VwGH 2007/18/0496

VwGH2007/18/04966.9.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des D B, geboren 1979, vertreten durch Dr. Peter Philipp, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 17, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. März 2007, Zl. E1/78990/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §12;
AsylG 2005 §13;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
VwRallg;
AsylG 2005 §12;
AsylG 2005 §13;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 27. März 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, laut seinen Behauptungen ein georgischer Staatsangehöriger, gemäß § 62 Abs. 1 iVm Abs. 2 und § 60 Abs. 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer, dessen Identität mangels Dokumente nicht geklärt sei, sei am 14. Juli 2003 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe einen Asylantrag gestellt, der erstinstanzlich abgewiesen worden sei. Das diesbezügliche Berufungsverfahren sei anhängig.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. April 2004 sei über den Beschwerdeführer gemäß §§ 15, 127, 130 erster Fall StGB eine bedingte Freiheitsstrafe von sieben Monaten rechtskräftig verhängt worden. Diesem Urteil sei zu Grunde gelegen, dass er am 27. August 2003 einen Jahresplaner aus einem Kfz habe stehlen, am 27. Jänner 2004 eine Stereoanlage in einem Supermarkt habe an sich nehmen und, ohne zu zahlen, die Kassa habe passieren und am 7. Februar 2004 in einem Drogeriemarkt Waren im Wert von etwa EUR 64,- habe stehlen wollen sowie am 5. März 2004 ein Handy aus einem LKW entnommen habe und habe einstecken und sohin stehlen wollen.

Am 2. November 2006 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß § 223 Abs. 2, § 224 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden, weil er eine nachgemachte französische Aufenthaltskarte zum Beweis seiner Identität Ende 2005 einem Angestellten eines Handelsunternehmens, am 20. Jänner 2006 einem Angestellten der BAWAG und am 7. Februar 2006 einem Polizeibeamten vorgewiesen habe.

Seit 15. Dezember 2006 befinde sich der Beschwerdeführer wegen des Verdachtes des gewerbsmäßigen Diebstahls erneut in Untersuchungshaft.

Die genannten Urteile erfüllten den in § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG normierten Tatbestand. Die Voraussetzungen zur Erlassung des Rückkehrverbotes seien - vorbehaltlich der Bestimmung des § 66 leg. cit. - im Grund des § 62 Abs. 1 leg. cit. gegeben gewesen.

Der Beschwerdeführer sei laut seinen Angaben verheiratet. Seine Ehegattin sei im Jahr 2005 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe einen Asylantrag gestellt, der ebenfalls erstinstanzlich abgewiesen und im Stadium der Berufung anhängig sei. Sorgepflichten oder sonstige familiäre Bindungen im Bundesgebiet seien nicht aktenkundig. Zwar sei von einem mit dem Rückkehrverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen gewesen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen - dringend geboten sei. Wer, wie der Beschwerdeführer, in Österreich angeblich Schutz vor Verfolgung suche und dann hier wiederholt strafbar werde, lasse seine Geringschätzung maßgeblicher, in Österreich gültiger Rechtsvorschriften erkennen. Solcherart sei eine zu seinen Gunsten ausfallende Verhaltensprognose unmöglich gewesen. Es könne kein Zweifel bestehen, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes (offensichtlich gemeint: Rückkehrverbotes) dringend geboten und sohin im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei.

Bei der gemäß § 66 Abs. 2 FPG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gewesen. Diese wiege keinesfalls schwer, sei er doch lediglich auf Grund des gestellten Asylantrages zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt und werde die einer jeglichen Integration zu Grunde liegende soziale Komponente durch das wiederholte strafbare Verhalten entsprechend an Gewicht gemindert. Die familiären Bindungen zur Ehegattin würden insofern relativiert, als auch diese lediglich auf Grund eines Asylantrages zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt sei. Das dem Beschwerdeführer zuzuschreibende Interesse an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet sei keinesfalls ausgeprägt. Dem stehe das große öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer Straftaten gegenüber. Die Auswirkungen des Rückkehrverbotes auf seine Lebenssituation wögen keinesfalls schwerer als das in seinem Fehlverhalten gegründete große öffentliche Interesse am Verlassen des Bundesgebietes. Die Erlassung des Rückkehrverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig. Dabei sei bedacht worden, dass der Beschwerdeführer - wenn auch eingeschränkt - den Kontakt zu seiner Ehegattin gegebenenfalls auch vom Ausland aus aufrechterhalten könne, eine Einschränkung, die er im öffentlichen Interesse zu tragen haben werde.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe für die belangte Behörde keine Veranlassung bestanden, von der Erlassung des Rückkehrverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Was die Gültigkeitsdauer betreffe, so erscheine die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung auch nach Ansicht der belangten Behörde gerechtfertigt. Im Hinblick auf das dargelegte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers könne auch unter Bedachtnahme auf seine Lebenssituation vor Ablauf dieser Frist nicht erwartet werden, dass die für die Erlassung des Rückkehrverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der (gemäß § 62 Abs. 2 FPG) heranziehbare Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. erfüllt sei, begegnet in Anbetracht der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers vom 21. April 2004 - im Ergebnis - keinen Bedenken.

