VwGH 2008/06/0189

VwGH2008/06/018924.2.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde 1. der Mag. H G und 2. des Dr. M R, beide in C, beide vertreten durch Gheneff - Rami - Sommer, Rechtsanwälte KEG in 1040 Wien, Floragasse 5, gegen den Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer C (Plenum) vom 11. September 2007, Zl. 06/01 2007/4310, betreffend die Bestellung zu mittlerweiligen Stellvertretern (weitere Partei: Bundesministerin für Justiz), zu Recht erkannt:

Normen

RAO 1868 §10 Abs1;
RAO 1868 §10 Abs2;
RAO 1868 §21 Abs1;
RAO 1868 §23 Abs1;
RAO 1868 §23 Abs2;
RAO 1868 §26 Abs5;
RAO 1868 §5 Abs1;
RLBA 1977 §61;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;
RAO 1868 §10 Abs1;
RAO 1868 §10 Abs2;
RAO 1868 §21 Abs1;
RAO 1868 §23 Abs1;
RAO 1868 §23 Abs2;
RAO 1868 §26 Abs5;
RAO 1868 §5 Abs1;
RLBA 1977 §61;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Rechtsanwaltskammer C hat den Beschwerdeführern zusammen Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dr. X war Rechtsanwalt in Q. Mit Schriftsatz an die Rechtsanwaltskammer C vom 8. Juni 2007 (am 11. Juni 2007 eingelangt) zeigte er an, dass er mit 11. Juni 2007 seinen Kanzleisitz an eine bestimmte Anschrift in C verlege (diese Kanzleisitzverlegung wurde von der Rechtsanwaltskammer C im Internet kundgemacht). Mit Beschluss des Handelsgerichtes C vom 18. Juni 2007 wurde über das Vermögen des Dr. X der Ausgleich eröffnet. Der von Dr. X dagegen erhobene Rekurs wurde vom Oberlandesgericht C mit Beschluss vom 16. August 2007 zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 28. August 2007 stellte die zuständige Abteilung des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer C fest, dass die Berechtigung des Dr. X zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß § 34 Abs. 1 Z 4 RAO mit 28. August 2007 erloschen sei und bestellte zwei bestimmte Rechtsanwälte mit Sitz in Wien gemäß § 34 Abs. 4 RAO zu mittlerweiligen Stellvertretern. Mit weiterem Beschluss vom 4. September 2007 (das ist die hier maßgebliche Entscheidung erster Instanz) dieser Abteilung des Ausschusses wurden diese beiden Rechtsanwälte über ihren Antrag von ihrer Funktion als mittlerweilige Stellvertreter enthoben und an deren Stelle die beiden Beschwerdeführer zu mittlerweiligen Stellvertretern bestellt (dieser Beschluss enthält keine Begründung; den vorgelegten Verwaltungsakten ist auch nicht zu entnehmen, dass die Beschwerdeführer vor ihrer in Aussicht genommenen Bestellung zu mittlerweiligen Stellvertretern gehört worden wären).

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung, in welcher sie vorbrachten, sie hätten die G. KEG gegen die W. GmbH vertreten. Dr. X sei mit einer beträchtlichen Kommanditeinlage Kommanditist der G. KEG, seine Lebensgefährtin sei unbeschränkt haftende Gesellschafterin. Aus dieser anwaltlichen Tätigkeit, welche die Beschwerdeführer, der Sache nach, für Dr. X verrichtet hätten, stünden ihnen noch erhebliche Honorare zu. Da diese Honorare bislang unberichtigt aushafteten, hätten sie vor, eine Klage einzubringen. Daher befänden sich die Beschwerdeführer mit ihrer Bestellung zu mittlerweiligen Stellvertretern des Dr. X in einer "massiven Interessenskollision". Das gleichzeitige Auftreten der Beschwerdeführer, nämlich einmal als Gläubiger und in weiterer Folge als Kläger gegen Dr. X und dessen Gesellschaft und zum anderen als mittlerweilige Stellvertreter des Dr. X, wäre unstatthaft und würde ein Disziplinarvergehen begründen. Unabhängig vom Vorliegen einer materiellen Doppelvertretung bzw. Interessenskollission verstoße eine unechte Doppelvertretung gegen die Verpflichtung des Rechtsanwaltes gemäß § 9 RAO, die Rechte seiner Partei mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Eine unechte Doppelvertretung, also das gleichzeitige Tätigwerden desselben Rechtsanwaltes auf verschiedenen Seiten in zwei gleichzeitig anhängigen Rechtssachen sei unstatthaft und selbst dann disziplinär, wenn weder ein Vertrauensmissbrauch gegenüber der einen Seite vorliege, noch der anderen Seite ein Schaden entstanden sei. Überdies setze eine unechte Doppelvertretung weder die konkrete Gefahr einer Interessenskollission noch einen unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang zwischen den betreffenden Rechtssachen voraus (Hinweis auf Judikatur der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission - OBDK). Darüber hinaus sei, laut Auskunft von Dr. X, die Verlegung seines Kanzleisitzes von Q nach C aus rein formalen Gründen erfolgt. Alle seine Handakten befänden sich demnach in Q und auch alle seine anhängigen Verfahren seien bei Behörden in Q und Umgebung anhängig. Den Beschwerdeführern sei es somit auch rein praktisch nicht möglich, die Kanzlei des Dr. X sinnvoll zu betreuen.

