VwGH 2007/19/0459

VwGH2007/19/045917.3.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Mag. Nedwed, Dr. N. Bachler, die Hofrätin Mag. Rehak sowie den Hofrat Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des A, vertreten durch Mag. Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Kirchengasse 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. Juni 2007, Zl. 268.798-2/6E-XVII/55/06, betreffend § 7 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
EMRK Art3;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
EMRK Art3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, reiste Anfang 2004 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 21. April 2004 Asyl. Dazu brachte er - zusammengefasst - vor, in Tschetschenien gelebt zu haben und im ersten Tschetschenienkrieg (1994 bis 1996) die tschetschenischen Kämpfer unterstützt zu haben, indem er ihnen Informationen habe zukommen lassen und für sie Waffen, Lebensmittel und Medikamente aufbewahrt habe. Nach dem Krieg sei er amnestiert worden. Auch im zweiten Tschetschenienkrieg (ab Dezember 1999) habe er die Kämpfer auf die geschilderte Art und Weise heimlich unterstützt. Im Jahr 2000 sei er von russischen Soldaten angehalten und kontrolliert worden. Man habe ihn zu einem Kontrollposten gebracht und dort verhört. Er habe angegeben, dass er der "friedlichen Bevölkerung" (insbesondere den Frauen und Kindern) geholfen habe. Schließlich habe man ihn wieder frei gelassen. Einige Zeit später sei er aufgefordert worden, sich bei den Behörden zu melden. Das habe er - aus Angst - nicht getan, sondern versucht, mit einem Taxi nach Inguschetien zu fliehen. Während der Fahrt sei er von den Militärs angehalten, festgenommen und in einem Lager inhaftiert worden, wo man ihn in ein Erdloch geworfen habe. Dort habe er einige Tage verbracht, sei dann aus dem Erdloch herausgeholt und in eine Zelle gebracht worden, in der er neben einigen toten Personen die Nacht habe verbringen müssen. Anschließend sei er verhört und dabei mit Gummistöcken geschlagen bzw. mit Füßen getreten worden. Man habe ihn nach Widerstandskämpfern gefragt und ihn aufgefordert Dokumente zu unterschreiben, denen zufolge er Attentate verübt habe. Das habe er verweigert. Schließlich sei er zu einem Oberstleutnant gebracht worden. Dort habe sich herausgestellt, dass seine Verwandten für ihn Lösegeld in der Höhe von 3.500,-- US-Dollar bezahlt hätten, woraufhin er freigelassen worden sei. Der Oberstleutnant habe ihm jedoch gesagt, dass er die Russische Föderation verlassen müsse. Ab diesem Zeitpunkt habe er sich (bis zu seiner Ausreise im Oktober 2003) versteckt gehalten, dabei aber weiterhin seine frühere Unterstützungstätigkeit aufrecht erhalten. Er sei in dieser Zeit zwar nicht mehr festgenommen worden, es seien jedoch maskierte Personen zu seinem Elternhaus gekommen und hätten ihn (erfolglos) gesucht. In anderen Teilen der Russischen Föderation könne er keine Zuflucht nehmen. Er habe in Saratov (Südrussland) zwar entfernte Verwandte, die schon vor 30 Jahren dorthin ausgewandert seien. Obwohl sie schon lange dort lebten, würden sie ums Überleben kämpfen. Er sehe für sich keine Möglichkeit dort zu leben.

Mit Bescheid vom 1. März 2007 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers (im zweiten Rechtsgang) gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab. Gleichzeitig erklärte es die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für nicht zulässig und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung. Begründend führte die Erstbehörde aus, der Beschwerdeführer sei - aus näher dargestellten Gründen - nicht glaubwürdig gewesen. Seine Fluchtgründe könnten daher nicht festgestellt werden. Auch habe sein Vorbringen keine Hinweise ergeben, die gegen die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen würden. Dazu traf die Erstbehörde ausführliche Länderfeststellungen und meinte anschließend, der Beschwerdeführer habe seinen Angaben zufolge in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens Angehörige, bei denen ihm eine Wohnsitznahme möglich sei. Seinem Asylantrag komme deshalb keine Berechtigung zu. Es sei ihm jedoch subsidiärer Schutz zu gewähren, weil das im Verfahren eingeholte Gutachten ergeben habe, dass der Beschwerdeführer an einer krankheitswerten psychischen und seelischen Störung leide. Im Hinblick auf die festgestellte Erkrankung komme das Bundesasylamt zu dem Schluss, dass auf Grund der derzeit noch bestehenden mangelhaften ärztlichen Behandlungsmöglichkeiten im Bereich psychische Erkrankungen in Tschetschenien und für Tschetschenen in der Russischen Föderation für den Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland das reale Risiko bestehe, einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt zu werden.

