VwGH 2007/18/0157

VwGH2007/18/015712.4.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des DV in W, vertreten durch Dr. Karl Bernhauser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 21. Februar 2007, Zl. SD 916/04, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, ein auf § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 25. April 2003, nachdem ihm von der Österreichischen Botschaft B (nach den damals geltenden Vorschriften des Fremdengesetzes 1997) eine Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck "kurzfristig Kunstausübender" ausgestellt worden wäre, in Österreich eingereist. Der Beschwerdeführer habe aber die in den damals vorgelegten Engagementverträgen beurkundete Beschäftigung nie angetreten. Am 12. Juli 2003 habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und kurz darauf auf diese Ehe gestützt die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt.

Bei der Ehe des Beschwerdeführers handle es sich um eine Scheinehe. Der Beschwerdeführer habe seiner späteren Ehefrau, die er im Mai 2003 erstmals getroffen habe, angeboten, EUR 7.000,-- für die Eheschließung zu bezahlen. Die ersten drei Raten habe der Beschwerdeführer in bar beglichen, die übrigen Raten habe er auf das Konto seiner Ehefrau überwiesen. Im Zuge einer polizeilichen Kontrolle seien zwar Kleidungsgegenstände in der Wohnung seiner Ehefrau vorgefunden worden, es habe sich dabei allerdings lediglich um "Alibigegenstände" gehandelt, die bewusst für den Fall einer Kontrolle aufgelegt worden seien. Da der Beschwerdeführer vorerst noch keine eigene Wohnung gehabt habe, habe er zwar in der Wohnung seiner Ehefrau in ME kurzfristig Unterkunft genommen. Er sei aber sofort ausgezogen, als er die Möglichkeit bekommen habe, in einem Zimmer seines Arbeitgebers zu leben.

Bezugnehmend auf Befragungen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau führte die belangte Behörde in weiterer Folge aus, es habe diverse Widersprüche in den Angaben dieser Personen gegeben. Dabei bezog sie sich in erster Linie auf Umstände des Lebensablaufes, Kenntnis über Verwandte des Partners, des Ablaufes des der Befragung vorangegangenen Tages und auch hinsichtlich des erstmaligen Kennenlernens der Eheleute.

Des Weiteren nahm die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung Bezug auf ein mit der Berufung vorgelegtes Schreiben der Ehefrau des Beschwerdeführers, worin diese ausgeführt habe, es habe sich doch nicht um eine Scheinehe, sondern um eine Ehe aus Zuneigung gehandelt, die aus privaten Gründen gescheitert wäre. Diese Angaben - so die belangte Behörde in ihrer Begründung weiter - habe die Ehefrau des Beschwerdeführers in einer späteren Vernehmung wieder zurückgenommen und angegeben, ihre ursprünglichen Angaben, wonach es sich um eine Scheinehe handle, seien richtig. Als Motiv für die Anfertigung des Schreibens habe die Ehefrau ausgeführt, lediglich dem Beschwerdeführer helfen zu wollen und das Schreiben aus Gefälligkeit verfasst zu haben. Es sei allerdings inhaltlich nicht richtig gewesen. Zwar habe sie fallweisen Kontakt mit dem Beschwerdeführer, aber nie eine über den Grad des "Bekanntseins hinausgehende Beziehung" gehabt. Als der Beschwerdeführer kurzfristig in ihrer Wohnung gelebt habe, sei es zu intimem Kontakt gekommen, jedoch ändere dies - so die belangte Behörde unter Bezugnahme auf die Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers - nichts daran, dass es sich um eine Scheinehe gehandelt habe.

Zu letzteren Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde ergänzend aus, das Fehlen intimer Kontakte sei grundsätzlich ein schwerwiegender Hinweis auf das Vorliegen einer Scheinehe. Jedoch könne aus dem Gegenteil nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass eine bloß aus fremdenrechtlichen Motiven geschlossene Ehe nicht vorliegen könnte. Es sei auch in diesem Punkt der Ehefrau des Beschwerdeführers zu folgen, die selbst angegeben habe, dass ein gemeinsames Ehe- und Familienleben nie "intendiert" gewesen sei. Sohin führte ein (früherer) intimer Kontakt nicht zwangsläufig dazu, dass zwingend auf das Bestehen eines Ehe- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geschlossen werden müsste. Es werde eine Konstellation wie hier nicht häufig sein, jedoch seien solche aber durchaus denkbar, was gerade der vorliegende Fall zeige, in dem es aus einem vorübergehend emotionalen oder rein sexuellen Motiv heraus zu sexuellem Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und der Ehefrau gekommen sei, ohne dass allerdings ein Ehe- und Familienleben zugrunde gelegen wäre oder die Aufnahme eines solchen beabsichtigt gewesen sei.

