VwGH 2008/01/0496

VwGH2008/01/049619.3.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stelzl, über die Beschwerde des O T U in H, geboren 1975, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 28. Jänner 2008, Zl. Ia 370- 489/2004, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
AVG §45 Abs2;
AVG §69 Abs1 Z1;
AVG §69 Abs3;
FrG 1997 §104 Abs1;
FrG 1997 §104 Abs3;
StbG 1985 §10 Abs1 Z2;
StbG 1985 §11a idF 1998/I/124;
StbG 1985 §20;
StbG 1985 §35 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §64a Abs4 idF 2006/I/037;
StGB §15;
VwGG §42 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §38;
AVG §45 Abs2;
AVG §69 Abs1 Z1;
AVG §69 Abs3;
FrG 1997 §104 Abs1;
FrG 1997 §104 Abs3;
StbG 1985 §10 Abs1 Z2;
StbG 1985 §11a idF 1998/I/124;
StbG 1985 §20;
StbG 1985 §35 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §64a Abs4 idF 2006/I/037;
StGB §15;
VwGG §42 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Spruchpunkte II. (Widerruf der Zusicherung) und III. (Abweisung des Verleihungsantrages) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Der Beschwerdeführer wurde am 6. Oktober 1975 in Nigeria geboren. Er hat seit 2. Februar 2001 einen ununterbrochenen Hauptwohnsitz in Österreich und heiratete am 11. Jänner 2002 die österreichische Staatsbürgerin Y D-U. Am 14. Mai 2004 beantragte er bei der belangten Behörde die österreichische Staatsbürgerschaft.

2. Mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 8. September 2004 wurde dem Beschwerdeführer die Verleihung der Staatsbürgerschaft zugesichert, sofern er innerhalb von zwei Jahren ab Rechtskraft dieses Bescheides sein Ausscheiden aus dem Verband des bisherigen Heimatstaates nachweist. Am 14. September 2004 legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung der nigerianischen Botschaft in Wien über die Zurücklegung der nigerianischen Staatsbürgerschaft vor.

3. Mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 4. Oktober 2004 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 11a Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 124/1998 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Im Zuge der Verleihung wurde er niederschriftlich befragt, wobei er unter anderem Folgendes angab und mit seiner Unterschrift bestätigte:

"Ich erkläre, dass ich, abgesehen von den bereits zu Protokoll gegebenen Verurteilungen, weder durch ein inländisches Gericht noch von einem ausländischen Gericht verurteilt worden bin. Weiters habe ich in der Zwischenzeit weder eine gerichtlich strafbare noch eine verwaltungsstrafrechtliche Handlung gesetzt. Eine polizeiliche Untersuchung oder ein gerichtliches Strafverfahren ist gegen mich gegenwärtig weder im Inland noch im Ausland anhängig. Ich habe auch keine gerichtlich strafbare oder verwaltungsstrafrechtliche Handlungen gesetzt, zu denen noch keine behördliche Untersuchung läuft."

4. Am 14. Oktober 2004 wurde dem Amt der Vorarlberger Landesregierung mitgeteilt, dass bereits am 20. August 2004 gegen den Beschwerdeführer beim Landesgericht für Strafsachen in Wien ein Strafverfahren wegen des Verdachts des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels, der Schlepperei und der Vermittlung von Scheinehen eingeleitet worden sei.

5. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen in Wien vom 21. April 2005 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Schlepperei als Beteiligter nach § 104 Abs. 1 und Abs. 3 Fremdengesetz und § 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt. Der Verurteilung lag zu Grunde, dass der Beschwerdeführer im Februar und März 2004 versucht habe, einen anderen aus Nigeria stammenden österreichischen Staatsangehörigen zu bestimmen, die rechtswidrige Einreise einer nigerianischen Staatsangehörigen ohne Aufenthaltstitel in Österreich nach Österreich zu fördern, indem er dafür eine Bezahlung von EUR 5.500,-- angeboten habe, wobei er in Erwartung eines nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteiles gewerbsmäßig gehandelt habe.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 28. Jänner 2008 wurde

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Rechtslage:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des StbG in der Fassung nach der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006, lauten:

"§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn

...

2. er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, ...;

...

§ 24. Die Wiederaufnahme eines Verleihungsverfahrens darf aus den im § 69 Abs. 1 Z 2 und 3 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, genannten Gründen nur bewilligt oder verfügt werden, wenn der Betroffene hiedurch nicht staatenlos wird.

...