Gegen die Abweisung seines Asylantrages erhob der Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde, die diese mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 7 AsylG ohne Durchführung einer Berufungsverhandlung abwies.

Die belangte Behörde übernahm die Feststellungen des Bundesasylamtes zur inländischen Fluchtalternative. Der erstinstanzlichen Beweiswürdigung zum individuellen Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers schloss sie sich - aus näher dargestellten Gründen - hingegen nicht an und legte deshalb das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen ihrer rechtlichen Beurteilung zugrunde.

Ausgehend davon komme seiner Berufung keine Berechtigung zu. Der Beschwerdeführer habe angegeben, dass er sich nach seiner vorläufigen Genesung auf Grund der schweren Misshandlungen im Jahr 2000 zwar viele Gedanken über die Situation in Tschetschenien gemacht habe, sich aber - obwohl er darum gebeten worden sei - nicht zur Flucht habe entscheiden können, sondern weiterhin in Tschetschenien verblieben sei. Zwar wären nach den Vorfällen im Jahr 2000 Maskierte zu ihm nach Hause gekommen und hätten seine Verwandten nach seinem Aufenthaltsort gefragt, doch sei er bis zu seiner Ausreise nicht mehr festgenommen worden. Er selbst habe sich von 2000 bis 2003 bei Freunden versteckt gehalten. Alle gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfolgungshandlungen datierten somit von Anfang bis Mitte 2000, also drei Jahre vor seiner Ausreise. Zwar sei er danach noch gesucht worden, dieser Umstand habe ihn aber offensichtlich nicht zur Ausreise veranlasst, und es werde ein besonders großes Interesse der russischen Behörden am Beschwerdeführer durch seinen Sachvortrag kontraindiziert. Immerhin habe sich dieser ja bereits in russischer Haft befunden und man habe ihn trotz Kenntnis von seiner humanitären Unterstützungstätigkeit für Tschetschenen wieder freigelassen. Ein Umstand, der vor dem Hintergrund der als notorisch anzusehenden typischen Vorgangsweise der russisch-föderalen Kräfte in Tschetschenien zu dieser Zeit ein eindeutiger Beleg dafür sei, dass offensichtlich kein besonderes Augenmerk auf den Beschwerdeführer gelegt worden sei. Der Beschwerdeführer habe nichts davon berichtet, dass seine Verwandten unter Druck gesetzt oder sogar als Geisel genommen worden wären, um des Beschwerdeführers habhaft zu werden. Derartiges hätte aber ebenfalls der üblichen Vorgangsweise der russisch-föderalen Kräfte entsprochen. Auch habe der Beschwerdeführer nicht erklären können, warum er nach den detailliert geschilderten Übergriffen mit der Ausreise aus Tschetschenien drei Jahre zugewartet habe. Aus seinen Angaben leuchte vielmehr hervor, dass nicht einmal die massiven Vorfälle Mitte 2000 ihn subjektiv in entsprechende Furcht versetzten, habe er sich doch danach entschieden, weiterhin seinen Landsleuten humanitäre Hilfe zu leisen und nicht etwa den mehr oder minder durch einen unglücklichen Zufall nicht erfolgreichen Ausreiseversuch nach Inguschetien zu wiederholen. In einer Gesamtschau gelange die belangte Behörde daher zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat im Oktober 2003 nicht aus wohlbegründeter Furcht verlassen habe. Da es sich beim Beschwerdeführer um keinen aktiven Widerstandskämpfer handle, sondern er nur im Hintergrund seinen Landsleuten humanitäre Hilfe geleistet habe, sei er keinesfalls eine prioritär gesuchte Person.

Habe bereits zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus der Russischen Föderation kein über die bloße Möglichkeit einer landesweiten Verfolgung hinausgehende Gefährdung für den Beschwerdeführer bestanden, so sei eine solche zum gegenwärtigen Zeitpunkt infolge der Entwicklung in der Russischen Föderation im konkreten Fall jedenfalls zu verneinen.