1.2. Die Beschwerde bestreitet die oben (I.1.) wiedergegebenen Feststellungen der belangten Behörde betreffend das den genannten beiden Verurteilungen zu Grunde liegende Fehlverhalten nicht. Sie bringt indes vor, dass trotz der Verurteilungen des Beschwerdeführers durchaus von einer günstigen Verhaltensprognose auszugehen sei, weil ihm bewusst sei, dass er gegen die österreichischen Rechtsvorschriften verstoßen habe, wozu komme, dass er jetzt erstmals das Haftübel verspürt habe. Auch sei nicht darauf eingegangen worden, dass das Landesgericht für Strafsachen Wien im Rahmen der Verurteilung des Beschwerdeführers am 2. November 2006 die im Urteil vom 21. April 2004 festgesetzte Probezeit auf (lediglich) fünf Jahre verlängert habe und warum das Strafgericht von einer wesentlich günstigeren Verhaltensprognose als die Verwaltungsbehörde ausgehe.

Diesem Vorbringen ist mit der ständigen hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2007/18/0217, mwN) zu erwidern, dass die Fremdenpolizeibehörden das Fehlverhalten des Fremden eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes und unabhängig von den gerichtlichen Erwägungen betreffend die Strafbemessung bzw. die Gewährung einer bedingten Strafnachsicht zu beurteilen hatten. Bei den der Verurteilung vom 21. April 2004 zu Grunde liegenden Straftaten ging der Beschwerdeführer gewerbsmäßig, das heißt in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 130 erster Fall iVm § 70 StGB), vor. Obwohl er bereits einmal, nämlich wegen dieser Straftaten, gerichtlich verurteilt worden war, wurde er neuerlich straffällig, indem er, wie oben (I.1.) dargestellt, eine falsche Urkunde im Rechtsverkehr als Beweisurkunde wiederholt gebrauchte.

In Anbetracht dieses Gesamtfehlverhaltens kann keine Rede davon sein, dass die belangte Behörde von einer für den Beschwerdeführer günstigen Verhaltensprognose hätte ausgehen müssen, und begegnet ihre Ansicht, dass die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand.

2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 62 Abs. 3 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers die Dauer seines inländischen Aufenthaltes seit 14. Juli 2003 berücksichtigt. Zu Recht hat sie die daraus resultierende Integration in ihrer sozialen Komponente als durch die Straftaten gemindert angesehen. Hinzu kommt, dass er sich nur auf Grund einer vorläufigen asylrechtlichen Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet aufhält. Darüber hinaus hat die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers seine Bindung zu seiner Ehegattin berücksichtigt, die sich ebenfalls als Asylwerberin auf Grund einer vorläufigen asylrechtlichen Aufenthaltsberechtigung hier aufhält.

Diesen persönlichen Interessen steht die aus den mehrfachen Straftaten des Beschwerdeführers resultierende Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen - insbesondere an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen - gegenüber. Die Ansicht der belangten Behörde, dass das Rückkehrverbot zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG), begegnet daher keinen Bedenken.

Darüber hinaus ist auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass die Auswirkungen des Rückkehrverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten begründete große öffentliche Interesse am Verlassen des Bundesgebietes, nicht zu beanstanden. Wenn die Beschwerde vorbringt, es hätte darauf eingegangen werden müssen, dass der Beschwerdeführer Asylwerber sei und das Asylverfahren bisher noch nicht abgeschlossen sei, so zeigt sie mit diesem Vorbringen bereits deshalb keine Rechtswidrigkeit auf, weil ein Rückkehrverbot nach dem Wortlaut des § 62 Abs. 1 FPG (gerade) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - gegen einen Asylwerber erlassen werden darf. Solange das Asylverfahren noch nicht beendet ist, kommt ihm als Asylwerber trotz des Rückkehrverbotes faktischer Abschiebeschutz (§ 12 AsylG 2005) zu (vgl. § 13 AsylG 2005). Wenn die Beschwerde weiters vorbringt, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers im September 2006 ein Kind verloren habe und sich seither ihr Gesundheitszustand massiv verschlechtert habe, weshalb sie der Betreuung und Pflege durch ihren Ehegatten bedürfe, so legt die Beschwerde nicht dar, um welche gesundheitliche Beeinträchtigung es sich konkret handle, von welcher Dauer eine notwendige Therapie sein werde und dass diese Betreuung und Pflege nur vom Beschwerdeführer geleistet werden könne. Im Übrigen müssen die Folgen des Rückkehrverbotes ab dem Zeitpunkt, in dem dem Beschwerdeführer kein faktischer Abschiebeschutz mehr zukommen sollte, im öffentlichen Interesse in Kauf genommen werden.

3. Schließlich bestand - entgegen der Beschwerdeansicht - auch keine Veranlassung für die belangte Behörde, im Rahmen des ihr gemäß § 62 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens von der Erlassung des Rückkehrverbotes Abstand zu nehmen, sind doch weder aus dem angefochtenen Bescheid noch der Beschwerde besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 6. September 2007

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte