Normen
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der hinsichtlich der Abweisung der Berufung gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (Spruchpunkt I.) angefochtene Bescheid wird in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, reiste im Mai 2005 in das Bundesgebiet ein und beantragte Asyl.
Dieser Antrag wurde mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 FPG subsidiärer Schutz gewährt (Spruchpunkt II.) und es wurde ihm gemäß § 8 Abs. 3 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).
Begründend stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer sei in einem Dorf in der Nähe von Grosny aufgewachsen. Seine Mutter lebe nach wie vor in Tschetschenien. Zu ihr habe der Beschwerdeführer auch telefonischen Kontakt. Der Beschwerdeführer leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung; sein psychischer Zustand sei stabil. Ein Bruder des Beschwerdeführers lebe mit seiner Familie als anerkannter Flüchtling in Österreich. Nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer - wie von ihm behauptet - zwei Mal von russischen Soldaten mitgenommen und für einige Zeit festgehalten worden sei. Der Beschwerdeführer sei in seiner Heimat somit keiner asylrelevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt gewesen. Er habe in der Russischen Föderation nicht allein schon deshalb Verfolgungshandlungen zu befürchten, weil er der tschetschenischen Volksgruppe angehöre.
Im Folgenden traf die belangte Behörde Feststellungen zur Lage in der Russischen Föderation und der Teilrepublik Tschetschenien. Anschließend hielt sie beweiswürdigend fest, der Beschwerdeführer habe vage und zum Teil widersprüchliche Angaben gemacht, wobei sie diese Widersprüche im Einzelnen auflistete. Aus diesem Grund könne seiner Aussage zum eigentlich "fluchtauslösenden Ereignis" nicht geglaubt werden. Ferner sei auch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nicht ins Blickfeld russischer oder anderer in Tschetschenien operierender Sicherheitskräfte gelangt sei, da er ein besonderes Interesse an seiner Person nicht habe darlegen können.
Ausgehend davon sei nach Ansicht der Berufungsbehörde eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Grund nicht gegeben, zumal auch eine Gruppenverfolgung aller Tschetschenen nicht bejaht werden könne. Dem Beschwerdeführer sei jedoch - aus näher dargestellten Gründen - subsidiärer Schutz zu gewähren.
Nur gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Beschwerde rügt ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren. Sie verweist zum einen darauf, dass die belangte Behörde - aus im Einzelnen dargestellten Gründen - eine unschlüssige Beweiswürdigung vorgenommen habe. In diesem Zusammenhang streicht sie hervor, dass der Dolmetscher in der Berufungsverhandlung Verständigungsschwierigkeiten mit dem Beschwerdeführer zugegeben habe bzw. der Beschwerdeführer nach den Feststellungen der belangten Behörde an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Die belangte Behörde habe sich darüber im Klaren sein müssen, dass Personen mit einer solchen Erkrankung naturgemäß nur kurze Antworten geben würden, dies nicht zuletzt deshalb, weil bei ihnen ein Verdrängungsmechanismus eingesetzt habe. Die gegen den Beschwerdeführer ins Treffen geführten Argumente der belangten Behörde würden auf diesen Umstand nicht Bedacht nehmen. Zum anderen habe die belangte Behörde nicht berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer in der Berufungsverhandlung auch ausgesagt habe, einer seiner Brüder sei in Rostow wegen unterstellter Widerstandsleistung inhaftiert worden. Dies wäre insofern von wesentlicher Bedeutung gewesen, weil die belangte Behörde in weiterer Folge festhalte, der Beschwerdeführer sei nicht ins Blickfeld von russischen oder anderen in Tschetschenien operierenden Sicherheitskräften gelangt, und er habe ein besonderes Interesse an seiner Person nicht darzulegen vermocht. Dabei sei verkannt worden, dass der Beschwerdeführer als Familienmitglied eines inhaftierten Widerstandskämpfers gefährdet sei.
Damit zeigt die Beschwerde relevante Verfahrensmängel auf.
Der belangten Behörde ist zwar zuzugeben, dass sich der Beschwerdeführer im Laufe seiner Einvernahmen im Asylverfahren in einige Widersprüche verwickelt hat. Zentrale Argumente der behördlichen Beweiswürdigung halten aber einer Überprüfung nicht Stand. So führte die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung aus, der Beschwerdeführer habe in der Berufungsverhandlung "völlig abweichend von seinen bisherigen Angaben" behauptet, "man habe ihn zweimal mitgenommen, glaublich am 16. September und am 20. Oktober 2004". Aus dem Akteninhalt ergibt sich aber, dass er die zweimalige Inhaftierung auch schon im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens (anlässlich der Einvernahme am 3. Oktober 2005) ausgesagt hatte.
Berechtigt ist auch die Kritik der Beschwerde an jenen Teilen der Beweiswürdigung, in denen die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vorhält, er habe über seine Erlebnisse nur sehr vage Angaben gemacht und sei nicht in der Lage gewesen, detaillierte und zusammenhängende Aussagen über diese Geschehnisse zu machen. Sein Bericht sei - so die belangte Behörde weiter - nicht chronologisch gewesen, sondern er habe sich damit begnügt, erst nach ganz konkreter Nachfrage kurz zu antworten. Somit habe er bei der mündlichen Verhandlung keinesfalls den Eindruck erweckt, das Geschilderte tatsächlich erlebt zu haben. Es lässt sich nicht erkennen, dass die belangte Behörde bei diesen beweiswürdigenden Erwägungen die festgestellte posttraumatische Belastungsstörung des Beschwerdeführers in irgendeiner Weise berücksichtigt hätte. Auch in diesem Punkt erweist sich die Beweiswürdigung daher als mangelhaft.
Wesentliche Bedeutung kommt überdies dem Umstand zu, dass die belangte Behörde die in der Berufungsverhandlung behauptete Inhaftierung eines Bruders (wegen einer angeblichen Widerstandstätigkeit) nicht erwähnte. Es lässt sich der Bescheidbegründung daher auch nicht entnehmen, ob diesem Vorbringen Glauben geschenkt wurde. Wäre vom Zutreffen dieses Vorbringens auszugehen, so hätte es einer Auseinandersetzung mit der Frage bedurft, ob die familiäre Verbundenheit des Beschwerdeführers mit einem potenziellen Widerstandskämpfer möglicherweise gegen die Einschätzung der belangten Behörde spricht, wonach nicht davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer ins Blickfeld russischer oder anderer in Tschetschenien operierender Sicherheitskräfte gelangt sei oder im Falle der Rückkehr gelangen könnte.
Ausgehend davon kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass bei Vermeidung der angesprochenen Verfahrensmängel ein anderes (für den Beschwerdeführer günstigeres) Verfahrensergebnis zu erzielen gewesen wäre.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG Abstand genommen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 16. April 2009
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