VwGH 2007/18/0311

VwGH2007/18/031126.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des A Z in L, geboren am 10. Juni 1979, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 27. März 2007, Zl. St 170/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 27. März 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z. 9, §§ 63, 66, 86 und 87 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Den Feststellungen der Erstbehörde (Bundespolizeidirektion Linz) in ihrem Bescheid vom 7. August 2006 zufolge habe der Beschwerdeführer am 30. Juli 2004 über die österreichische Botschaft in Sarajevo erstmalig einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitel für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö" gemäß § 49 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG gestellt und sei auf Grund eines ihm erteilten Sichtvermerkes D am 14. November 2004 in Österreich eingereist. Im Antrag habe er angegeben, die österreichische Staatsbürgerin Z. geehelicht zu haben, und habe er eine Heiratsurkunde vorgelegt. Die Erstbehörde habe ihm in weiterer Folge zweimal eine Niederlassungsbewilligung "Familiengemeinschaft mit Österreicher" gemäß § 49 Abs. 1 FrG erteilt, wobei die zuletzt erteilte Niederlassungsbewilligung eine Gültigkeitsdauer bis 11. Oktober 2006 aufgewiesen habe. Im Zeitpunkt der Erteilung sei er mit Hauptwohnsitz in L bei seiner Ehefrau als polizeilich gemeldet aufgeschienen. Mit 24. März 2006 habe er sich dort abgemeldet und mit neuem Hauptwohnsitz bei seiner Lebensgefährtin O. angemeldet.

Im Rahmen der Überprüfung sei die Ehegattin des Beschwerdeführers - wie im erstinstanzlichen Bescheid näher dargestellt - am 27. Februar 2006 und am 20. April 2004 (offensichtlich gemeint: 2006) jeweils als Zeugin vernommen worden. U.a. habe sie am 20. April 2006 detailliert ausgeführt, dass ihr der Beschwerdeführer für die Heirat EUR 7.000,-- angeboten und sie tatsächlich EUR 1.000,-- vor der Hochzeit erhalten hätte sowie vereinbart gewesen wäre, dass sie den Rest bekommen sollte, wenn er in Österreich wäre und arbeitete. Er hätte immer zu ihr gesagt, wenn sie bei der Polizei aussagte, würde er eine Strafe bekommen, was sie letztendlich davon abgehalten hätte, die Wahrheit zu sagen. Während der Ehe hätte es keine Ehegemeinschaft und keine sexuelle Beziehung gegeben. Es wäre von vornherein ausgemacht gewesen, dass die Ehe lediglich zur Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung dienen sollte.

Den weiteren Feststellungen im erstinstanzlichen Bescheid zufolge habe der Beschwerdeführer zu den Aussagen seiner Ehegattin eine (im erstinstanzlichen Bescheid näher dargestellte) Stellungnahme abgegeben und sei auch vom Stadtpolizeikommando Linz als Auskunftsperson vernommen worden. U.a. habe er angegeben, dass er für die Ehe weder Geld bezahlt noch versprochen hätte und für ihn die Ehe eine "Liebesheirat" gewesen wäre. Aus der Wohnung wäre er erst ausgezogen, als seine Frau ihn zu einer Falschaussage vor Gericht hätte überreden wollen. Er wäre zu einer guten Bekannten von ihm, O., gezogen und hätte jetzt eine feste Beziehung mit dieser. Da er Moslem wäre, hätte er keine Bedenken, als verheirateter Mann mit einer anderen Frau zusammenzuleben.

Nach Darstellung des wesentlichen Berufungsvorbringens und der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde weiter begründend aus, dass im gegenständlichen Fall § 87 FPG anzuwenden sei, weil der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei. Der Tatbestand des § 86 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 2 Z. 9 leg. cit. sei erfüllt. Seine Ehegattin habe in schlüssiger, nachvollziehbarer und glaubwürdiger Weise dargelegt, dass eine Scheinehe eingegangen worden sei. Derartige Angaben (Eingeständnisse) würden gegenüber Behörden nicht leichtfertig gemacht, müsse doch der Betreffende davon ausgehen, sich "unangenehme" Frage seitens der Behörde bzw. Exekutive stellen zu lassen. Auch würde sich die Ehegattin des Beschwerdeführers der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung (unrichtige Angaben vor Behörden) aussetzen.

Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei gemäß § 66 Abs. 1 FPG dringend erforderlich. Das Eingehen einer Ehe lediglich zur Erlangung eines Aufenthaltstitels in Österreich stelle einen krassen Rechtsmissbrauch dar. Daraus ergebe sich nicht nur eine tatsächliche und gegenwärtige, sondern auch eine erhebliche Gefahr, die zweifelsohne ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Hinsichtlich der persönlichen und familiären Situation des Beschwerdeführers sei zu beachten gewesen, dass ihm eine der Dauer seines Aufenthaltes entsprechende Integration zuzubilligen sei. Im Hinblick auf die für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative Verhaltensprognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation, weshalb das Aufenthaltsverbot auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG zulässig sei.