Dieser Vorstellung waren verschiedene Beilagen angeschlossen, darunter ein Schreiben des RA Dr. X vom 25. April 2007 an einen der Beschwerdeführer, in dem RA Dr. X als Vertreter dieser KEG

auftritt ("... habe ich meiner Mandantschaft den Rat erteilt

..."), die Honorarforderung gegen die G. KEG angesprochen und ein Vergleichsanbot erstellt wird.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Vorstellung keine Folge gegeben. Zur Begründung heißt es zusammengefasst, der mittlerweilige Stellvertreter, der für einen Rechtsanwalt bestellt worden sei, der aus der Liste der Rechtsanwälte gestrichen worden sei (§ 34 Abs. 1 Z 4 RAO), habe gemäß § 61 der Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes und für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter (RL-BA) die Interessen der Parteien des Rechtsanwaltes, für den er bestellt worden sei, zu wahren und dafür zu sorgen, dass die Kanzlei des Rechtsanwaltes im Einvernehmen mit diesem liquidiert werde. Er habe dabei unter anderem an der Erfüllung der Verpflichtungen des Rechtsanwaltes in geeigneter Weise mitzuwirken, insbesondere was die Weiterführung noch nicht erledigter Aufträge, die Abrechnung von für die Parteien vereinnahmten Beträgen, die Aktenverwaltung einschließlich der Herausgabe von Unterlagen und Urkunden sowie die Aufbewahrung der Akten betreffe. Der mittlerweilige Stellvertreter habe daher die Interessen der Klienten des ehemaligen Rechtsanwaltes zu wahren. Als Folge der rechtskräftigen Eröffnung des Ausgleichsverfahrens über das Vermögen des Dr. X sei dieser überdies in seiner rechtlichen Handlungsfähigkeit auf Grund der Vorschriften der Ausgleichsordnung eingeschränkt, sodass der mittlerweilige Stellvertreter die ihm obliegenden Aufgaben in Abstimmung mit dem Ausgleichsverwalter vorzunehmen habe. Da der mittlerweilige Stellvertreter, wie dargelegt, nicht die Interessen des ehemaligen Rechtsanwaltes, sondern jene der Parteien zu wahren habe, liege entgegen der Annahme der Beschwerdeführer keine Interessenskollission vor. Der Hinweis, wonach sich die Handakten des Dr. X nach wie vor an dessen ehemaligen Kanzleisitz befänden, sei deshalb unbeachtlich, weil die Bestellung eines in Q ansässigen mittlerweiligen Stellvertreters durch die Rechtsanwaltskammer C nicht in Betracht komme.

Den vorgelegten Verwaltungsakten ist weiters zu entnehmen, dass mit Beschluss des Handelsgerichtes C vom 3. Oktober 2007 (unter anderem) über das Vermögen des Dr. X der Anschlusskonkurs eröffnet wurde.

