VwGH 2008/08/0062

VwGH2008/08/00622.7.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der R in Wien, vertreten durch Dr. Thomas Koller, Rechtsanwalt in 1180 Wien, Aumannplatz 1/Währingerstraße 162, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 7. November 2007, Zl. 2007-0566-9- 000592, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §9 Abs2 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §9 Abs2 idF 2004/I/077;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben der regionalen Geschäftsstelle Esteplatz des Arbeitsmarktservice Wien (in der Folge: AMS Esteplatz) wurde der Notstandshilfe beziehenden, in 1110 Wien, Friedjunggasse wohnhaften Beschwerdeführerin eine Beschäftigung als Küchengehilfin beim Dienstgeber Gasthof L. in 1130 Wien, Ghelengasse, mit (möglichem) Arbeitsantritt am 13. Juli 2007 zugewiesen; nach dem Stellenangebot handelte es sich um eine Vollzeitbeschäftigung im Wechseldienst mit Wochenenddiensten. Nach einem Vorstellungsgespräch kam die Beschäftigung nicht zu Stande.

Mit Bescheid des AMS Esteplatz vom 31. Juli 2007 wurde der Verlust des Anspruches der Beschwerdeführerin auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 13. Juli bis 6. September 2007 gemäß § 10 AlVG ausgesprochen und das Vorliegen von berücksichtigungswürdigen Umständen für eine Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG verneint; dies wurde damit begründet, die Beschwerdeführerin habe eine zumutbare Beschäftigung nicht angenommen.

In der dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass es sich um eine Arbeit im Wechseldienst gehandelt habe, und ihr Anfahrtsweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwei Stunden betragen hätte, weshalb sie beim Vorstellungsgespräch gleich "mit der Tür ins Haus gefallen" sei, um zu klären, wie sie in aller Früh hin und abends nach 24.00 Uhr wieder nach Hause hätte kommen sollen. Nachdem die "Chefin" erklärt hätte, dass sie kein Taxi bezahlen würde, hätte sie der Beschwerdeführerin bestätigt, dass der Weg zu weit sei. Die Beschwerdeführerin hätte die Arbeit nicht abgelehnt, sondern der "Chefin" gesagt, "dass sie die Arbeit annehmen müsste, wenn diese meine, dass sich das Taxi ausgehe". Daraufhin sei diese sehr böse geworden und habe geäußert, dass das keine Einstellung zur Arbeit sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung stellte sie nach Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen fest, dass die angebotene Stelle nach Kollektivvertrag entlohnt und die genaue Höhe des Lohns zu vereinbaren gewesen wäre. Das Angebot habe ein Vollzeit-Dienstverhältnis mit Wechseldienst, zum Teil auch an Wochenenden betroffen. Arbeitszeiten wären von 8.00 bis 14.00 Uhr bzw. von 14.00 bis gelegentlich 24.00 Uhr, je nach Schicht, gewesen. Der Arbeitsweg der in 1110 Wien, Friedjunggasse, lebenden Beschwerdeführerin hätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln inklusive der Fußwege je nach Tageszeit zwischen 58 Minuten und 1 Stunde 15 gedauert. Der Fußweg von der Arbeitsstätte zur (gemeint: Station der nächstverkehrenden) Autobuslinie 54B betrage etwa 5 Minuten. Laut Auskunft der Wiener Verkehrsbetriebe wäre der Arbeitsort zu den angegebenen Arbeitszeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar gewesen. Der letzte Autobus fahre ab der Station in der Ghelengasse um 0.19 Uhr; in diesem Falle würde die Beschwerdeführerin unter Benützung des Nachtbusses 1 Stunde 52 Minuten nach Hause brauchen. Ihren eigenen Angaben gegenüber dem AMS nach verfüge die Beschwerdeführerin jedoch auch über einen eigenen Pkw. Die Beschwerdeführerin habe im Verlaufe des Vorstellungsgespräches am 12. Juli 2007 erklärt, dass ihr der Arbeitsweg zu weit sei, aber sie die Arbeit ja annehmen müsse, woraufhin ihr die Chefin, Frau W., vorgeworfen habe, die falsche Arbeitseinstellung zu haben, deren Schwägerin pendle sogar aus Niederösterreich ein.

