VwGH 2007/18/0624

VwGH2007/18/062416.6.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des X M in L, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 14. August 2007, Zl. St 237/04, betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Normen

EheG §23;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §54 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §61 Z2;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;
EheG §23;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §54 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §61 Z2;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde gegen den aus dem Kosovo stammenden Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 und Z. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Dazu führte die belangte Behörde - soweit entscheidungsrelevant - aus, der Beschwerdeführer habe erstmals am 27. März 2003 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner österreichischen Ehefrau, die er am 6. März 2003 geheiratet habe, gestellt. Daraufhin sei ihm eine bis 4. Juli 2004 gültige Niederlassungsbewilligung erteilt worden.

Am 9. Juni 2004 habe er einen Verlängerungsantrag gestellt und sich dabei erneut auf die - nach der Aktenlage noch aufrechte - Ehe gestützt.

Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe bei ihrer Vernehmung als Zeugin am 16. Juli 2004 angegeben, sie habe den Beschwerdeführer im Dezember 2002 kennengelernt. In der Folge sei sie von ihm immer wieder dahingehend bedrängt worden, die Ehe mit ihm einzugehen, um ihm ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu verschaffen. Letztendlich habe sie nachgegeben und den Beschwerdeführer geheiratet, damit er in Österreich bleiben könne. (Weiters gab die Ehefrau des Beschwerdeführers an, während der Ehe sei der Beschwerdeführer an ihrer Adresse gemeldet gewesen. Er habe zwar ab und zu bei ihr geschlafen, aber nicht in ihrem Bett, sondern auf der Couch. Dies deshalb, weil er gewusst habe, dass die Polizei Kontrollen durchführen könnte. Die Ehe sei nie vollzogen worden und der Beschwerdeführer habe nicht bei ihr gewohnt.)

Im Rahmen des Parteiengehörs habe der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 13. August 2004 angegeben, derzeit nicht mit seiner Ehefrau in der Wohnung zu leben. Dies sei darauf zurückzuführen, dass sich seine Ehefrau nach einem Urlaub im April von ihm abgewendet habe und offensichtlich auch eine ehewidrige Beziehung unterhalte. Bis zum Urlaub im April 2004 hätten sie ein gemeinsames Familienleben geführt; die Ehe sei auch vollzogen worden. Er habe daher auch keinerlei unrichtige Angaben über seine persönlichen Verhältnisse gemacht. Er versuche, die Ehe zu retten.

In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer u.a. auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Dezember 2001, Zl. 2001/19/0023 verwiesen, wonach auch bei getrennt lebenden Eheleuten das Aufenthaltsrecht bis zur rechtskräftigen Scheidung oder Nichtigerklärung der Ehe bestehe. Angesichts dessen hätte die Verlängerung der Niederlassungsbewilligung bewilligt werden müssen.

Im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde - nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen - aus, der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG sei erfüllt, weil die Ehefrau des Beschwerdeführers in eindeutiger, schlüssiger und nachvollziehbarer Weise ausgeführt habe, dass es sich im konkreten Fall um eine Aufenthaltsehe handle. Diesen Angaben sei schon deshalb mehr Gewicht beizumessen, weil es der allgemeinen Lebenserfahrung entspreche, dass derartige Angaben (Eingeständnisse) gegenüber Behörden nicht leichtfertig gemacht würden, weil der Betreffende davon ausgehen müsse, sich von der Behörde und der Exekutive "unangenehme Fragen" stellen lassen zu müssen.

An dieser Beurteilung könnten auch die Hinweise des Beschwerdeführers, dass er bereits vor der Eheschließung über die Aufenthaltsberechtigung nach asylrechtlichen Bestimmungen verfügt habe bzw. - unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 2000/18/0091 - bei Erschleichung eines Touristenvisums § 60 Abs. 2 Z. 6 FrG nicht anwendbar sei, wenn der Fremde ohnehin nach dem Aufenthaltsgesetz aufenthaltsberechtigt sei, nichts ändern. Eine Aufenthaltsberechtigung nach asylrechtlichen Bestimmungen habe lediglich temporären Charakter und der Beschwerdeführer sei seit Abweisung seines Asylantrages mit 18. Februar 2003 auch nach asylrechtlichen Bestimmungen nicht mehr aufenthaltsberechtigt.

Auch sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG dringend erforderlich, weil das Eingehen einer Ehe lediglich zum Erlangen eines Aufenthaltstitels in Österreich gesellschafts- und integrationspolitisch unerwünscht sei und einen krassen Rechtsmissbrauch darstelle. Dieses Vorgehen stelle nicht nur eine "tatsächliche" und "gegenwärtige", sondern auch eine "erhebliche" Gefahr, die zweifelsohne ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, dar.

Hinsichtlich der persönlichen und familiären Situation des Beschwerdeführers sei zu beachten, dass ihm zweifelsohne eine der Dauer des Aufenthaltes entsprechende Integration zuzubilligen sei. Wenn der Beschwerdeführer jedoch vorbringe, die Aussage seiner Ehefrau sei vor allem vor dem Hintergrund ihrer ehewidrigen Beziehung und der damit verbundenen Möglichkeit, die Ehe mit dem Beschwerdeführer zu beenden und ihn los zu werden, zu sehen, sei dieses Vorbringen angesichts der Tatsache, dass eine einvernehmliche Scheidung erst sehr spät in die Wege geleitet worden sei, unglaubwürdig.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Linz (vom 29. März 2007) sei die Ehe des Beschwerdeführers einvernehmlich geschieden worden.

