VwGH 2007/18/0538

VwGH2007/18/053825.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des M D in E, geboren am 11. März 1974, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried im Innkreis, Bahnhofstraße 20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 14. Juni 2007, Zl. St-27/06, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §10 Abs4;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
FrG 1997 §10 Abs4;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 14. Juni 2007 wurde der Beschwerdeführer, laut Beschwerdevorbringen ein Staatsangehöriger des Kosovo, gemäß §§ 31, 53 und 66 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung - auch durch Verweis auf den durch die Bezirkshauptmannschaft Eferding (die Erstbehörde) festgestellten Sachverhalt - im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass sich der Beschwerdeführer in Österreich seit ca. 10 Jahren als Saisonarbeitskraft aufhalte; seine Familie halte sich seit September 2005 - "wenngleich auch im Asylverfahren" - in Österreich auf. Die humanitäre Aufenthaltserlaubnis des Beschwerdeführers sei mit 15. Oktober 2004 abgelaufen. Der Beschwerdeführer halte sich nunmehr seit etwa zweieinhalb Jahren illegal in Österreich auf.

Die Erstbehörde habe unter genauer Schilderung des Sachverhaltes - insbesondere in Hinblick auf eine nach wie vor bestehende körperliche Behinderung des Beschwerdeführers - die Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung befürwortet; das "Bundesministerium für Inneres" habe in seinem Schreiben vom 25. August 2005 die Erteilung einer solchen Niederlassungsbewilligung abgelehnt.

Die 1975 geborene Ehefrau des Beschwerdeführers sei mit den beiden gemeinsamen Kindern, geboren 2001 und 2004, am 16. September 2005 illegal in das Bundesgebiet eingereist; das Bundesasylamt habe über die am 14. Oktober 2005 gestellten Asylanträge dieser Familienangehörigen des Beschwerdeführers noch nicht entschieden. Bis zum rechtskräftigen Abschluss der Asylverfahren komme der Ehefrau und den Kindern des Beschwerdeführers eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zu.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 53 Abs. 1, 31 Abs. 1 sowie 66 Abs. 1 FPG - im Wesentlichen aus, dass sich der Beschwerdeführer seit dem Ablauf des ihm zuletzt erteilten humanitären Aufenthaltstitels am 15. Oktober 2004 rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte. Seitdem verfüge er weder über einen Einreisetitel nach dem FPG noch über einen Aufenthaltstitel nach dem NAG.

Aufgrund der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers stelle die Ausweisung sicherlich einen Eingriff in dessen Privat- und Familienleben dar. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße, die Ausweisung sei demnach gemäß § 66 Abs. 1 FPG zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten.

Ein geordnetes Fremdenwesen sei für den österreichischen Staat von eminentem Interesse; dies umso mehr in einer Zeit, in der - wie in jüngster Vergangenheit unübersehbar geworden - der Zuwanderungsdruck kontinuierlich zunehme. Um den mit diesen Phänomenen verbundenen, zum Teil gänzlich neuen Problemstellungen in ausgewogener Weise Rechnung tragen zu können, gewännen die für Fremde vorgesehenen Rechtsvorschriften zunehmend an Bedeutung. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu.

Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, unerlaubt nach Österreich begäben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen; ebenso, wenn Fremde nach Auslaufen einer Aufenthaltsberechtigung (Einreise- und/oder Aufenthaltstitel) bzw. nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verließen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte.

Vor dem Hintergrund dieser Tatsache habe auch von der Ermessensbestimmung des § 53 Abs. 1 FPG Gebrauch gemacht werden müssen, insbesondere weil das dem Beschwerdeführer vorwerfbare Fehlverhalten (illegaler Aufenthalt in der Dauer von zweieinhalb Jahren) im Verhältnis zu der von ihm geltend gemachten Integration (Aufenthalt seit 1997; Aufenthalt seiner Familie im Bundesgebiet; Erwerbstätigkeit als Saisonarbeitskraft in Österreich) überwiege und weder aus dem Akt noch aus der Berufung besondere Umstände ersehen werden könnten, die eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers begründeten.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit ca. zehn Jahren sei insofern zu relativieren, als er "sich als Saisonarbeitskraft in Österreich nicht integrieren" habe können und sein Aufenthalt von vornherein nicht auf unbeschränkte Dauer ausgerichtet gewesen sei. Auch der Aufenthalt der Familie des Beschwerdeführers in Österreich bzw. deren Aufenthaltsdauer sei unbestimmt, weil diese lediglich im Asylverfahren stünden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass der Beschwerdeführer nach Ablauf seiner Aufenthaltserlaubnis mit 15. Oktober 2004 über keinen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet mehr verfügt. In Hinblick darauf begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 1 FPG vorgenommen Interessenabwägung und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass der Beschwerdeführer im März 2000 in Österreich einen schweren Arbeitsunfall erlitten habe, bei dem ihm die Finger der rechten Hand abgetrennt worden seien. Aufgrund dieses schweren Arbeitsunfalls habe er bis zum 15. Oktober 2004 humanitäre Aufenthaltstitel erhalten. Seine Ehefrau habe im Kosovo ab 1999 wegen der Kriegswirren und der Massaker und auch infolge einer viertägigen Inhaftierung eine zunehmende psychische Überlastung entwickelt. Aufgrund dessen sei sie im Jahr 2005 mit den gemeinsamen Kindern in das Bundesgebiet eingereist und habe Asyl beantragt.

2.2. Den Verwaltungsakten ist in diesem Zusammenhang u.a. zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer bei seinem Arbeitsunfall am 2. März 2000 durch eine Kreissägenverletzung die rechte Mittelhand verloren hat. Daraufhin wurden dem Beschwerdeführer Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen gemäß § 10 Abs. 4 Fremdengesetz 1997 erteilt, und zwar erstmals im Jänner 2001; zuletzt wurde eine derartige humanitäre Aufenthaltserlaubnis mit Gültigkeit bis 15. Oktober 2004 erteilt. Nach den im Akt erliegenden Strafregisterauskünften (zuletzt vom 15. Juni 2007) ist der Beschwerdeführer in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Zum Zeitpunkt seiner Vernehmung am 25. November 2005 war er in einer Druckerei in Oberösterreich beschäftigt.

In ihrem Ersuchen um Zustimmung zur Verlängerung der humanitären Aufenthaltserlaubnis vom 24. September 2004 führte die Erstbehörde u.a. aus, der Beschwerdeführer sei nach wie vor körperlich behindert, besuche mehrere Sprachkurse und sei als "gut integriert" anzusehen.

2.3. Vor diesem Hintergrund reicht die Begründung der belangten Behörde für die Überprüfbarkeit der Frage der Zulässigkeit der gegenständlichen Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG nicht aus.

Die belangte Behörde hat - insbesondere in Hinblick darauf, dass sich der Beschwerdeführer bereits seit 1997 in Österreich aufhält - nähere Feststellungen zur Integration und zur beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes nicht getroffen. Ein über zehnjähriger, überwiegend rechtmäßiger inländischer Aufenthalt kann allerdings den persönlichen Interessen des Fremden am Verbleib im Bundesgebiet ein großes Gewicht verleihen.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde bei Berücksichtigung der in der Beschwerde ins Treffen geführten Umstände und den angesprochenen näheren Feststellungen zu einem für den Beschwerdeführer günstigen Ergebnis gekommen wäre.

3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 25. September 2009

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