Die Beschwerdeführer erhoben gegen den angefochtenen Bescheid zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 23. September 2008, B 1999/07-6, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall insbesondere maßgeblichen Bestimmungen der Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 6868/2008, lauten:

"§ 5. (1) Wer die Rechtsanwaltschaft erlangen will, hat unter Nachweis aller gesetzlichen Erfordernisse bei dem Ausschuss der Rechtsanwaltskammer, in deren Sprengel er seinen Kanzleisitz nimmt, unter Angabe des letzteren seine Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte zu erwirken.

(1a) ...

§ 9. (1) ...

(2) Der Rechtsanwalt ist zur Verschwiegenheit über die ihm anvertrauten Angelegenheiten und die ihm sonst in seiner beruflichen Eigenschaft bekannt gewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse seiner Partei gelegen ist, verpflichtet. Er hat in gerichtlichen und sonstigen behördlichen Verfahren nach Maßgabe der verfahrensrechtlichen Vorschriften das Recht auf diese Verschwiegenheit.

...

§ 10. (1) Der Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, die Vertretung einer Partei zu übernehmen, und kann dieselbe ohne Angabe der Gründe ablehnen; allein er ist verpflichtet, die Vertretung oder auch nur die Ertheilung eines Rathes abzulehnen, wenn er die Gegenpartei in derselben oder in einer damit zusammenhängenden Sache vertreten hat oder in solchen Angelegenheiten früher als Richter oder als Staatsanwalt thätig war. Ebenso darf er nicht beiden Theilen in dem nämlichen Rechtsstreite dienen oder Rath ertheilen.

(2) Der Rechtsanwalt ist überhaupt verpflichtet, durch Redlichkeit und Ehrenhaftigkeit in seinem Benehmen die Ehre und Würde des Standes zu wahren.

...

§ 14. Der Rechtsanwalt ist berechtigt, im Verhinderungsfalle einen andern Rechtsanwalt unter gesetzlicher Haftung zu substituiren; in Fällen von andauernder Verhinderung oder längerer Abwesenheit ist die Substitution dem Ausschusse der Rechtsanwaltskammer anzuzeigen, welcher dieß auch dem betreffenden Oberlandesgerichte zur Verständigung an die ihm unterstehenden Gerichte mitzutheilen hat. Einer Urlaubsbewilligung zu einer längeren Abwesenheit bedarf der Rechtsanwalt nicht.

§ 21. (1) Die Wahl und Aenderung des Kanzleisitzes ist dem Rechtsanwalt gestattet; jedoch hat er vor seiner Uebersiedlung die Anzeige hievon bei dem Ausschusse seiner Rechtsanwaltskammer, sowie bei jenem des neugewählten Kanzleisitzes zu erstatten. Diese Anzeige ist vom Ausschusse der Rechtsanwaltskammer im Internet auf der Homepage des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (http://www.rechtsanwaelte.at ) unverzüglich und allgemein zugänglich zu veröffentlichen.

(2) ...

§ 23. (1) Der Wirkungsbereich der Rechtsanwaltskammer erstreckt sich auf das Bundesland, für das sie errichtet wurde, sowie auf alle Rechtsanwälte, die in die Liste dieser Rechtsanwaltkammer eingetragen sind. Die Rechtsanwaltskammer besorgt ihre Geschäfte teils unmittelbar in Plenarversammlungen teils mittelbar durch ihren Ausschuss.

(2) ...

§ 26. (1) Der Ausschuss besteht in Rechtsanwaltskammern, in deren Liste am 31. Dezember des der Wahl des Ausschusses vorangegangenen Kalenderjahrs nicht mehr als 50 Rechtsanwälte eingetragen sind, aus 5 Mitgliedern, mit 51 bis 100 Rechtsanwälten aus 8 Mitgliedern, mit 101 bis 250 Rechtsanwälten aus 10 Mitgliedern, mit 201 bis 1 000 Rechtsanwälten aus 15 Mitgliedern und mit mehr als 1 000 Rechtsanwälten aus 30 Mitgliedern. Der Präsident und die Präsidenten-Stellvertreter sind Mitglieder des Ausschusses.

