VwGH 2007/18/0782

VwGH2007/18/078216.6.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des A S in N, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 19. September 2007, Zl. Fr-368/2/07, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §10 Abs2;
FrPolG 2005 §1 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §65 Abs2;
FrPolG 2005 §65 Abs3;
AsylG 2005 §10 Abs2;
FrPolG 2005 §1 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §65 Abs2;
FrPolG 2005 §65 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf zehn Jahre befristetes Rückkehrverbot.

Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 6. Juli 2006 (richtig: 2007) wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch gemäß § 127, § 128 Abs. 1 Z. 4, § 129 Z. 1 und Z. 2 StGB und des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch gemäß § 127, § 129 Z. 1 und Z. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, davon sieben Monate bedingt, verurteilt worden sei.

Diesem Urteil sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer mit dem Vorsatz, sich durch Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, vier namentlich genannten Opfern an verschiedenen Tagen zwischen 11. Oktober 2006 und 16. Mai 2007 fremde bewegliche Sachen, nämlich sechs Garnituren Reifen im Gesamtwert von EUR 12.000,--, ein Autoradio im Wert von EUR 500,-- und den Bedienteil der Klimaelektronik im Wert von EUR 400,--, einen DVD-Player im Wert von EUR 1.300,-- sowie Bargeld in der Höhe von EUR 477,52, Zigaretten im Wert von EUR 2.026,10 und diverse Sportartikel im Gesamtwert von EUR 25.029,15 durch Aufbrechen von Behältnissen, Einbrechen in Kraftfahrzeuge durch Einschlagen der Seitenscheiben bzw. Einbruch in ein Sportgeschäft weggenommen habe.

Auf Grund der Vielzahl der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten im Bereich der Eigentumskriminalität sei eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nicht abwendbar, weil nur damit gesichert sei, dass von ihm künftig im Bundesgebiet keine Rechtsbrüche mehr begangen werden könnten. Die Tathandlungen seien gewerbsmäßig ausgeführt worden und lägen erst etwa ein Jahr zurück, weshalb eine negative Zukunftsprognose zu erstellen sei. Die große Anzahl der gestohlenen Gegenstände lasse deutlich erkennen, dass der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt vorwiegend durch die Diebstähle finanziert habe.

Der Beschwerdeführer sei im Juni 2002 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am 1. Juli 2002 einen Asylantrag gestellt, dem zweitinstanzlich durch den unabhängigen Bundesasylsenat mit rechtskräftiger Wirkung vom 18. Februar 2004 keine Folge gegeben worden sei. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2002 sei der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und am 24. Februar 2004 in sein Heimatland abgeschoben worden.

Am 29. August 2007 habe der Beschwerdeführer neuerlich einen Asylantrag gestellt, über den bis dato noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei. Es sei jedoch aktenkundig, dass dem Beschwerdeführer weder auf Grund des ersten noch des zweiten Asylantrages eine Aufenthaltsberechtigung nach asylrechtlichen Bestimmungen zugekommen sei.

Zu seinen privaten Interessen habe der Beschwerdeführer in der Berufung vorgebracht, er halte sich - mit einer kurzen Unterbrechung - seit fünf Jahren im österreichischen Bundesgebiet auf und sei ca. zwei Jahre mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet gewesen. Kurzfristig sei er selbständig erwerbstätig gewesen und habe anschließend für verschiedene Firmen gearbeitet.

Im Hinblick auf § 66 FPG - so die belangte Behörde - sei die aufenthaltsbeendende Maßnahme zur Aufrechterhaltung der nationalen Sicherheit sowie der öffentlichen Ruhe und Ordnung dringend erforderlich und unabdingbar zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, insbesondere zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer im Bereich der Eigentumskriminalität. Dieser habe die Straftaten zum Teil gewerbsmäßig ausgeführt und sei auf dem österreichischen Arbeitsmarkt als nicht integriert einzustufen. Daher sei ein Rückfall mit hoher Wahrscheinlichkeit zu gewärtigen, was die negative Zukunftsprognose zusätzlich untermauere. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von einer Erlassung des Rückkehrverbotes auf Grund der überwiegenden öffentlichen Interessen wögen wesentlich schwerer als die Auswirkungen der Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen, insoweit unbestrittenen Feststellungen zu dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 6. Juli 2007 begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG - auf den in § 62 Abs. 2 leg. cit. (u.a.) verwiesen wird - erfüllt sei, keinen Bedenken.

Der Verurteilung liegt zu Grunde, dass der Beschwerdeführer zwischen Oktober 2006 und Mai 2007 durch die oben beschriebenen Handlungen die Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls sowie des Einbruchsdiebstahls begangen hat und dafür zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, davon sieben Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt worden ist. Angesichts der vorsätzlichen und gewerbsmäßigen Tatbegehungen bei mehreren Tathandlungen begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand. Wenn der Beschwerdeführer dagegen ins Treffen führt, das Gericht habe sein umfassendes und reumütiges Geständnis als mildernd gewertet und die Strafe nur zu einem geringen Teil unbedingt ausgesprochen, so ist ihm zu erwidern, dass die Fremdenpolizeibehörden die Gefährdungsprognose eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts, unabhängig von den strafgerichtlichen Erwägungen zur Strafbemessung, wie etwa zu den Milderungsgründen, zu treffen haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2010, Zl. 2007/18/0627, mwN). Mit der bloßen Behauptung, der Beschwerdeführer habe das Übel der Haft bereits verspürt, bereue seinen Fehler zutiefst und sei fest entschlossen, "wieder ein normales Leben weiterzuführen", vermag die Beschwerde die Gefährdungsannahme der belangten Behörde nicht wirksam zu bekämpfen, lag doch die letzte Tatbegehung am 16. Mai 2007 nur etwa vier Monate vor Erlassung des angefochtenen Bescheides, sodass die seit der letzten Tatbegehung verstrichene Zeit bei weitem zu kurz ist, um vom Wegfall oder einer erheblichen Minderung der vom Beschwerdeführer herrührenden Gefahr ausgehen zu können.