Es gebe keine Hinweise dafür, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers Letzteren hätte wahrheitswidrig belasten wollen. Ihren Angaben sei mehr Glaubwürdigkeit beizumessen als jenen des Beschwerdeführers, der versuche, den Sachverhalt in einem für ihn günstigen Licht darzustellen. Insbesondere sei hier nochmals auf die Angaben des Beschwerdeführers hinzuweisen, die sich als widersprüchlich erwiesen hätten und von der Unkenntnis persönlicher Lebensumstände seiner Ehefrau geprägt gewesen seien.

In ihren rechtlichen Folgerungen stellte die belangte Behörde darauf ab, das Verhalten des Beschwerdeführers stelle eine Gefährdung im Sinn des § 86 Abs. 1 (erster und zweiter Satz) FPG dar. Auf Grund des hohen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Scheinehen sei die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung jedenfalls als gegenwärtig anzusehen und beeinträchtige maßgebliche Interessen der Gesellschaft.

Zur Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei verheiratet. Sorgepflichten oder familiäre Bindungen im Bundesgebiet weise er nicht auf. Außerdem sei die Dauer des bisherigen Aufenthalts im Inland zu berücksichtigen und auf die daraus ableitbare Integration Bedacht zu nehmen. Diese wiege jedoch nicht schwer. Es sei nämlich zu bedenken, dass sich der Beschwerdeführer für die Erlangung des weiteren Aufenthalts auf eine Scheinehe gestützt habe. Da er erst dadurch Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt erhalten habe, könne auch seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit kein maßgebliches Gewicht beigemessen werden. Insgesamt sei somit das ihm zuzusprechende Interesse am Weiterverbleib im Bundesgebiet als gering einzustufen. Dem stehe das hohe öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens und an der Verhinderung von Scheinehen gegenüber. Bei Abwägung der Interessenlagen gelange die belangte Behörde zur Ansicht, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse an seinem Verlassen des Bundesgebietes und seinem Fernbleiben von diesem.

Es seien auch keine Gründe vorhanden gewesen, die es im Rahmen der Ermessensentscheidung geboten hätten, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Voraussetzungen des - infolge § 87 FPG hier zur Anwendung zu bringenden - § 86 Abs. 1 FPG gegeben sind, wenn der Fremde - im Sinn des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG - eine sogenannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheins auf diese Ehe berufen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. März 2011, Zl. 2008/18/0092).

Das Fehlen einer solcherart maßgeblichen Gefährdung sieht der Beschwerdeführer zum einen darin, dass die Feststellungen die Annahme einer Aufenthaltsehe nicht zu rechtfertigen vermocht hätten, und zum anderen, dass selbst wenn dies der Fall wäre, das Fehlverhalten bereits Jahre zurückliege.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung versucht die Beschwerde allein mit dem Hinweis auf die Feststellungen der belangten Behörde, es sei zu intimem Kontakt gekommen, zu erschüttern. Die Beschwerde legt aber in keiner Weise dar, weshalb die damit in Zusammenhang stehenden weitergehenden Ausführungen der belangten Behörde, im gegenständlichen Fall habe es - anders als in sonstigen Fällen einer Aufenthaltsehe - zwar solchen Kontakt gegeben, dies sei aber hier im Blick auf die Ausführungen der Ehefrau des Beschwerdeführers nicht darauf zurückzuführen, dass es zur Aufnahme einer familiären Beziehung im Sinne des Art. 8 EMRK gekommen sei, als unrichtig anzusehen wären. Der bloße Hinweis des Beschwerdeführers, die Ehe sei jedenfalls als "geheilt" anzusehen, ist demgegenüber nicht geeignet, die ausführlichen beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde, die tragend auf die Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers, denen zufolge trotz dieses intimen Kontaktes das Bestehen einer Beziehung im Sinn des Art. 8 EMRK zu verneinen war, fußten, als unschlüssig darzustellen.

Ausgehend von den oben wiedergegebenen Feststellungen hat die belangte Behörde sohin zutreffend das Vorliegen einer Gefährdung im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG bejaht. Daran ändert auch nichts, dass die Ehe bereits im Juli 2003 geschlossen wurde. Der Beschwerdeführer hat sich in weiterer Folge zur Beibehaltung fremdenrechtlicher Vorteile tatsachenwidrig bis zuletzt auf das Bestehen einer tatsächlich gelebten ehelichen Beziehung berufen, sodass die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen durfte, die von ihm ausgehende Gefahr sei auch im Zeitpunkt ihrer Entscheidung immer noch als gegenwärtig im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG anzusehen.

Die nach § 66 FPG von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung wird vom Beschwerdeführer nicht bekämpft. Angesichts dessen, dass er nur infolge der mit einer österreichischen Staatsbürgerin eingegangenen Scheinehe in der Lage war, seine berufliche Tätigkeit auszuüben, und sich auf diese Weise rechtsmissbräuchlich den Zugang zum Arbeitsmarkt verschafft hat, erweist es sich nicht als rechtswidrig, wenn die belangte Behörde seiner bisherigen Beschäftigung - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - kein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen hat.

Da sohin dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 12. April 2011

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