Die belangte Behörde ging weiters davon aus, dass Frau W. aus der angeführten Bemerkung der Beschwerdeführerin nur den Schluss habe ziehen können, dass diese an der angebotenen Stelle nicht interessiert sei. Die angebotene Stelle sei der Beschwerdeführerin zumutbar gewesen. Die zumutbare Wegzeit für Hin- und Rückweg habe mit einer Stunde pro Wegstrecke ein Viertel der durchschnittlichen täglichen Normalarbeitszeit nicht überschritten. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 20. Februar 2002, Zl. 99/08/0104) sei die Verwendung des eigenen Kraftfahrzeuges zur Erreichung des Arbeitsplatzes auf dem Arbeitsmarkt als allgemein üblich anzusehen und ein Arbeitssuchender daher verpflichtet, ein solches Fahrzeug für das Erreichen des Arbeitsplatzes erforderlichenfal1s auch einzusetzen. Das Verhalten der Beschwerdeführerin beim Vorstellungsgespräch wurde daher als Vereitelung am Zustandekommen eines zumutbaren Dienstverhältnisses gewertet und in den in der Berufung (weiters) angeführten finanziellen Problemen der Beschwerdeführerin kein Nachsichtsgrund gemäß § 10 Abs. 3 AlVG gesehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. §§ 9 und 10 AlVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 lauten auszugsweise:

"Arbeitswilligkeit

§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

(2) Eine Beschäftigung ist zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung. Die zumutbare Wegzeit für Hin- und Rückweg soll tunlich nicht mehr als ein Viertel der durchschnittlichen täglichen Normalarbeitszeit betragen. Wesentlich darüber liegende Wegzeiten sind nur unter besonderen Umständen, wie zB wenn am Wohnort lebende Personen üblicherweise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben oder besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten werden, zumutbar. Bei einer Vollzeitbeschäftigung ist aber jedenfalls eine tägliche Wegzeit von zwei Stunden und bei einer Teilzeitbeschäftigung mit einer Wochenarbeitszeit von mindestens 20 Stunden eine tägliche Wegzeit von eineinhalb Stunden zumutbar.

..."

"§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person

1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt,

....

so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.

..."

Auf Grund des § 38 AlVG sind diese Regelungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Diese Bestimmungen sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zugrunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung in den Arbeitsmarkt einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. idS das Erkenntnis vom 16. Oktober 1990, Zl. 89/08/0141, Slg. Nr. 13.286/A, und die dort angeführte Vorjudikatur.

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits (und deshalb) aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wege verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wege vereitelt werden:

Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassung der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, Zl. 93/08/0136, mwN).

Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung iSd § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem nicht dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. zu alldem z.B. das hg. Erkenntnis vom 4. April 2002, Zl. 2002/08/0023 m.w.N).

2. In der Beschwerde bestreitet die Beschwerdeführerin zunächst die Zumutbarkeit des zugewiesenen Arbeitsplatzes, weil er für sie nicht in angemessener Zeit erreichbar gewesen sei.

Soweit sich die Beschwerde dabei gegen die Feststellung, wonach die Beschwerdeführerin über einen eigenen PKW verfüge, richtet und mangelnde amtswegige Ermittlungen sowie die Verletzung des Parteiengehörs zu der Frage rügt, ob ihr ein Fahrzeug auch noch zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zur Verfügung stand, geht sie schon deshalb ins Leere, weil nicht einmal Gegenteiliges behauptet wird und sich auch sonst keine diesbezüglichen Anhaltspunkte ergeben.

Ausgehend von dieser Feststellung ist - wie die belangte Behörde zutreffend unter Heranziehung des hg. Erkenntnisses vom 20. Februar 2002, Zl. 99/08/0104, ausgeführt hat - die arbeitssuchende Beschwerdeführerin grundsätzlich verpflichtet, das ihr zur Verfügung stehende Kraftfahrzeug falls erforderlich für das Erreichen eines Arbeitsplatzes einzusetzen, was hier zumindest im Falle des Arbeitsendes um 24.00 Uhr anzunehmen wäre. In den übrigen Fällen beträgt ihre jeweilige tägliche Gesamtfahrzeit bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel unter Zugrundelegung der festgestellten Bandbreite maximal 2 Stunden 30 Minuten. Erkennbar geht die belangte Behörde davon aus, dass diese Gesamtwegzeit auch bei Verwendung ihres Fahrzeuges nicht überschritten wird. Dem diesbezüglichen Einwand fehlender expliziter Feststellungen zur Dauer der Wegzeit bei Verwendung mit dem Pkw ist einerseits zu entgegnen, dass die Beschwerdeführerin dazu auch keine längere Wegzeiten behauptet; andererseits spricht angesichts der im 13. Wiener Bezirk gelegenen potenziellen Arbeitsstätte und dem im

11. Bezirk gelegenen Wohnsitz der Beschwerdeführerin auch das als amtsbekannt vorauszusetzende Streckennetz und die Fahrplanauskunft der Wiener Verkehrsbetriebe sowie die allgemeine Verkehrssituation in Wien (insbesondere bei Fahrten im Falle des Arbeitsendes um 24.00 Uhr) für die Annahme der belangten Behörde.

