VwGH 2008/11/0012

VwGH2008/11/001224.5.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde der B GmbH in B, vertreten durch Dr. Georg Maxwald und Dr. Georg Bauer, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Museumstraße 6-8, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten vom 17. Dezember 2007, Zl. 41.550/1028-9/07, betreffend Vorschreibung einer Ausgleichstaxe nach § 9 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG), zu Recht erkannt:

Normen

BEinstG §5 Abs1;
BEinstG §7;
BEinstG §9;
BEinstG §5 Abs1;
BEinstG §7;
BEinstG §9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin nach § 9 BEinstG für das Kalenderjahr 2006 eine Ausgleichstaxe in Höhe von EUR 618,-- vorgeschrieben.

Die belangte Behörde verneinte die allein strittige Frage, ob der begünstigte Behinderte H auf die Pflichtzahl nach § 5 BEinstG anzurechnen sei, mit der Begründung, der Genannte sei im relevanten Zeitraum von Oktober bis Dezember 2006 von der beschwerdeführenden Partei weder beschäftigt noch entlohnt worden, zumal das Dienstverhältnis zu ihm wegen Bezugs einer befristeten Berufsunfähigkeitspension karenziert worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1. Die maßgebenden Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970 idF BGBl. I Nr. 82/2005 (BEinstG), lauten - auszugsweise - wie folgt:

"Beschäftigungspflicht

§ 1. (1) Alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet 25 oder mehr Dienstnehmer (§ 4 Abs. 1) beschäftigen, sind verpflichtet, auf je 25 Dienstnehmer mindestens einen begünstigten Behinderten (§ 2) einzustellen.

...

Begünstigte Behinderte

§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. Österreichischen Staatsbürgern sind Flüchtlinge mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH, denen Asyl gewährt worden ist, gleichgestellt, solange sie zum dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind. Österreichischen Staatsbürgern sind weiters Staatsbürger von Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH gleichgestellt.

Berechnung der Pflichtzahl

§ 4. (1) Dienstnehmer im Sinne der Berechnung der Pflichtzahl sind:

a) Personen, die in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt werden (ausgenommen Lehrlinge);

b) Personen, die zum Zwecke der vorgeschriebenen Ausbildung für den künftigen, eine abgeschlossene Hochschulbildung erfordernden Beruf nach Abschluß dieser Hochschulbildung beschäftigt sind;

c) Heimarbeiter.

(2) Für die Feststellung der Gesamtzahl der Dienstnehmer (Abs. 1), von der die Pflichtzahl zu berechnen ist (§ 1), sind alle Dienstnehmer, die ein Dienstgeber im Bundesgebiet beschäftigt, zusammenzufassen.

(3) Für die Berechnung der Pflichtzahl sind von der gemäß Abs. 2 festgestellten Gesamtzahl der Dienstnehmer die beschäftigten begünstigten Behinderten (§ 2) und Inhaber von Amtsbescheinigungen oder Opferausweisen (§ 5 Abs. 3) nicht einzurechnen.

Erfüllung der Beschäftigungspflicht

§ 5. (1) Auf die Pflichtzahl sind die beschäftigten und nach § 7 entlohnten begünstigten Behinderten, begünstigte Personen nach § 2 Abs. 3 und Dienstgeber anzurechnen, bei denen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 zutreffen.

...

§ 7. Das Entgelt, das den im Sinne dieses Bundesgesetzes beschäftigten begünstigten Behinderten gebührt, darf aus dem Grunde der Behinderung nicht gemindert werden.

Ausgleichstaxe

§ 9. (1) Vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ist die Entrichtung einer Ausgleichstaxe alljährlich für das jeweils abgelaufene Kalenderjahr mittels Bescheides vorzuschreiben, wenn die Beschäftigungspflicht nicht erfüllt ist.

…"

2. Ausgehend von den unstrittigen Feststellungen ist der rechtlichen Beurteilung zu Grunde zu legen, dass der begünstigte Behinderte H, der bei der beschwerdeführenden Partei als Dienstnehmer beschäftigt war, seit 1. Oktober 2006 eine befristete Berufsunfähigkeitspension bezieht und seither das Dienstverhältnis der beschwerdeführenden Partei mit ihm karenziert ist; H wird seither von der beschwerdeführenden Partei nicht mehr beschäftigt und nicht mehr entlohnt.

3. Die beschwerdeführende Partei steht auf dem Standpunkt, es habe im relevanten Zeitraum weiterhin "ein aufrechtes Arbeitsverhältnis" mit H gegeben, zumal dieser bei der Sozialversicherung zwar abgemeldet worden sei, eine Abmeldung aber nur wegen Beendigung des Entgeltanspruches unter Angabe des Abmeldungsgrundes "Karenzierung auf Grund befristeter Pension" durchgeführt worden sei. Hingegen sei eine Abmeldung wegen des arbeitsrechtlichen Endes des Beschäftigungsverhältnisses nicht erfolgt und sei auch keine Endabrechnung vorgenommen worden. H sei nämlich seitens der Pensionsversicherungsanstalt darüber informiert worden, dass eine Auszahlung der ihm zuerkannten befristeten Berufsunfähigkeitspension zwar grundsätzlich nur mit dem Tag der formalen Beendigung der derzeitigen Tätigkeit erfolgen könne, aber auch dann, wenn ab Ende des Entgeltanspruches der Nachweis erbracht werde, dass für die weitere Dauer der befristeten Zuerkennung der Pension keine Arbeitsleistung erbracht werde. Daraufhin sei es zur einvernehmlichen Karenzierung des Dienstverhältnisses gekommen.

Unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1990, Zl. 90/09/0075, vertritt die beschwerdeführende Partei die Auffassung, die vom BEinstG geforderten Voraussetzungen für die Anrechnung auf die Pflichtzahl lägen damit im Beschwerdefall vor:

Ein aufrechtes Arbeitsverhältnis sei im Beschwerdefall angesichts der bloßen Karenzierung für die Dauer des befristeten Pensionsbezuges unstrittig gegeben. Ebenso unstrittig könne bei der über Ersuchen von H zur Ermöglichung des befristeten Pensionsbezuges zustande gekommenen Karenzierung wohl von keiner Diskriminierung beim Entgelt aus dem Grunde der Behinderung die Rede sein. Vielmehr trage die Vereinbarung einer Karenzierung im Beschwerdefall dem Schutzbedürfnis des begünstigten Behinderten in besonderer Weise Rechnung. Dieser müsste ansonsten sein Dienstverhältnis auflösen und sich des besonderen Kündigungsschutzes nach dem BEinstG begeben, um die befristet zuerkannte Berufsunfähigkeitspension beziehen zu können; er wäre aber - im Hinblick auf die bloße Befristung der Berufsunfähigkeitspension - dem Risiko von Arbeitslosigkeit ausgesetzt. Auf der Seite des Dienstgebers bewirke aber die Karenzierung auf Grund des Weiterbestehens des besonderen Kündigungsschutzes eine zusätzliche Belastung im Vergleich zur Beendigung des Dienstverhältnisses, die wie sonst bei der Einstellung von Behinderten eine Anrechnung auf ihr Pflichtzahl rechtfertige. Dass ein bloß befristeter Bezug einer Berufsunfähigkeitspension nicht dem Bezug von Geldleistungen wegen dauernder Berufsunfähigkeit gleichgesetzt werden könne, zeige im Übrigen auch § 2 Abs. 2 lit. c BEinstG.

4. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Im Beschwerdefall ist die Anzahl der Dienstnehmer (§ 4 Abs. 1 BEinstG), von der die Pflichtzahl - also die für die Erfüllung der Beschäftigungspflicht erforderliche Anzahl von Behinderten - zu berechnen ist, nicht strittig, sondern nur, ob H auch im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2006 weiterhin im Sinn des § 5 Abs. 1 BEinstG auf die Pflichtzahl anzurechnen war.

Nach § 5 Abs. 1 BEinstG sind auf die Pflichtzahl (u.a.) die "beschäftigten und nach § 7 entlohnten begünstigten Behinderten" anzurechnen.

Die beschwerdeführende Partei stellt nicht in Abrede, dass seit der "Karenzierung" des Dienstverhältnisses mit H dieser keine Arbeitsleistungen mehr für die beschwerdeführende Partei erbringt und seitens dieser kein Entgelt mehr bezieht. Um dem Erfordernis der Anrechnung auf die Pflichtzahl gerecht zu werden, ist einerseits Voraussetzung, dass der Betreffende "eingestellt" und beim Dienstgeber "beschäftigt" wird, andererseits, dass er nach § 7 BEinstG entlohnt wird (so ausdrücklich das von der beschwerdeführenden Partei zitierte hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1990, Zl. 90/09/0075).

Entgegen der von der beschwerdeführenden Partei vertretenen Auffassung entspricht die im Beschwerdefall vorliegende Konstellation nicht diesen gesetzlichen Erfordernissen; sie ist auch nicht mit der dem zitierten Beschwerdefall zu Grunde liegenden (der dortige Beschwerdeführer stand in einem aufrechten Dienstverhältnis, konnte aber wegen Krankheit keine Dienstleistungen erbringen und bezog - nach Auslaufen des Entgeltanspruchs - Krankengeld in voller Höhe) vergleichbar: Im Beschwerdefall haben sich die Parteien des Dienstvertrags, die beschwerdeführende Partei als Dienstgeber und der begünstigte Behinderte H als Dienstnehmer, im Hinblick auf den erwarteten Pensionsbezug, durch die "Karenzierung" einvernehmlich von den wechselseitigen Verpflichtungen aus dem Dienstvertrag entbunden. Dies ist nicht gleichzuhalten einer Erkrankung, die die weitere Dienstleistungserbringung aus in der Sphäre des Dienstnehmers gelegenen Gründen verhindert und - nach Auslaufen des Entgeltanspruchs des Dienstnehmers - zum Bezug von Krankengeld (in voller Höhe) führte.

Es kann der belangten Behörde daher nicht entgegen getreten werden, wenn sie zum Ergebnis gelangt ist, H sei im beschwerdegegenständlichen Zeitraum nicht auf die Pflichtzahl anzurechnen.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. Mai 2011

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