf vertrauen können, dass die Behörde das Schreiben vom 30. Juni 2004 als Berufung erkenne und ihr zur Verbesserung zurückstellen werde, sodass sie, weil ein Auftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG unterblieben sei, die Berufungsfrist nur aus einem minderen Grad des Versehens versäumt habe.

Dem Hauptargument der beschwerdeführenden Partei, es stelle kein schweres Verschulden dar, wenn sie nach dem Einfügen einer früheren Stellungnahme in das Schreiben vom 30. Juni 2004 vergessen habe, in diesem Schreiben den anzufechtenden Bescheid zu benennen und einen Berufungsantrag hinzuzufügen, hat die belangte Behörde zutreffend entgegen gehalten, die beschwerdeführende Partei habe einerseits auf Grund der Rechtsmittelbelehrung des anzufechtenden Bescheides auch ohne Rechtsvertretung die notwendigen Bestandteile einer Berufung kennen müssen und sie hätte andererseits vor dem Abfertigen eines von ihr als Berufung beabsichtigten Schreibens den Inhalt desselben zumindest auf die in der Rechtsmittelbelehrung genannten Voraussetzungen kontrollieren müssen.

Der Rechtsansicht der belangten Behörde, die beschwerdeführende Partei habe die Berufungsfrist aus einem nicht bloß minderen Grad des Versehens versäumt, ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Da somit bereits das Beschwerdevorbringen zeigt, dass dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 27. Juni 2008

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