VwGH 2007/18/0184

VwGH2007/18/018415.5.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des M P, geboren 1962, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 21. Februar 2007, Zl. SD 1141/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
EheG §23 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
AVG §45 Abs2;
EheG §23 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) vom 21. Februar 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen "jugoslawischen" Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei im November 2001 illegal in das Bundesgebiet gelangt und sei am 24. Oktober 2002 durch Organe des Zollamtes bei einer Schwarzarbeit betreten worden. Er habe damals über keinen Aufenthaltstitel verfügt und angegeben, zum Besuch seines künftigen Wahlvaters in Österreich aufhältig zu sein. Im anschließend eingeleiteten aufenthaltsbeendenden Verfahren habe sich der Beschwerdeführer auf das anhängige Adoptionsverfahren berufen. Der Aufforderung vom 30. Juli 2003, eine Kopie des Adoptionsantrages vorzulegen, sei er jedoch nicht nachgekommen.

Am 16. Oktober 2003 habe der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels eingebracht, wobei er sich auf die am 8. Oktober 2003 geschlossene Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin berufen habe. Da zunächst kein Hinweis auf das Vorliegen einer Scheinehe gegeben gewesen sei, habe der Beschwerdeführer Aufenthaltstitel, zuletzt bis zum 22. Dezember 2005 erhalten.

Nachdem die Ex-Gattin des Beschwerdeführers, ebenfalls eine "jugoslawische" Staatsangehörige, in den Verdacht geraten sei, eine Ehe nur zum Schein eingegangen zu sein, seien auch bezüglich der Ehe des Beschwerdeführers polizeiliche Erhebungen eingeleitet worden. Am 6. September 2005 sei die österreichische Gattin niederschriftlich einvernommen worden. Sie habe sofort gestanden, mit dem Beschwerdeführer nur eine Scheinehe eingegangen zu sein. Sie hätte nie beim Beschwerdeführer gewohnt und es wäre nie zu sexuellen Kontakten gekommen. Sie wäre von einem Arbeitskollegen angesprochen worden, ob sie nicht dessen Neffen oder Cousin heiraten wollte, damit dieser in Österreich bleiben und arbeiten könnte. Es wäre vereinbart worden, dass sie für die Eheschließung EUR 5.000,-- bekomme. Bei der Eheschließung hätte sie tatsächlich EUR 2.000,-- erhalten. Der Beschwerdeführer wäre bei ihr angemeldet worden, hätte jedoch dort nie Unterkunft genommen. Vom Vermittler wäre ihr geraten worden, Gewand und Schuhe des Beschwerdeführers bei sich zu verwahren und bei allfälligen Überprüfungen auszusagen, dass der Beschwerdeführer auswärts arbeitete. Der Beschwerdeführer hätte ihr gesagt, dass er tatsächlich bei seiner Ex-Frau und deren Kindern wohnte. Das restliche Geld wäre ihr in Raten jeweils von den Kindern des Beschwerdeführers bzw. von dessen Ex-Frau überbracht worden. Die österreichische Gattin des Beschwerdeführers habe dessen Ex-Frau auf einem Foto eindeutig wiedererkannt. Die Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und der österreichischen Gattin sei am 11. November 2005 rechtskräftig geschieden worden.

Die Angaben der österreichischen Gattin seien lebensnah, widerspruchsfrei, detailliert und schlüssig, weshalb kein Anlass bestehe, an ihrem Wahrheitsgehalt zu zweifeln. Es sei kein Grund ersichtlich, warum sie wahrheitswidrig eine Scheinehe zugeben bzw. den Beschwerdeführer belasten sollte. Die gegenteiligen Ausführungen des Beschwerdeführers seien hingegen nicht glaubwürdig. Der Beschwerdeführer habe ein ausgeprägtes Interesse daran, den Sachverhalt in einem für ihn günstigen Licht darzustellen. Die Ehe sei geschlossen worden, als gegen den Beschwerdeführer auf Grund von Schwarzarbeit bereits ein aufenthaltsbeendendes Verfahren eingeleitet gewesen sei. Das Eingehen einer Scheinehe sei nahezu der einzige Weg gewesen, den Aufenthalt in Österreich zu legalisieren. Der Beschwerdeführer habe der Aussage seiner österreichischen Gattin, wonach er auch während der aufrechten Ehe mit seiner "jugoslawischen" Ex-Gattin zusammen gelebt habe, nichts entgegensetzen können. Der Beschwerdeführer bestreite lediglich allgemein das Vorliegen einer Scheinehe, ohne auch nur ein Beweismittel anzubieten, dass seinen Standpunkt stützen könnte.

Die belangte Behörde gelange daher zur Ansicht, dass der Beschwerdeführer zur Erlangung eines Aufenthaltstitels eine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen habe, ohne mit dieser jemals ein gemeinsames Familienleben geführt zu haben.

Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG sei daher erfüllt.

Die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots im

Grund des § 60 Abs. 1 FPG sei gegeben.

