VwGH 2007/18/0659

VwGH2007/18/065911.5.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde 1. der S N, geboren am 12. Dezember 1972, 2. des H N, geboren am 10. Juli 1993, sowie 3. der V N, geboren am 26. Jänner 1995, alle in W, alle vertreten durch Dr. Mathias Preuschl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rudolfsplatz 12/7, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. Juni 2007, 1. Zl. E1/288.134/2007, 2. Zl. E1/288.082/2007 sowie 3. Zl. E1/288.059/2007, betreffend Versagung von Fremdenpässen, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art7;
FrG 1997 §76 Abs1;
FrG 1997 §81;
FrPolG 2005 §88 Abs1;
FrPolG 2005 §92;
StGG Art2;
B-VG Art7;
FrG 1997 §76 Abs1;
FrG 1997 §81;
FrPolG 2005 §88 Abs1;
FrPolG 2005 §92;
StGG Art2;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 27. Juni 2007 wurden Anträge der beschwerdeführenden Parteien vom 6. bzw. 12. April 2007 auf Ausstellung von Fremdenpässen gemäß § 88 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, abgewiesen.

Begründend führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die beschwerdeführenden Parteien in einer Stellungnahme vom 26. April 2007 angegeben hätten, einen Fremdenpass dringend zu benötigen, insbesondere weil auch eine Ersichtlichmachung eines bestehenden Daueraufenthaltsrechtes in Form einer Aufenthaltskarte durch die zuständige Magistratsabteilung nur dann durchgeführt werde, wenn sich die Antragsteller mit entsprechenden Lichtbildausweisen ausweisen könnten. Den beschwerdeführenden Parteien verbleibe darüber hinaus zu ihrer Legitimation bei Polizeikontrollen lediglich der am 23. August 2006 abgelaufene Fremdenpass der Erstbeschwerdeführerin, in dem der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin (die Kinder der Erstbeschwerdeführerin) mit eingetragen worden seien; es bestehe daher für die beschwerdeführenden Parteien die permanente Gefahr, zur Feststellung ihrer Personenidentität einer vorläufigen polizeilichen Gewahrsame ausgesetzt zu werden.

In den Berufungen gegen die erstinstanzlichen Bescheide hätten die beschwerdeführenden Parteien unter anderem ausgeführt, dass sie staatenlos seien. Der Erstbeschwerdeführerin sei schon einmal - nämlich am 24. August 2001 - ein Fremdenpass ausgestellt worden. Der Fremdenpass sei für die beschwerdeführenden Parteien sowohl zur Erlangung einer Bestätigung über ihr Aufenthaltsrecht (der so genannten Aufenthaltskarte) bzw. zum Nachweis ihrer Identität bei fremdenrechtlichen Polizeikontrollen notwendig als auch dafür, um ihr Recht auf Freizügigkeit der Person innerhalb der Europäischen Union ausüben zu können.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass gemäß § 88 Abs. 1 FPG Fremdenpässe - sofern dies in Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik Österreich gelegen sei - für den in jener Bestimmung in den Ziffern 1 bis 6 umschriebenen Personenkreis ausgestellt werden könnten. Da im vorliegenden Fall ein derartiges positives Interesse der Republik Österreich weder von den beschwerdeführenden Parteien hinreichend geltend gemacht worden noch aus dem Akteninhalt erkennbar sei, seien die gegenständlichen Anträge auf Ausstellung von Fremdenpässen abzuweisen.

2. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden jeweils mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung von Gegenschriften Abstand.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen Beschwerden erwogen:

1.1. Die mit "Ausstellung von Fremdenpässen" überschriebene Bestimmung des § 88 Abs. 1 FPG hat den folgenden Wortlaut:

"§ 88. (1) Fremdenpässe können, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, auf Antrag ausgestellt werden für

1. Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen;

2. ausländische Staatsangehörige, die zum unbefristeten Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt und nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;

3. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen und bei denen im Übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels gegeben sind;

4. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich das für die Auswanderung aus dem Bundesgebiet erforderliche Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;

5. ausländische Staatsangehörige, die seit mindestens vier Jahren ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben, sofern der zuständige Bundesminister oder die Landesregierung bestätigt, dass die Ausstellung des Fremdenpasses wegen der vom Fremden erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder des Landes liegt oder

6. Fremde, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, wenn humanitäre Gründe deren Anwesenheit in einem anderen Staat erfordern, es sei denn, dies wäre aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht geboten."