Wenn die Berufung den Versuch unternehme, das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative mit dem Argument einer Gruppenverfolgung aller tschetschenischen Volksgruppenangehörigen zu verneinen, so sei in diesem Zusammenhang auf eine bereits von der Erstbehörde zitierte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) in der Causa "Jeltsujeva vs. Niederlande" vom 1. Juni 2006 hinzuweisen, in welcher der EGMR der mancherorts feststellbaren Tendenz, die Situation von Tschetschenen innerhalb der Russischen Föderation zu verallgemeinern, eindeutig eine Absage erteilt habe. Wie die Länderfeststellungen der Erstbehörde und insbesondere die vorangeführte EGMR-Entscheidung zeige, handle es sich bei etwaigen Registrierungsschwierigkeiten von Tschetschenen in russischen Gebieten außerhalb Tschetscheniens um durchaus überwindbare Probleme. Im Fall des Beschwerdeführers komme hinzu, dass er ein familiäres Netz in Saratov habe. Auch wenn der Beschwerdeführer deren Dasein als sehr schwierig darstelle, dürfe mit Blick auf den bekanntermaßen traditionell äußerst engen Zusammenhalt innerhalb der tschetschenischen Großfamilie davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer dort eine Basisunterstützung zur Verfügung stehe, welche die Gefahr einer existenzbedrohenden Verelendung im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. der notgedrungenen Rückkehr in das Verfolgergebiet um Grosny nicht real erscheinen lasse.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerde rügt als Verfahrensmangel, aus den Feststellungen der belangten Behörde gehe nicht klar hervor, ob die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Aktivitäten für den Widerstand für wahr angesehen wurden. Für die richtige rechtliche Beurteilung des Gesamtvorbringens des Beschwerdeführers, insbesondere die Prüfung des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative, sei dies aber unerlässlich; denn schon aus den erstinstanzlichen Feststellungen gehe hervor, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative nur bei fehlendem politischen Einsatz für die tschetschenischen Rebellen und bei fehlenden Hinweisen auf eine drohende Verfolgung angenommen werden könne.

Überdies macht die Beschwerde geltend, dass sich der Beschwerdeführer bis zur Ausreise im Jahr 2003 versteckt gehalten habe. Hätte er angegeben, nach den an ihm verübten schweren Menschenrechtsverletzungen unbehelligt an einem offiziellen Wohnsitz innerhalb der Russischen Föderation aufhältig gewesen zu sein, so wäre die Schlussfolgerung der belangten Behörde, die wohlbegründete Furcht des Beschwerdeführers habe nicht bis zu seiner Ausreise angedauert, nachvollziehbar. Dass sich der Beschwerdeführer aber jahrelang versteckt hielt, könne auf keinen anderen Grund als Furcht zurückgeführt werden, da sich wohl niemand aus Vergnügen derart lange verberge. Die wohlbegründete Furcht im Sinne der Flüchtlingskonvention liege daher vor.

Dazu ist vorweg festzuhalten, dass die belangte Behörde ihrer rechtlichen Beurteilung ausdrücklich das (Gesamt)Vorbringen des Beschwerdeführers zugrunde gelegt hat. Insofern bestehen auch keine Zweifel darüber, welchen Sachverhalt sie einer rechtlichen Beurteilung unterzog. Der gerügte Feststellungsmangel liegt daher nicht vor.

Zu prüfen bleibt, ob die Abweisung des Asylantrages auf der Grundlage des Vorbringens des Beschwerdeführers einer nachprüfenden Kontrolle standhält. Das ist zu verneinen.

Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG zugrundeliegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1998, 98/01/0262, u.a.).

Es ist der belangten Behörde zuzugeben, dass die Voraussetzung "wohlbegründeter Furcht" in der Regel nur dann erfüllt wird, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 13. Jänner 1999, 98/01/0361, vom 24. März 1999, 98/01/0513, vom 19. Oktober 2000, 98/20/0430, und zuletzt etwa vom 30. August 2007, 2006/19/0400). Jedoch besteht der für die Annahme einer aktuellen Verfolgungsgefahr erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen behaupteten Misshandlungen und dem Verlassen des Landes auch bei länger zurückliegenden Ereignissen dann, wenn sich der Asylwerber während seines bis zur Ausreise noch andauernden Aufenthalts im Herkunftsstaat verstecken oder sonst durch Verschleierung seiner Identität der Verfolgung (einstweilen) entziehen konnte. Ab welcher Dauer eines derartigen Aufenthalts Zweifel am Vorliegen einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung begründet erscheinen mögen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. November 1995, 94/20/0793).