(2) Besteht der Ausschuss aus mindestens 10 Mitgliedern, so sind die im § 28 Abs. 1 lit. b, d, f, g, h und i aufgezählten Aufgaben, ferner die Aufsicht über Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, die Bestellung von Rechtsanwälten nach den §§ 45 oder 45a und die Beschlussfassung nach § 16 Abs. 5 sowie die Zuerkennung von Leistungen aus der Versorgungseinrichtung in Abteilungen zu erledigen. Die Abteilungen bestehen aus 5 Ausschussmitgliedern. Der Ausschuss hat die Abteilungen zusammenzusetzen und die Geschäfte unter die Abteilungen zu verteilen.

...

(5) Gegen den Beschluss einer Abteilung kann binnen 14 Tagen nach Zustellung des Beschlusses Vorstellung erhoben werden; über diese entscheidet der Ausschuss."

§ 28. (1) Zu dem Wirkungskreise des Ausschusses gehören:

a) die Führung der Rechtsanwaltsliste (§§ 1 und 5 ff), insbesondere die Entscheidung über die Eintragung in dieselbe, (...)

...

h) die Bestellung eines mittlerweiligen Stellvertreters in den von diesem Gesetz oder dem Disziplinarstatut angeordneten Fällen;

§ 34. (1) Die Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erlischt:

...

4. bei rechtskräftiger Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder rechtskräftiger Abweisung eines Antrags auf Eröffnung eines Konkursverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens;

5. ...

(2) Die Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft ruht:

...

(4) Dem Rechtsanwalt ist in den Fällen des Abs. 1 und 2 ein mittlerweiliger Stellvertreter zu bestellen. Dieser ist über Mitteilung der zuständigen Rechtsanwaltskammer von Amts wegen beim Betroffenen in das Firmenbuch einzutragen und nach Ablauf seiner Bestellung wieder zu löschen. Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag hat dem mittlerweiligen Stellvertreter Zugang zu den vom Rechtsanwalt im anwaltlichen Urkundenarchiv gespeicherten Urkunden zu ermöglichen. Ein mittlerweiliger Stellvertreter ist auch bei Erkrankung oder Abwesenheit eines Rechtsanwalts für die Dauer der Verhinderung zu bestellen, wenn der Rechtsanwalt nicht selbst einen Substituten nach § 14 namhaft gemacht hat oder namhaft machen konnte; in diesem Fall kommt dem mittlerweiligen Stellvertreter die Stellung eines Substituten nach § 14 zu.

(5) ..."

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens haben sich auch auf die Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes und für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter, Satzung des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages vom 8. Oktober 1977 (RL-BA 1977), kundgemacht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung am 14. Dezember 1977, u.a. (vgl. auch die Homepage des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages http://www.rechtsanwaelte.at ), berufen (im Beschwerdefall zuletzt in der Fassung vom 2. Mai 2007).

Der bezogene § 61 dieser Richtlinien lautet:

"Der mittlerweilige Stellvertreter, der für einen Rechtsanwalt bestellt wurde, welcher auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet hat, verstorben ist oder aus der Liste der Rechtsanwälte gestrichen wurde (Abwickler), hat mit der Sorgfalt eines Rechtsanwaltes die Interessen der Parteien des Rechtsanwaltes, für den er bestellt wurde, zu wahren und dafür zu sorgen, daß die Kanzlei des Rechtsanwaltes im Einvernehmen mit diesem oder mit den Erben im Ganzen verwertet oder ordnungsgemäß liquidiert wird. Dabei hat er insbesondere darauf hinzuwirken, daß der Rechtsanwalt, der seine Kanzleitätigkeit beendet hat, oder die Erben des verstorbenen Rechtsanwaltes, für welchen er bestellt wurde, an der Erfüllung der Verpflichtungen des Rechtsanwaltes gegenüber seiner Parteien in geeigneter Weise mitwirken, insbesondere was die Weiterführung noch nicht erledigter Aufträge, die Abrechnung von für die Parteien vereinnahmten Beträgen, die Aktenverwaltung einschließlich Herausgabe von Unterlagen und Urkunden sowie die Aufbewahrung der Akten betrifft."

Die Unzuständigkeit der belangten Behörde soll nach Auffassung der Beschwerdeführer deshalb gegeben sein, weil Dr. X in die Liste der Rechtsanwaltskammer für R eingetragen gewesen sei. Daran habe die Anzeige der Verlegung des Kanzleisitzes nichts geändert. Ungeachtet der Anzeige über die Verlegung des Kanzleisitzes habe sich die Kanzlei des Dr. X stets in Q befunden.