Der Beschwerdeführer habe nicht vorgebracht, dass ihn

Sorgepflichten träfen. Angesichts aller Umstände sei das Aufenthaltsverbot zwar mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Es bestehe ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Scheinehen, durch die ein Aufenthaltsrecht für Österreich erwirkt werde. Gegen dieses große öffentliche Interesse habe der Beschwerdeführer durch sein dargestelltes Verhalten gravierend verstoßen. Das Aufenthaltsverbot sei daher im Grund des § 66 Abs. 1 FPG zulässig.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 2 FPG sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts ableitbare Integration Bedacht zu nehmen. Diese Integration werde in ihrem Gewicht dadurch relativiert, dass die Berechtigung zum Aufenthalt und zur Arbeitsaufnahme durch rechtsmissbräuchliches Verhalten erwirkt worden sei. Die familiären Bindungen zu den Kindern aus erster Ehe würden dadurch relativiert, dass der Sohn bereits volljährig sei und dem Beschwerdeführer die Obsorge für die übrigen Kinder nicht zukomme. Das Gewicht der persönlichen Interessen sei zwar nicht gering, keinesfalls jedoch besonders ausgeprägt. Dem stehe das große öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlage gelange die Behörde zur Ansicht, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände bestehe keine Veranlassung, von der Erlassung des Aufenthaltsverbots im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Im Hinblick auf das dargestellte gesamte Fehlverhalten des Beschwerdeführers könne auch unter Bedachtnahme auf dessen Lebenssituation nicht erwartet werden, dass die für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Gründe vor Ablauf von zehn Jahren weggefallen sein würden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass seine österreichische Gattin nur wegen des von der belangten Behörde bereits vorweg gehegten Verdachts der Scheinehe einvernommen worden sei. Dieser Verdacht sei auch in einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme "entsprechend angekündigt" worden. Dabei handle es sich um eine unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung.

Die belangte Behörde hätte im Rahmen der freien Beweiswürdigung auch die Stellungnahme des Beschwerdeführers berücksichtigen und Gründe für dessen Unglaubwürdigkeit anführen müssen.

1.2. Wie der Beschwerdeführer selbst richtig ausführt, liegt eine unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung vor, wenn die Behörde das Ergebnis eines noch nicht aufgenommenen Beweises vorwegnimmt (vgl. etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, E 229 ff zu § 45 AVG zitierte hg. Judikatur). Der Umstand, dass die Behörde einen Verdacht hegt, auf Grund dessen sie einen Beweis aufnimmt (und anschließend würdigt), stellt ebenso wenig eine vorweggenommene Beweiswürdigung dar wie die Bekanntgabe eines Verdachtes in der Verständigung der Partei vom Ergebnis der Beweisaufnahme.

Die belangte Behörde hat in schlüssiger Weise begründet, warum sie den Angaben der österreichischen Gattin Glauben, den nur allgemein gehaltenen gegenteiligen des Beschwerdeführers jedoch keinen Glauben schenkt. Der Beschwerdeführer bringt nicht vor, welche in seiner Stellungnahme vorgetragenen Argumente im Rahmen der Beweiswürdigung nicht berücksichtigt worden seien, und tut somit die Relevanz dieses geltend gemachten Verfahrensmangels nicht dar.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf diese Ehe berufen, aber mit der Gattin ein gemeinsames Familienleben nie geführt hat, beruhen somit auf einem mängelfreien Verfahren und einer schlüssigen und daher im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Überprüfungsbefugnis (vgl. zu deren Umfang insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) unbedenklichen Beweiswürdigung.

Auf dieser Grundlage kann die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

2. Ebenso unbedenklich ist die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt und die Erlassung des Aufenthaltsverbots im Grund des § 66 Abs. 1 und Abs. 2 leg. cit. zulässig sei.

3. Da weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der Beschwerde besondere, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechende Umstände ersichtlich sind, bestand für die belangte Behörde keine Veranlassung, im Rahmen des ihr gemäß § 60 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand zu nehmen. Das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe die zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände im Rahmen der Ermessensentscheidung nicht ausreichend berücksichtigt, ist schon mangels jeglicher Konkretisierung nicht geeignet, einen Ermessensfehler aufzuzeigen.

4. Gemäß § 63 Abs. 1 FPG kann ein Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 60 Abs. 2 Z. 1, 5 und 12 bis 14 leg. cit. unbefristet und sonst - also auch im Fall des § 60 Abs. 2 Z. 9 leg. cit. - für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Nach der hg. Rechtsprechung ist ein Aufenthaltsverbot - unter Berücksichtigung dieses Rahmens - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2007/18/0059).

Der Beschwerdeführer ist zum Schein eine Ehe eingegangen, um eine Aufenthaltsberechtigung zu erlangen. Dabei handelt es sich - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - um ein das große öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in gravierender Weise beeinträchtigendes Fehlverhalten. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer auch "schwarz", also ohne die erforderliche Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, gearbeitet, was eine weitere Beeinträchtigung öffentlicher Interessen darstellt. Der belangten Behörde kann nicht entgegen getreten werden, wenn sie angesichts dieses gesamten Fehlverhaltens die Auffassung vertreten hat, dass ein Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Gründe nicht vor Verstreichen eines Zeitraumes von zehn Jahren erwartet werden könne.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 15. Mai 2007

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