VwGH 2007/21/0348

VwGH2007/21/034824.10.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des C, vertreten durch Solicitor Edward W. Daigneault in 1170 Wien, Hernalser Gürtel 47/4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 3. September 2007, Zl. UVS- 01/19/7689/2007-4, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §2 Abs1 Z14;
AVG §38;
FrPolG 2005 §1 Abs2;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AsylG 2005 §2 Abs1 Z14;
AVG §38;
FrPolG 2005 §1 Abs2;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der seinen Angaben zufolge am 10. Dezember 2006 illegal eingereiste Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 6. April 2007 abgewiesen wurde. Unter einem wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet nach Nigeria verfügt.

Der Beschwerdeführer wurde am 21. August 2007 gemäß § 39 Abs. 1 Z 1 FPG (vorläufig) festgenommen, weil er sich im Bundesgebiet unrechtmäßig aufhalte und somit bei der Begehung einer Verwaltungsübertretung (nach § 120 Abs. 1 Z 2 FPG) auf frischer Tat betreten worden sei. Dem lag zugrunde, dass dem Inhalt des Asylwerberinformationssystems (AIS) zu entnehmen war, dass das Verfahren über den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz rechtskräftig beendet sei.

Im Hinblick auf eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers vom 29. Mai 2007 erließ die Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 22. August 2007 gegen den Beschwerdeführer ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot; einer allfälligen Berufung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Am selben Tag wurde von der Bundespolizeidirektion Wien gegen den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 1 FPG auch die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und der Abschiebung angeordnet. In der Begründung dieses Bescheides wurde davon ausgegangen, dass sich der Beschwerdeführer seit 9. Mai 2007 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, weil sein Asylantrag rechtskräftig abgewiesen und eine rechtskräftige Ausweisung erlassen worden sei. Im Übrigen enthält der Bescheid nähere Ausführungen zum Sicherungsbedarf und zur Nichtanwendung gelinderer Mittel.

Die gegen die Festnahme, die Schubhaftanordnung und die Anhaltung erhobene Schubhaftbeschwerde macht vor allem geltend, der erwähnte Bescheid des Bundesasylamtes vom 6. April 2007 sei nicht rechtmäßig zugestellt worden. Demnach sei der Beschwerdeführer nach wie vor Asylwerber mit aufrechter Aufenthaltsberechtigung und § 76 Abs. 1 FPG sei auf ihn gemäß § 1 Abs. 2 FPG nicht anwendbar. Die Bescheidzustellung sei an der "Kontaktadresse" beim Verein Ute Bock in 1020 Wien, Große Sperlgasse 4, versucht und die Sendung am 20. April 2007 beim Postamt hinterlegt worden; die Abholfrist habe am 23. April begonnen. Der Beschwerdeführer, der die "Kontaktanschrift" in der Regel einmal wöchentlich aufgesucht habe, habe von der Hinterlegung keine Kenntnis gehabt, weil er am 26. April 2007 festgenommen und bis 29. Mai 2007 in der Justizanstalt Josefstadt in Untersuchungshaft angehalten worden sei. Aus dem Zusammenhang des § 17 Abs. 3 ZustG mit der Zustellung an einer "Kontaktadresse" iSd § 19a MeldeG in Verbindung mit der Inhaftierung des Beschwerdeführers sei es zu keiner rechtswirksamen Zustellung des "Asyl-Bescheides" gekommen. Vor seiner Entlassung habe der Beschwerdeführer zwar noch ein mit 22. Mai 2007 datiertes Schreiben des Bundesasylamtes erhalten, wonach sein Asylverfahren "seit 8. Mai 2007 rechtskräftig negativ abgeschlossen" sei, ohne dass dem aber nähere Details zur Zustellung zu entnehmen gewesen wären. Den Zustellmangel habe der Beschwerdeführer dem Bundesasylamt mit Schriftsatz vom 11. Juni 2007 mitgeteilt und gleichzeitig "sicherheitshalber" auch einen Wiedereinsetzungsantrag eingebracht, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. Juli 2007 wegen Verfristung zurückgewiesen worden sei. Dagegen habe der Beschwerdeführer eine Berufung erhoben.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien (der belangten Behörde) vom 3. September 2007 wurde die Schubhaftbeschwerde des Beschwerdeführers abgewiesen und das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Anhaltung festgestellt.

Die belangte Behörde stellte den bisherigen Verfahrensgang kursorisch fest und führte nach Zitierung von Vorschriften des FPG zu der in der Schubhaftbeschwerde im Vordergrund stehenden Frage der Wirksamkeit der Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes vom 6. April 2007 nur Folgendes aus:

"Zur Frage, ob dem Bf internationaler Schutz gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz einzuräumen und der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen sei, erging ein Bescheid, welcher diese Frage verneint hat. Zur Frage, ob hinsichtlich der Bescheiderlassung und des davorliegenden Verfahrens die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei, erging ebenfalls eine Entscheidung, welche diese Frage verneint hat. Gründe, welche gegen die Rechtmäßigkeit des Asylbescheides gesprochen hätten, sind daher nicht aktenkundig."

Danach folgen näher begründete Ausführungen zu der aus der Sicht der belangten Behörde gegebenen Notwendigkeit der Schubhaftverhängung und der weiteren Anhaltung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 1 Abs. 2 FPG ist auf Asylwerber der im vorliegenden Fall als Schubhafttatbestand herangezogene § 76 Abs. 1 FPG nicht anzuwenden. Nach der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 Z 14 AsylG 2005 ist "Asylwerber" ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens. Für die Zulässigkeit der gegen den Beschwerdeführer nach § 76 Abs. 1 FPG verhängten Schubhaft ist daher als Vorfrage maßgeblich, ob das Verfahren über seinen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz im Zeitpunkt der Bescheiderlassung am 22. August 2007 bereits rechtskräftig beendet war. Das hängt von der Wirksamkeit der Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes vom 6. April 2007 ab.

Eine konkrete Auseinandersetzung mit den dafür maßgebenden Umständen und dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers in der Schubhaftbeschwerde ist dem Bescheid jedoch nicht zu entnehmen. Vielmehr beschränkte sich die belangte Behörde insoweit auf eine Verweisung auf den den Wiedereinsetzungsantrag wegen verspäteter Einbringung zurückweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. Juli 2007, ohne dessen Inhalt wieder zu geben. Die belangte Behörde scheint dabei davon auszugehen, dass die in diesem Bescheid auch enthaltene Aussage zur Wirksamkeit der in Rede stehenden Zustellung für das Schubhaftverfahren Bindungswirkung entfalte. Abgesehen davon, dass es sich insoweit nur um einen die dort vorgenommene Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages wegen Verfristung nicht tragenden Begründungsteil handelt, übersieht die belangte Behörde, dass dieser Bescheid nicht in Rechtskraft erwachsen, sondern das Verfahren über die dagegen erhobene Berufung noch anhängig ist.

Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 24. Oktober 2007

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