Dem ist Folgendes zu entgegnen: Die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über die Vorstellung war deshalb gegeben, weil die Abteilung des Ausschusses in erster Instanz entschieden hat. Eine Unzuständigkeit der Abteilung zur Entscheidung in erster Instanz - darauf zielt das Vorbringen ab -, die von der belangten Behörde nicht wahrgenommen worden wäre, bewirkte nicht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde, sondern seine inhaltliche Rechtswidrigkeit.

Jede Rechtsanwaltskammer führt eine Liste der Rechtsanwälte in ihrem Sprengel (siehe § 5 Abs. 1 RAO). Will ein eingetragener Rechtsanwalt seinen Kanzleisitz verlegen, sei es nun innerhalb des Sprengels der Rechtsanwaltskammer, bei welcher er eingetragen ist, oder in den Sprengel einer anderen Rechtsanwaltskammer, sieht das Gesetz lediglich die Anzeige der - beabsichtigten - Übersiedlung vor (§ 21 RAO; "... hat er vor seine Übersiedlung die Anzeige ... zu erstatten"). Im Fall der Verlegung des Kanzleisitzes in den Sprengel einer anderen Rechtsanwaltskammer fordert das Gesetz nicht, dass der Rechtsanwalt überdies (über die Anzeige der Übersiedlung hinaus) noch seine Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte der "neuen" Rechtsanwaltskammer (und allenfalls, ergänzend dazu, seine "Austragung" aus der Liste seiner bisherigen Rechtsanwaltskammer) zu beantragen oder zu veranlassen hätte. Dies ist vielmehr von den dazu berufenen Organen der jeweiligen Kammern zu veranlassen. (Aus dem von den Beschwerdeführern zitierten Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 21. September 1984, B 304/80, ist für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen; der Verfassungsgerichtshof führte darin aus, dass eine Entgegennahme der Ablehnung der Meldung über die Änderung des Berufssitzes durch den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer keine Rechtswirkungen entfalte und kein Bescheid sei. Darum geht es aber im Beschwerdefall nicht. Von einer Kenntnisnahme oder Ablehnung der Übersiedlungsanzeige durch den Ausschuss ist nämlich die Frage der Eintragung in die von der "neuen" Kammer geführte Liste zu unterscheiden - siehe dazu die weiteren Ausführungen von Lohsing, Österreichisches Anwaltsrecht (zweite Auflage, Seite 295, im Anschluss an jene, die vom Verfassungsgerichtshof im genannten Beschluss wiedergegeben wurden).

Die Beschwerdeführer vermögen somit keine Bedenken daran zu erwecken, dass Dr. X als Folge seiner Übersiedlungsanzeige in der Liste der C Rechtsanwälte eingetragen war. Die von den Beschwerdeführern in Frage gestellte Zuständigkeit der Organe der Rechtsanwaltskammer C zur Bestellung eines mittlerweiligen Stellvertreters ist daher zu bejahen.

Darauf, dass die Kanzlei des Dr. X faktisch (noch) nicht verlegt worden war, und sich daher insbesondere alle Akten weiterhin in Q befanden, kommt es in diesem Zusammenhang (Zuständigkeit der Organe der Rechtsanwaltskammer C) nicht an; die Organe der Rechtsanwaltskammer C wären jedenfalls nicht zuständig, einen Rechtsanwalt außerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches (etwa einen Rechtsanwalt mit Sitz in Q) zum mittlerweiligen Stellvertreter zu bestellen.

Die Beschwerdeführer machen weiters, wie bereits im Verwaltungsverfahren, eine Interessenskollision im Sinne einer unzulässigen (uneigentlichen) Doppelvertretung geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 26. Juni 2008, Zl. 2006/06/0009 (betreffend eine Weisung gemäß § 23 RAO, ein Mandat wegen angenommener uneigentlichen Doppelvertretung zurückzulegen), zur Frage der Doppelvertretung ausgeführt:

"Die Rechtsprechung im Standesrecht der Rechtsanwälte unterscheidet zwischen der echten Doppelvertretung nach § 10 RAO, worunter einerseits die eigentliche Doppelvertretung fällt, bei welcher der Anwalt beide Teile im nämlichen Rechtsstreit vertritt oder ihnen auch nur einen Rat erteilt (§ 10 Abs. 1 zweiter Satz RAO), sowie die uneigentliche Doppelvertretung, bei der ein Anwalt (u.a.) eine Partei vertritt oder berät, nachdem er die Gegenpartei in derselben oder einer damit zusammenhängenden Sache vertreten (oder beraten) hatte (§ 10 Abs. 1 erster Satz RAO). Neben diesen Fällen der echten oder materiellen Doppelvertretung wegen offensichtlicher Interessenkollision erblickt die Oberste Berufungskommission und Disziplinarkommission den Tatbestand der formellen Doppelvertretung darin, dass derselbe Anwalt in zwei gleichzeitig anhängigen Rechtssachen einmal als Vertreter der einen Partei, das andere Mal als Vertreter ihres Prozessgegners, insbesondere vor dem selben Gericht, auftritt, weil durch dieses gleichzeitige Aufscheinen in der Öffentlichkeit das eine Mal für und das andere Mal gegen ein und dieselbe Person das Vertrauen der rechtssuchenden Bevölkerung erschüttert wird, es überdies zu einer Interessenkollision kommen kann und ein solches Verhalten daher geeignet ist, die Ehre und das Ansehen des Standes zu beeinträchtigen (vgl. die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 8. Mai 1995, 10 Bkd1/95, und das hg. Erkenntnis vom 27. März 2000, Zl. 2000/10/0019, m.w.N.).

Aus der Praxis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) geht hervor, dass zur Erfüllung des Tatbestandes des § 10 Abs. 1 RAO die Vertretung oder die Erteilung eines Rates der bzw. an die Gegenpartei zumindest in einer zusammenhängenden Sache gegeben sein oder dazu ein zeitlicher Zusammenhang bestehen muss. Es wird für maßgeblich erachtet, ob zumindest eine zusammenhängende Sache vorliegt (vgl. etwa die in AnwBl. 1993, 100; 1998, 511 und 697; 2001, 214; 2007, 369, und 2008, 31, dargestellte Rechtsprechung der OBDK)."

An diesen Grundsätzen ist weiterhin festzuhalten.

Richtig ist zwar, dass den Beschwerdeführern (als gemäß § 34 Abs. 1 Z 4 bestellten mittlerweiligen Stellvertretern) nicht die Stellung eines Substituten nach § 14 RAO zukommt (weil die Voraussetzungen des § 34 Abs. 4 zweiter Satz RAO nicht vorliegen), und sie daher weder Vertreter des Rechtsanwaltes Dr. X noch seiner Klienten sind. § 61 RL-BA stellt diese Rechtslage klar.

Der mittlerweilige Stellvertreter nach § 61 RL-BA hat die Interessen der Parteien des Rechtsanwaltes zu wahren, aber auch dafür zu sorgen, dass die Kanzlei des Rechtsanwaltes im Einvernehmen mit diesem im Ganzen verwertet oder ordnungsgemäß liquidiert wird. Das heißt, er hat insofern auch gerechtfertigte Interessen des Rechtsanwaltes, für den er bestellt ist, zu beachten. Es ist daher schon von vornherein problematisch, wenn der Stellvertreter die Absicht hat, Ansprüche gegen eine Gesellschaft geltend zu machen, an welcher der Rechtsanwalt in erheblichem Maße beteiligt ist. Eine Interessenskollision des mittlerweiligen Stellvertreters kann umsomehr vorliegen, wenn er, wie in der Vorstellung angekündigt, zeitlich unmittelbar gegen eine Partei des Rechtsanwaltes (hier: die G. KEG) oder gar gegen den Rechtsanwalt selbst vorgehen will. Dies kann im Sinne der zuvor dargelegten Überlegungen zur uneigentlichen Doppelvertretung geeignet sein, das Vertrauen der rechtssuchenden Bevölkerung zu erschüttern.

Dadurch, dass die belangte Behörde dies verkannte, vielmehr davon ausging, die vorgetragenen Argumente in der Vorstellung seien jedenfalls unerheblich, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 24. Februar 2009

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