Zur zumutbaren Wegzeit wurde in den Erläuterungen zur RV, 464 BlgNR XXII. GP, womit § 9 AlVG mit der Novelle BGBl. I Nr. 77/2004 geändert wurde, unter anderem ausgeführt:

"... Da die Kollektivverträge zum Teil unterschiedliche, von

der gesetzlichen Normalarbeitszeit abweichende, Normalarbeitszeiten vorsehen (zB 37,5 oder 38,5 Stunden) wird, um aufwändige Nachforschungen und Streitigkeiten zu vermeiden, im Sinne einer praktikablen Lösung klar gestellt, dass zwei Stunden Wegzeit täglich bei einer Vollzeitbeschäftigung immer zumutbar sind. Eine wesentlich längere Wegzeit, also zB drei Stunden bei einer täglichen Arbeitszeit von acht Stunden, soll nur bei Vorliegen besonderer Umstände zumutbar sein. Solche Umstände werden jedenfalls vorliegen, wenn bei Einhaltung der Richtwegzeit eine längere Arbeitslosigkeit unvermeidlich wäre. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die arbeitslose Person einen besonders entlegenen Wohnsitz hat, von dem aus ein geeigneter Arbeitsplatz nicht in kürzerer Zeit erreichbar ist, aber auch wenn auf Grund der regionalen Arbeitsmarktsituation kein näherer Arbeitsplatz gefunden werden kann. Einen Anhaltspunkt für die Angemessenheit einer Wegzeit bietet die von am Wohn- oder Aufenthaltsort lebenden Tagespendlern üblicher Weise zurück gelegte Fahrzeit. Eine längere Wegzeit ist auch zumutbar, wenn die größere Entfernung durch besonders günstige Arbeitsbedingungen aufgewogen wird. Bei Teilzeitarbeit ist jedenfalls eine Wegzeit von eineinhalb Stunden (hin und zurück) zumutbar, wenn die Wochenarbeitszeit mindestens 20 Stunden beträgt. ..."

(Unterstreichung durch den Verwaltungsgerichtshof)

Vor diesem Hintergrund geht auch der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass bei einer Vollzeitbeschäftigung eine wesentlich über dem als tunlich angesehenen Viertel der durchschnittlichen täglichen Normalarbeitszeiten liegende tägliche Wegzeit im Sinne von § 9 Abs. 2 AlVG, die nur unter besonderen Umständen zumutbar ist, erst bei einer Überschreitung um etwa 50% anzunehmen ist. Unter Berücksichtigung, dass dies im vorliegenden Fall einer täglichen Gesamtwegzeit von ungefähr drei Stunden entsprechen würde, erweist sich die Beurteilung der belangten Behörde, die die Zumutbarkeit einer täglichen Gesamtwegzeit von maximal 2 Stunden 30 Minuten innerhalb des Wiener Stadtgebietes bejaht, jedenfalls frei von Rechtsirrtum.

Darüber hinaus vermag auch der Einwand einer mangelhaften Beweiswürdigung der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen: Mit ihrer Behauptung, dass "der Weg zu weit" und sie zur Nachtzeit "nach Ober St. Veit zur U-Bahn zu Fuß hätte gehen können", kann die Beschwerdeführerin die erkennbar auf einer Auskunft der Wiener Verkehrsbetriebe beruhenden Ermittlungsergebnisse zur Wegzeit nicht erschüttern. Im Übrigen kommt die belangte Behörde den im - in der Beschwerde zitierten - hg. Erkenntnis vom 7. September 2005, Zl. 2003/08/0010, dargelegten Erfordernissen zur Beweiswürdigung durchaus nach, wenn sie die für die rechtliche Beurteilung wesentlichen Sachverhaltselemente anführt und ihre Erwägungen darlegt, warum sie von einer zumutbaren Beschäftigung ausgeht und in weiterer Folge zu einem abschlägigen Ergebnis für die Beschwerdeführerin gelangt.

3. Jedoch kommt der Beschwerde Berechtigung zu, soweit sie auf das Fehlen von Feststellungen über frühere Pflichtverletzung(en) gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 bis 4 AlVG, die die Erhöhung der Sperrfrist auf acht Wochen zur Folge hatte, hinweist; auch aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist nicht ersichtlich, welche allfällige frühere Pflichtverletzung von der belangten Behörde herangezogen wurde (dies vor allem im Hinblick darauf, dass die in zeitlichem Zusammenhang stehenden, Bescheide des AMS Esteplatz vom 3. November 2006 sowie vom 10. und 25. Jänner 2007, womit frühere Sperrfristen über die Beschwerdeführerin hinsichtlich des Bezuges von Notstandshilfe ausgesprochen worden waren, in weiterer Folge mit Bescheiden der belangten Behörde vom 5. Februar und 13. März 2007 behoben wurden). Diese Feststellungen sind aber für eine abschließende Beurteilung, ob sich die auf Grund der gegenständlichen Vereitelungshandlung über die Beschwerdeführerin zu verhängende Ausschlussfrist auf acht Wochen erhöht, notwendig.

4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 2. Juli 2008

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