1.2. Nach der ständigen - schon zu der im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des § 76 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 ergangenen - hg. Rechtsprechung ist für die Verwirklichung jedes einzelnen der in § 88 Abs. 1 FPG umschriebenen Tatbestände wesentliche Voraussetzung für die Ausstellung eines Fremdenpasses, dass dies in Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist. Für die Ausstellung eines Fremdenpasses kommt es somit nicht bloß darauf an, dass diese im Interesse des Fremden gelegen ist, sondern es muss auch ein positives Interesse der Republik Österreich an der Ausstellung eines Fremdenpasses für diesen Fremden bestehen. Österreich eröffnet mit der Ausstellung eines Fremdenpasses dem Inhaber die Möglichkeit zu reisen und übernimmt damit auch eine Verpflichtung gegenüber den Gastländern. Diese an sich nur gegenüber Staatsbürgern einzunehmende Haltung erfordert einen restriktiven Maßstab (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 29. Jänner 2008, Zl. 2007/18/0601, sowie vom 6. September 2007, Zl. 2005/18/0505).

1.3. Die Beschwerden bringen unter anderem vor, dass den beschwerdeführenden Parteien durch die Nichtausstellung eines Fremdenpasses die Möglichkeit einer Reise in das Ausland genommen werde. Dieser Umstand stellt allerdings gerade keinen Grund dar, der ein öffentliches Interesse im Sinn des § 88 Abs. 1 FPG dartun könnte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. November 2003, Zl. 2003/21/0053 = VwSlg. 16223A, zu der insofern gleichlautenden Bestimmung des § 76 Abs. 1 Fremdengesetz 1997).

1.4. In ihren Verfahrensrügen machen die Beschwerden zusammengefasst geltend, dass die den angefochtenen Bescheiden vorangegangenen Ermittlungsverfahren trotz der im Verwaltungsverfahren von den beschwerdeführenden Parteien angegebenen Gründe für die Ausstellung von Fremdenpässen mangelhaft geblieben seien.

Damit legen die Beschwerden aber zum einen nicht dar, welche weiteren Erhebungen die belangte Behörde hätte durchführen müssen und zu welchen konkreten Feststellungen sie durch ein ergänzendes Ermittlungsverfahren gelangt wäre, sodass sie zu anderen Bescheiden hätte kommen können; die Beschwerden tun somit die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dar.

Zum anderen sei darauf verwiesen, dass die beschwerdeführenden Parteien auch in ihrer Stellungnahme vom 26. April 2007 und in ihren Berufungen gegen die erstinstanzlichen Bescheide im Wesentlichen lediglich ihr Interesse an der Ausstellung von Fremdenpässen, um darin ihr Aufenthaltsrecht ersichtlich machen lassen zu können, vorgebracht haben.

1.5. Ein Interesse der Republik Österreich im Sinn des § 88 Abs. 1 FPG wäre zwar auch dann anzunehmen, wenn die Republik Österreich eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung träfe, den beschwerdeführenden Parteien Reisedokumente auszustellen und keiner der in § 92 FPG normierten Versagungsgründe vorläge (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2004, Zl. 2001/18/0148, zu den entsprechenden Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997); dies ist allerdings hier - anders als bei dem dem bereits zitierten hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2008 zugrunde liegenden Sachverhalt - nicht der Fall.

1.6. Aus diesen Gründen besteht gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass es nicht ersichtlich sei, worin im vorliegenden Fall ein positives Interesse der Republik Österreich daran gelegen sein solle, den beschwerdeführenden Parteien Fremdenpässe auszustellen, kein Einwand.

2. Entgegen dem in den Beschwerden vertretenen Standpunkt ist auch die früher erfolgte Ausstellung eines Fremdenpasses an die Erstbeschwerdeführerin für den vorliegenden Fall ohne Relevanz (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 19. November 2003), ist doch die von der belangten Behörde vorliegend getroffene Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden. Ein gesetzmäßiger Bescheid wird aber auch dann nicht etwa gleichheitswidrig, wenn die Behörde ein Gesetz abweichend von ihrer sonstigen Praxis in einem Einzelfall anwendet (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2006, Zl. 2001/04/0134 = VwSlg. 16964A).

3. Die in den Beschwerden im Hinblick auf in Österreich rechtmäßig niedergelassene Fremde, die - im Gegensatz zu den beschwerdeführenden Parteien - nicht staatenlos sind, sondern über eine andere Staatsangehörigkeit als die österreichische und einen gültigen Reisepass ihres Herkunftslandes verfügen, geäußerten gleichheitsrechtlichen Bedenken (offenbar gegen die Bestimmung des § 88 Abs. 1 Z. 1 FPG) vermag der Verwaltungsgerichtshof schon angesichts der hier gegebenen relevanten Unterschiede im Tatsachenbereich (vgl. etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1992, Zl. 90/16/0167, und Mayer, B-VG4 Anm. III.1. zu Art. 2 StGG mit Hinweisen auf die Rechtsprechung) nicht zu teilen.

4. Da sich die Beschwerden somit als unbegründet erweisen, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 11. Mai 2009

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