VwGH 2007/19/0663

VwGH2007/19/066322.1.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den am 9. November 2006 verkündeten und 12. Juni 2007 ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 228.318/0/20E-II/06/02, betreffend § 7 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der tadschikischen Volksgruppe, reiste am 26. Dezember 2001 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag Asyl.

Diesen Antrag wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 17. April 2002 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab. Gleichzeitig erklärte es jedoch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 8 AsylG für nicht zulässig.

Gegen die Abweisung seines Asylantrages erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung, die mit dem angefochtenen Bescheid nach Abhaltung von Berufungsverhandlungen und Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen wurde.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde rügt (u.a.) als Mangelhaftigkeit des Verfahrens, dass der angefochtene 32 seitige schriftliche Bescheid "völlig unübersichtlich und unverständlich" sei. Die belangte Behörde habe einen Sachverständigen damit beauftragt, das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers durch Ermittlungen im Herkunftsstaat zu überprüfen. Nach seinem Gutachten hätten die im Rahmen seiner Recherchen befragten Personen "unterschiedliche Angaben" gemacht, woraus nach Ansicht der belangten Behörde abzuleiten sei, dass der Beschwerdeführer derzeit nicht mehr gefährdet sei. Im angefochtenen Bescheid würden die Auskunftspersonen und deren angeblich unterschiedlichen Angaben aber nicht genannt und es sei das Gutachten insoweit nicht nachvollziehbar. Die Recherchen seien insbesondere an einer falschen Adresse geführt worden.

Damit zeigt die Beschwerde relevante Verfahrensmängel auf.

Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 AVG sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. Mai 2004, 2001/20/0550, mwN, und zuletzt vom 7. Oktober 2008, 2007/19/0056).

Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Bescheid nicht. Die Bescheidausfertigung enthält bis zur Seite 29 im Wesentlichen Wiedergaben der Geschehnisse in den Berufungsverhandlungen vom 24. Oktober 2004 und vom 9. November 2006. Schon diese Darlegungen sind unübersichtlich, enthalten sie doch zahlreiche Wiederholungen und Übergänge, die kaum erkennen lassen, ob es sich dabei um die Aussage des Beschwerdeführers, um Äußerungen des Verhandlungsleiters oder um Angaben des Sachverständigen handelt. Ab der Seite 29 finden sich in der Bescheidausfertigung die entscheidungsrelevanten Erwägungen der belangten Behörde. Nach allgemeinen Rechtsausführungen zu § 7 AsylG hielt die belangte Behörde vor allem fest, dass dem Beschwerdeführer eine Glaubhaftmachung seines Vorbringens nicht gelungen sei. Im Folgenden heißt es zusammenfassend wörtlich:

"Auf die klaren Ausführungen und Recherchenergebnissen die im Sachverständigengutachten schlüssig, nachvollziehbar und genau überprüft und im GA dem zuständigen VL vorgelegt wurden, dass im Hinblick der Erhebungsergebnissen und Feststellungen im individuellen aktuellen asylrelevanten Sachverständigengutachten wurden diese individuellen Angaben eindeutig widerlegt, dies auch durch den angeblich getöteten Vater und auch seinen Verwandten, auf die Ausführungen in den SV-Gutachten samt Befund wird ausdrücklich nochmals verwiesen."

Diese Begründung ist schon sprachlich kaum verständlich. Bestenfalls lässt sich gerade noch erkennen, dass die belangte Behörde offenbar auf Grund der Ergebnisse der Recherchen des Sachverständigen eine asylrelevante Gefährdung des Beschwerdeführers für nicht erwiesen annahm. Wieso sie allerdings davon ausging, der Vater des Beschwerdeführers sei "angeblich getötet" worden, ist nicht nachvollziehbar. Eine derartige Behauptung hatte der Beschwerdeführer nämlich nicht aufgestellt. Auch findet sich im angefochtenen Bescheid keine Erläuterung, welche Verwandten des Beschwerdeführers (mit Ausnahme des Vaters) sein Fluchtvorbringen laut Gutachter widerlegt hätten (siehe dazu gleich unten).

Zu Recht rügt die Beschwerde, dass sich die Beweiswürdigung der belangten Behörde auf das ihr vorliegende Gutachten nicht mangelfrei stützen konnte. So führte der Sachverständige vor allem aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Verfolgung nur von seinen Familienmitgliedern und von niemandem sonst bestätigt worden seien. Mehrere Bewohner im angegebenen Stadtviertel in Kabul seien befragt worden und hätten die "behauptete Unterdrückung" nicht bestätigt. Mit welchen Personen, an welchen Orten und zu welchen Zeitpunkten die für den Sachverständigen agierenden Ermittlungspersonen gesprochen haben, ist dem Gutachten nicht zu entnehmen. An anderer Stelle des Gutachtens legte der Sachverständige dar, der leibliche Vater des Beschwerdeführers habe "klar, eindeutig und unmissverständlich eine asylrelevante Verfolgung insbesondere zum derzeitigen Zeitpunkt widerlegt." Welche Angaben der Vater des Beschwerdeführers tatsächlich gemacht hat, wird jedoch nicht wiedergegeben, sodass sich auch nicht überprüfen lässt, ob seine Angaben im Widerspruch zur Aussage des Beschwerdeführers stehen.

Der Beschwerdeführer hatte schon in seiner ersten Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 16. April 2004 angegeben, kurze Zeit vor der Ausreise von den (paschtunischen) Nachbarn körperlich angegriffen und verletzt worden zu sein. Er stellte im weiteren Verfahren die Behauptung auf, bei Rückkehr würde er wegen seiner Verwandtschaft zu bekannten kommunistischen Militärs einer Verfolgung unterliegen. Das Gutachten des Sachverständigen war auf Grund der oben aufgezeigten Mängel nicht geeignet, dieses Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers zu entkräften oder als Grundlage dafür zu dienen, eine aktuelle Verfolgungsgefahr zu verneinen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 22. Jänner 2009

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