Da - unter Abwägung aller oben angeführten Tatsachen - im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende Zukunftsprognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer zu wiegen schienen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, sei das Aufenthaltsverbot auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG zulässig.

Die Dauer des von der Erstbehörde verhängten Aufenthaltsverbotes sei nicht als rechtswidrig zu erkennen, zumal erst nach Ablauf dieser Zeit erwartet werden könne, dass sich der Beschwerdeführer an die im Bundesgebiet geltenden Normen halte.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2).

Gemäß § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

2. Die Beschwerde wendet sich gegen die Annahme der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe und bringt vor, der Beschwerdeführer habe aus Liebe geheiratet und mit seiner Ehefrau in einer aufrechten ehelichen Lebensgemeinschaft zusammengelebt. Auch seine Ehefrau habe mit keinem einzigen Wort erwähnt, einen Geldbetrag für die Eheschließung erhalten, sondern rein aus Zuneigung zum Beschwerdeführer geheiratet zu haben. Allein aus der Tatsache, dass dem Beschwerdeführer daraus auch fremdenrechtliche Vorteile entstanden seien, könne aber noch nicht auf das Vorliegen einer Aufenthaltsehe geschlossen werden.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg.

Auf die Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers im Zuge ihrer Vernehmung am 16. Juli 2004, wonach sie vom Beschwerdeführer und weiteren Personen zur Eheschließung gedrängt worden sei, um diesem ein Aufenthaltsrecht für Österreich zu verschaffen, die Ehe nie vollzogen worden sei und der Beschwerdeführer auch nie bei ihr gewohnt habe, geht die Beschwerde mit keinem Wort ein. Dass die Ehefrau des Beschwerdeführers kein Geld für die Eheschließung erhalten habe, ist nicht entscheidungsrelevant, weil die zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgebliche Bestimmung des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG - anders als noch § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG - die Leistung eines Vermögensvorteils nicht (mehr) voraussetzt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2010, Zl. 2010/18/0056).

Es ist nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde der - schlüssigen und nachvollziehbaren - Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers Glauben geschenkt hat, zumal der Beschwerdeführer keinen konkreten Lebenssachverhalt behauptet und unter Beweis gestellt hat, der für eine tatsächlich geführte eheliche Gemeinschaft spräche. Soweit die Beschwerde diesbezüglich einen Begründungsmangel rügt, unterlässt sie es, den behaupteten Verfahrensmangel zu konkretisieren und dessen Relevanz darzutun.

Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt und die im § 60 Abs. 1 FPG enthaltene Annahme gerechtfertigt sei, nicht zu beanstanden.

Anders als der Beschwerdeführer meint, stellt die Nichtigerklärung einer Ehe gemäß § 23 Ehegesetz keine Voraussetzung für die Feststellung des Bestehens einer Aufenthaltsehe dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 2011, Zl. 2007/18/0736).

Das Beschwerdevorbringen, der Verdacht der Aufenthaltsehe sei bereits vor der ersten Erteilung einer Niederlassungsbewilligung (auf Grund seines Antrages vom 6. März 2003) geprüft worden, steht mit dem Akteninhalt nicht im Einklang. Demnach hat die belangte Behörde erstmals, nachdem sich der Beschwerdeführer im Juni 2004 zur Verlängerung seines Aufenthaltstitels wiederum auf seine Ehe berufen hat, entsprechende Erhebungen eingeleitet. Die Ehefrau des Beschwerdeführers wurde erst im Juli 2004 vernommen und hat dabei die dem Aufenthaltsverbot zu Grunde gelegten Aussagen getätigt. Den Verwaltungsakten ist kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes zu entnehmen, der vor dem Hintergrund der zu § 61 Z. 2 iVm § 54 Abs. 1 Z. 1 FPG ergangenen hg. Judikatur (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. April 2011, Zl. 2007/18/0879, mwN) der Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes entgegenstünde.

3. In Bezug auf die Interessenabwägung gemäß § 66 FPG verweist der Beschwerdeführer darauf, dass er seit mehr als vier Jahren einer geregelten legalen Beschäftigung in Österreich nachgehe und sich immer wohlverhalten habe. Seit der Eheschließung sei ein Zeitraum von mehr als viereinhalb Jahren vergangen, und die Ehe sei mittlerweile geschieden worden. Er sei in Österreich sehr gut integriert, spreche Deutsch und habe sich einen erheblichen Freundeskreis aufgebaut.

Die belangte Behörde hat die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und die daraus resultierende Integration berücksichtigt, jedoch auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die Erteilung der Niederlassungsbewilligung auf das verpönte Verhalten zurückzuführen ist. Gleiches gilt für seinen Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt. Wenn die belangte Behörde somit im Rahmen der Interessenabwägung im Hinblick auf das hohe öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens zum Ergebnis gelangt ist, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch im Sinne des § 66 FPG zulässig sei, ist dies auch dann nicht zu beanstanden, wenn man berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer Deutsch spricht und sich in Österreich einen Freundeskreis aufgebaut hat.

4. Sofern die Beschwerde die Dauer des Aufenthaltsverbotes als unverhältnismäßig rügt, zeigt sie keine Umstände auf, die die Festsetzung einer kürzeren Dauer dieser Maßnahme geboten hätten.

5. Da sich die Beschwerde bereits aus diesem Grund als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, ohne dass auf das Vorliegen des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z. 6 FPG einzugehen gewesen wäre.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 16. Juni 2011

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