§ 35. Die Entziehung der Staatsbürgerschaft (§§ 33 und 34) oder die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG hat von Amts wegen oder auf Antrag des Bundesministers für Inneres zu erfolgen. ...

...

§ 64a. ...

(4) Verfahren auf Grund eines vor dem In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 37/2006 erlassenen Zusicherungsbescheides nach § 20 Abs. 1 sind nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der vor der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 37/2006 geänderten Fassung zu Ende zu führen."

§ 10 Abs. 1 Z 2 StbG in der Fassung vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006, lautete:

"§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn

...

2. er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist, ..."

2. Wiederaufnahme nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG:

Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde gehe fälschlicherweise davon aus, dass der Beschwerdeführer am 4. Oktober 2004, also am Tag der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, bereits gewusst habe, dass er eine strafbare Handlung begangen habe. Tatsächlich habe ihm dies zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst sein können. Die nach außen hin erkennbare Einleitung des Strafverfahrens sei nämlich erst nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft erfolgt.

Der Beschwerdefall gleicht im Hinblick auf den von der belangten Behörde herangezogenen Wiederaufnahmetatbestand jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 2008, Zl. 2008/01/0212, zu Grunde lag, sodass gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung dieses Erkenntnis verwiesen wird.

Davon ausgehend kann der belangten Behörde im Beschwerdefall nicht entgegen getreten werden, wenn sie davon ausging, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Verleihung objektiv unrichtig angegeben hat, er habe keine gerichtlich strafbaren Handlungen gesetzt. Zum Vorbringen der Beschwerde, der Beschwerdeführer habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst, dass er eine strafbare Handlung begangen haben sollte, ist festzuhalten: Die belangte Behörde war im Rahmen ihrer Beweiswürdigung an die Feststellungen in der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers gebunden (vgl. hiezu das zitierte hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 2008, mwN). Nach diesen Feststellungen hat der Beschwerdeführer versucht, einen anderen aus Nigeria stammenden österreichischen Staatsangehörigen zu bestimmen, die rechtswidrige Einreise einer nigerianischen Staatsangehörigen ohne Aufenthaltstitel in Österreich nach Österreich zu fördern, indem er dafür eine Bezahlung von EUR 5.500,-- angeboten habe, wobei er in Erwartung eines nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteiles gewerbsmäßig gehandelt hat. Schon aus dem vom Beschwerdeführer geleisteten nicht geringfügigen Geldbetrag aber auch dem Umstand der gewerbsmäßigen Begehung durfte die belangte Behörde beweiswürdigend folgern, dass er von der Strafbarkeit seiner Tat habe wissen müssen.

3. Zum Widerruf der Zusicherung und der Abweisung des Verleihungsantrages:

Gegen den Widerruf der Zusicherung und die Abweisung des Verleihungsantrages bringt die Beschwerde vor, die belangte Behörde hätte die Rechtslage vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 anzuwenden gehabt. Mit diesem Vorbringen ist sie im Recht:

Der Verwaltungsgerichtshof hat im zitierten Erkenntnis vom 9. Oktober 2008, Zl. 2008/01/0212, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, festgehalten, dass ein vor In-Kraft-Treten der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 erlassener Zusicherungsbescheid durch die Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens wieder rechtswirksam wird und daher das wiederaufgenommene Verfahren (bestehend aus Widerruf der Zusicherung und Abweisung des Verleihungsantrages) gemäß § 64a Abs. 4 StbG nach der alten Rechtslage zu Ende zu führen ist.

Die belangte Behörde hat jedoch - wie die Anführung der Novelle im Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides und weiters die Begründung zum herangezogenen Verleihungshindernis erkennen lässt - im wiederaufgenommenen Verfahren zu Unrecht die neue Rechtslage (nach der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006) angewendet.

Diese unrichtige Anwendung verletzt den Beschwerdeführer in den vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend gemachten Rechten, da das von der belangten Behörde herangezogene Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 2 StbG vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 noch auf eine gerichtliche Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten abstellte und erst die genannte Novelle jede gerichtliche Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe als Verleihungshindernis normierte (vgl. dazu näher die Erläuterungen zu § 10 Abs. 1 Z 2 in RV 1189 BlgNR XXII. GP, 4). Somit bildete die von der belangten Behörde herangezogene Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten nach der maßgeblichen alten Rechtslage (noch) kein Verleihungshindernis.

4. Aus diesem Grund erweist sich der angefochtene Bescheid im Umfang seiner Spruchpunkte II. und III. als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, sodass er in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 19. März 2009

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