Der Beschwerdeführer wurde - nach seinem von der belangten Behörde zugrunde gelegten Vorbringen - in der Zeit zwischen den Misshandlungen und seiner Ausreise weiterhin gesucht und musste sich versteckt halten. Dass die belangte Behörde trotzdem zu dem Ergebnis gelangte, der Beschwerdeführer habe im Zeitpunkt seiner Flucht keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (mehr) gehabt, ist angesichts dessen nicht nachzuvollziehen.

Auch entfernt sich die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung von den Angaben des Beschwerdeführers. Entgegen ihren Annahmen lässt sich dem Vorbringen des Beschwerdeführers nämlich nicht entnehmen, dass den "russisch-föderalen" Sicherheitskräften das wahre Ausmaß der unterstützenden Tätigkeit des Beschwerdeführers für seine Landsleute bekannt war und sie ihn ungeachtet dessen freigelassen hatten. Der Beschwerdeführer hatte ausgesagt, bei den Verhören von einer Hilfstätigkeit für Frauen und Kinder erzählt zu haben, während seine Unterstützung in Wirklichkeit auch tschetschenischen Kämpfern zugute gekommen sei. Um die Verfolgungsgefahr für den Beschwerdeführer richtig einzuschätzen, hätte es daher auch der Überlegung bedurft, ob den Sicherheitskräften der wahre Sachverhalt bekannt geworden sein oder bekannt werden könnte.

Wenn die belangte Behörde an einer Stelle ihrer Bescheidbegründung andeutete, eine im Ausreisezeitpunkt allenfalls noch bestehende Verfolgungsgefahr sei mittlerweile weggefallen (arg.: "so ist eine solche Verfolgung zum gegenwärtigen Zeitpunkt infolge der - durch die von der Erstbehörde herangezogenen Berichte gezeigten - Entwicklung in der russischen Föderation im konkreten Fall jedenfalls zu verneinen"), legte sie diesbezüglich nicht näher dar, auf welche "Entwicklungen" im Herkunftsstaat sie dabei abstellte und wieso diese gegen eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus den von ihm angeführten Gründen sprechen sollten. Für die Annahme einer die Verfolgungsgefahr beseitigenden Lageänderung im Herkunftsstaat reichen die Feststellungen im angefochtenen Bescheid daher nicht aus.

Somit kommt der Frage, ob dem Beschwerdeführer in der Russischen Föderation eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung stand bzw. steht, entscheidungsrelevante Bedeutung zu. Eine inländische Fluchtalternative ist aber nur dann gegeben, wenn sie vom Asylwerber in zumutbarer Weise in Anspruch genommen werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2006, 2006/19/0297, mwN). Herrschen am Ort der ins Auge gefassten Fluchtalternative Bedingungen, die eine Verbringung des Betroffenen dorthin als Verstoß gegen Art. 3 EMRK erscheinen lassen würden, so ist die Zumutbarkeit jedenfalls zu verneinen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 2004, 2003/01/0534).

Im gegenständlichen Fall ging die belangte Behörde von einer zumutbaren inländischen Fluchtalternative aus, obwohl dem Beschwerdeführer - schon von der ersten Instanz - Abschiebeschutz mit der Begründung gewährt worden war, seine Rückkehr würde ihn in der gesamten Russischen Föderation wegen seiner psychischen Erkrankung in eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Lage bringen. Diesem Umstand hat die belangte Behörde in ihrer Entscheidung (rechts-)irrtümlich keine Bedeutung beigemessen. Er steht nach dem Gesagten aber auch der Annahme einer zumutbaren inländischen Fluchtalternative jedenfalls entgegen. Deshalb braucht auch nicht darauf eingegangen zu werden, ob die verallgemeinernden Schlussfolgerungen, die von der belangten Behörde aus dem Erkenntnis des EGMR vom 1. Juni 2006 im Fall Jeltusjeva gegen die Niederlande, Application Nr. 39858/04, gezogen werden, insbesondere für die hier relevante asylrechtliche Frage der Zumutbarkeit einer inländischen Fluchtalternative zutreffen.

Die belangte Behörde hat somit die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" im gegenständlichen Fall zu Unrecht verneint und auch in ihrer Einschätzung des Vorhandenseins einer inländischen Fluchtalternative die Rechtslage verkannt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 17. März 2009

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