Nach § 62 Abs. 3 FPG ist bei der Erlassung eines Rückkehrverbotes u.a. auch auf § 66 FPG Bedacht zu nehmen. Diesbezüglich rügt die Beschwerde, die Erlassung des auf zehn Jahre befristeten Rückkehrverbotes gegen den Beschwerdeführer sei im Hinblick auf Art. 8 EMRK unverhältnismäßig, weil der Schutz des Privat- und Familienlebens im gegenständlichen Fall das öffentliche Interesse bei weitem überwiege. Der Beschwerdeführer halte sich seit Juni 2002 in Österreich auf, sei privat und sozial bestens integriert und nie eine Belastung für eine öffentliche Körperschaft gewesen. Künftig werde er arbeiten und ein geordnetes Privatleben führen.

Damit gelingt es der Beschwerde jedoch nicht, eine Fehlerhaftigkeit der behördlichen Interessenabwägung aufzuzeigen. Die Feststellungen, der Beschwerdeführer sei nach seiner ersten Einreise im Oktober 2002 im Februar 2004 in sein Heimatland abgeschoben worden und habe nach seiner neuerlichen Einreise weder auf Grund seines ersten noch seines zweiten Asylantrages über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach asylrechtlichen Bestimmungen verfügt, blieben unbestritten. Laut Verwaltungsakten war der Beschwerdeführer zwischen 3. März 2004 und 3. Mai 2005 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Im erstinstanzlichen Bescheid wurde dazu festgestellt, der Beschwerdeführer sei geschieden, habe keine Sorgepflichten und sei am Arbeitsmarkt nicht integriert; zum Bundesgebiet der Republik Österreich hätten somit weder berufliche noch familiäre Bindungen nachgewiesen werden können. Diese Feststellungen blieben unbestritten. Die Beschwerde räumt selbst ein, dass der Beschwerdeführer derzeit nicht berufstätig ist ("Er wird künftig arbeiten …"). Insofern ist nicht nachvollziehbar, worin die - auch in der Beschwerde nicht näher konkretisierte - besondere private und soziale Integration des Beschwerdeführers liegen soll. Das Vorbringen, der Beschwerdeführer sei nie eine Belastung für eine öffentliche Körperschaft gewesen, vermag seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt in Österreich nicht zu stärken, weil bei der Interessenabwägung gemäß § 66 FPG zu Gunsten des Fremden nur die den privaten und familiären Bereich betreffenden Umstände, nicht jedoch öffentliche Interessen zu berücksichtigen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2010, Zl. 2010/18/0388, mwN).

Den persönlichen Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht das öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen im Bereich der Eigentumskriminalität gegenüber, das die Erlassung des Rückkehrverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen als dringend geboten erscheinen lässt. Die Auffassung der belangten Behörde, die Erlassung des Rückkehrverbotes sei gemäß § 66 FPG zulässig, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Sofern die Beschwerde auf Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25. Februar 1964 hinweist, ist daraus - abgesehen davon, dass diese Richtlinie zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr in Geltung stand - für den Beschwerdeführer schon deshalb nichts gewonnen, weil sich weder aus der Beschwerde noch aus den Verwaltungsakten ein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass die die Richtlinie 64/221/EWG ändernde Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004 auf den gegenständlichen Sachverhalt schon angesichts der weniger als drei Jahre bestandenen Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin anwendbar wäre.

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht liegen auch keine besonderen Umstände vor, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen. Zum einen wurde der Beschwerdeführer - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht zu einer gänzlich bedingten Freiheitsstrafe verurteilt, zum anderen wurde auch keine "familiäre Lage" dargelegt, die die belangte Behörde nicht berücksichtigt hätte. Angesichts der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Verbrechens (§ 55 Abs. 3 Z. 1 FPG) wäre eine auf einer Ermessensabwägung beruhende Abstandnahme von der Erlassung des Rückkehrverbotes auch nicht im Sinn des Gesetzes gelegen.

Soweit die Beschwerde rügt, die belangte Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren und eine unrichtige Sachverhaltsfeststellung durchgeführt, zeigt sie die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels schon deshalb nicht auf, weil sie nicht konkret darlegt, zu welchem Ergebnis weitere Ermittlungen geführt hätten bzw. in welchen Punkten der Sachverhalt unrichtig festgestellt worden ist.

Wird einem Fremden der Status eines Asylberechtigten zuerkannt, tritt das Rückkehrverbot gemäß § 65 Abs. 2 FPG außer Kraft. Gleiches gilt nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung, wenn dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird, ohne dass damit eine Ausweisung gemäß § 10 Abs. 2 Asylgesetz 2005 verbunden wird. Im Übrigen entfaltet das Rückkehrverbot solange keine Wirkung, als einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt ist (§ 65 Abs. 3 FPG). Es ergibt sich daher bereits zweifelsfrei aus den gesetzlichen Bestimmungen, dass - anders als der Beschwerdeführer meint - der unbekannte Ausgang des Asylverfahrens der Erlassung eines Rückkehrverbotes nicht entgegensteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2010, Zl. 2007/21/0528, mwN).

Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 16. Juni 2011

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