Da das dem Beschwerdeführer vorwerfbare Fehlverhalten (Scheinehe) im Verhältnis zu der von ihm geltend gemachten Integration (Aufenthalt in Österreich seit 2004) überwiege und weder aus der Berufungsschrift noch dem übrigen Inhalt der Verwaltungsakten besondere Umstände ersehen werden könnten, die eine Ermessensübung zu seinen Gunsten begründen würden, sei von der Ermessensbestimmung des § 60 Abs. 1 leg. cit. Gebrauch zu machen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde wendet sich gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Scheinehe (Aufenthaltsehe) und bringt vor, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers ihre "vorigen" (offensichtlich gemeint: im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen) Aussagen widerrufen und schriftlich bestätigt habe, dass es sich im gegenständlichen Fall nicht um eine Scheinehe handle und die Weiterführung der Ehe seitens seiner Ehegattin sogar angestrebt werde, was insbesondere aus dem der Beschwerde beigelegten Schreiben hervorgehe. Allein die Gefahr der falschen Zeugenaussage könne nicht die Glaubwürdigkeit einer Person begründen und die einer anderen Person abtun. Dies würde den Wertungsgrundsätzen des AVG widersprechen, nach denen alle Beweismittel gleiches Gewicht hätten und nicht die Aussage einer Zeugin und die des Beschuldigten bereits formell verschiedene Werte hätten. Es sei zwar so, dass der Beschwerdeführer momentan in einer neuen Lebensgemeinschaft lebe und sich von seiner Ehegattin scheiden lassen möchte, diese stimme einer Scheidung jedoch nicht zu und strebe an, die Ehe fortzusetzen. Die belangte Behörde habe fälschlicherweise der Aussage der Ehegattin des Beschwerdeführers mehr Gewicht beigemessen als dessen entgegenstehenden Aussage. Aus der vorgelegten Erklärung vom 30. Jänner 2007 gehe hervor, dass es sich bei der gegenständlichen Ehe um keine Scheinehe handle.

1.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Mit der Beschwerde wurde als Beilage die Kopie eines mit 30. Jänner 2007 datierten, als "Einverständniserklärung" betitelten Schreibens vorgelegt, dessen wesentlicher Inhalt lautet:

"Ich (Ehegattin des Beschwerdeführers) erkläre hiermit, dass ich mich mit meinem Ehemann (dem Beschwerdeführer) versöhnt habe. Ich möchte mich sehr herzlich entschuldigen für die entstandenen Umstände.

Die Versöhnung fand nicht statt wegen der Aufenthaltsgenehmigung, sondern weil wir eingesehen haben, dass wir einen Fehler begangen haben und voreilig gehandelt haben.

Ich habe heute die Scheidung zurückgezogen.

Ich bitte daher um Verständnis.

Hochachtungsvoll (Unterschriften)"

Die Beschwerde behauptet nicht, dass der Beschwerdeführer dieses Schreiben bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegt habe. Auch aus dem angefochtenen Bescheid ergibt sich kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass diese Erklärung der belangten Behörde vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides vorgelegt worden sei oder dass ihr gegenüber vom Beschwerdeführer oder seiner Ehegattin angegeben worden sei, dass diese - wie in der Beschwerde behauptet wird - ihre Aussagen widerrufen habe.

Im Hinblick darauf zeigt die Beschwerde nicht auf, wodurch die belangte Behörde maßgebliche Verwaltungsvorschriften verletzt habe. Angesichts des Umstandes, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren - wie sich aus den insoweit unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid ergibt - bereits zweimal vernommen worden war und kein Anhaltspunkt für einen Widerruf ihrer Aussagen durch sie bestand, war die belangte Behörde nicht gehalten, die Ehegattin des Beschwerdeführers von Amts wegen vorzuladen und neuerlich zu befragen.

Von daher begegnen die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) und die auf Grund dieser Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen keinen Bedenken.

2. Im Hinblick darauf, dass der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. September 2009, Zl. 2007/18/0838, mwN), ist auch die weitere Ansicht der belangten Behörde, dass das Fehlverhalten des Beschwerdeführers eine Gefährdung im Sinn des - im Beschwerdefall gemäß § 87 FPG anzuwendenden - § 86 (Abs. 1 erster und zweiter Satz) leg. cit. darstelle, nicht zu beanstanden.

3. In Bezug auf die Interessenabwägung nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG (idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) bringt die Beschwerde im Wesentlichen vor, dass sich der Beschwerdeführer nunmehr mit einer anderen österreichischen Staatsbürgerin (F.) in einer Lebensgemeinschaft befinde und später auch eine Heirat und eine Familiengründung geplant seien. Er gehe einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach und könne somit seinen Lebensunterhalt in Österreich verdienen. Zudem habe er einen großen Freundes- und Bekanntenkreis und spreche auch bereits gut Deutsch.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes gemäß den vorgenannten Gesetzesbestimmungen hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 2004 berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in seine persönlichen Interessen angenommen. Die aus seinem Aufenthalt resultierenden persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt in Österreich sind an Gewicht jedoch insoweit zu relativieren, als dieser nur auf Grund des Eingehens einer Aufenthaltsehe rechtmäßig war. Auch der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Erwerbstätigkeit kommt keine hier ausschlaggebende Bedeutung zu, weil ihm ein Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt nur auf Grund des Eingehens dieser Aufenthaltsehe ermöglicht wurde.

Ferner macht der Beschwerdeführer mit den Hinweis, dass er einen großen Freundes- und Bekanntenkreis habe und bereits gut Deutsch spreche, keine Umstände geltend, die seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet maßgeblich verstärken könnten. Auch die ins Treffen geführte Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner österreichischen Lebensgefährtin ist nicht von ausschlaggebender Bedeutung, musste er sich doch bei Eingehen der Lebensgemeinschaft auf Grund der ihm bekannten Gegebenheiten der Unsicherheit seines rechtlichen Aufenthaltsstatus bewusst sein.

Der Auffassung der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG zulässig sei, begegnet daher keinen Bedenken.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG zusammengesetzten Senat - gemäß § 35 Abs. 1 leg. cit. ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 26. November 2009

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