VwGH 2007/16/0183

VwGH2007/16/018329.1.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des JG in O, vertreten durch Dr. Herbert Heigl, Mag. Willibald Berger und Dr. Georg Lehner, Rechtsanwälte in 4614 Marchtrenk, Linzer Straße 11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenats (Zoll-Senat 1) vom 18. Oktober 2006, GZ. ZRV/0039-Z1W/06, betreffend Eingangsabgaben und Abgabenerhöhung, zu Recht erkannt:

Normen

31983R0918 System der Zollbefreiungen Art3 litb;
31983R0918 System der Zollbefreiungen Art5 litd;
31992R2913 ZK 1992 Art204 Abs1 lita;
31983R0918 System der Zollbefreiungen Art3 litb;
31983R0918 System der Zollbefreiungen Art5 litd;
31992R2913 ZK 1992 Art204 Abs1 lita;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der damaligen Finanzlandesdirektion vom 21. Juni 2002 wurde festgestellt, dass für den Beschwerdeführer Eingangsabgaben in bestimmter Höhe entstanden seien, und eine Abgabenerhöhung festgesetzt. Dies erfolgte mit der Begründung, dass der Beschwerdeführer einen Pkw (Porsche 911 Carrera Coupe) als Übersiedlungsgut eingangsabgabenfrei in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht habe, obwohl bereits zu diesem Zeitpunkt die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen seien, weil der Beschwerdeführer das Fahrzeug gewerblich verwendet habe.

Mit hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2006, Zl. 2003/16/0069, (Vorerkenntnis) wurde dieser Bescheid mit der Begründung aufgehoben, dass er keine Feststellungen zum konkreten Inhalt des Grundlagenbescheides vom 17. August 1999, mit welchem dem Beschwerdeführer die Abgabenbefreiung für Übersiedlungsgut gewährt worden sei, enthalten habe. Es sei daher nicht ersichtlich gewesen, in welchem Umfang dieser Grundlagenbescheid Bindungswirkungen habe entfalten können. Es habe auch an Feststellungen dahingehend gemangelt, ob, wann und in welcher Form dieser Grundlagenbescheid gemäß Art. 8 ZK von der Abgabenbehörde zurückgenommen worden sei.

Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen nunmehr angefochtenen Bescheid wurde neuerlich festgestellt, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich des genannten Fahrzeugs die Voraussetzungen für die Gewährung einer Einfuhrabgabenfreiheit auf Grund der Verwendung der Ware zu besonderen Zwecken nicht erfüllt habe und daher für ihn gemäß Art. 204 Abs. 1 Buchstabe b und Abs. 3 ZK iVm § 2 Abs. 1 ZollR-DG Zoll in Höhe von ATS 63.297,-- (EUR 4.599,97) und Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von ATS 139.254,-- (EUR 10.119,98) entstanden sei. Weiters wurde eine Abgabenerhöhung in Höhe von ATS 16.663,-- (EUR 1.210,95) vorgeschrieben.

Begründend wurde wieder ausgeführt, der Beschwerdeführer, ein selbstständiger Kaufmann, habe am 6. August 1998 in Linz den Pkw (auf Grund der nachgewiesenen Ausfuhr des Fahrzeuges nach Ungarn) umsatzsteuerfrei erworben. Am 26. Juli 1999 sei dieser Pkw im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren mit Versandschein T1 von Ungarn kommend vom Zollamt Nickelsdorf nach Linz befördert worden. Mit Schreiben vom 12. August 1999 habe der Beschwerdeführer hinsichtlich dieses Fahrzeuges die Abgabenbefreiung als Übersiedlungsgut beantragt.

Am 17. August 1999 habe das Hauptzollamt Linz einen an den Beschwerdeführer gerichteten Grundlagenbescheid erlassen, mit welchem für den Pkw gemäß Art. 184 ZK iVm §§ 2 Abs. 1, 87 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 ZollR-DG und Art. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (ZollBefrVO) die Abgabenbefreiung als Übersiedlungsgut gewährt worden sei. Am selben Tag sei beim Hauptzollamt Linz unter Vorlage des Grundlagenbescheides die Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr und die Beendigung des externen gemeinschaftlichen Versandverfahrens erfolgt.

Im Zuge einer späteren Überprüfung durch das Hauptzollamt Linz sei hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer den gegenständlichen Pkw laut seiner Einnahmen-Ausgaben-Rechnung für 1999 zu 70 % für betriebliche Zwecke, nämlich im Rahmen seines beim Finanzamt Urfahr unter einer bestimmten Steuernummer veranlagten Unternehmens, verwendet habe. Deswegen habe das Hauptzollamt Linz mit Bescheid vom 15. Jänner 2001 gemäß Art. 204 Abs. 1 Buchstabe b und Abs. 3 ZK iVm § 2 Abs. 1 ZollR-DG Zoll und Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von insgesamt ATS 218.240,-- (EUR 15.860,12) und eine Abgabenerhöhung von ATS 16.948,-- (EUR 1.231,66) festgesetzt.

Nach Art. 5 Buchstabe d ZollBefrVO seien gewerblich genutzte Gegenstände von der Befreiung von den Eingangsabgaben als Übersiedlungsgut ausgeschlossen.

Es sei davon auszugehen, dass der Pkw schon im Zeitpunkt der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr im Rahmen des bereits bestanden habenden Unternehmens des Beschwerdeführers betrieblich genutzt worden sei, weil er bereits laut Anlagenverzeichnis seit 1. Jänner 1999 Teil des Anlagevermögens gewesen sei und die Steuererklärung des Beschwerdeführers bereits am 6. Mai 1999 eine betriebliche (und somit iSd ZollBefrVO) gewerbliche Nutzung ausweise. Für gewerblich genutzte Gegenstände komme aber eine Abgabenbefreiung nach Art. 5 Buchstabe d ZollBefrVO nicht in Betracht. Jede Form der (wenn auch nur teilweisen) gewerblichen Verwendung sei begünstigungsschädlich. Das wegen des Grundlagenbescheides abgabenfrei abgefertigte Fahrzeug sei von Anfang an nicht in der bewilligten Weise (nämlich zu anderer als nicht gewerblicher Nutzung) verwendet worden. Es sei schon zum Zeitpunkt der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr Teil des betrieblichen Anlagevermögens des Unternehmens des Beschwerdeführers gewesen. Die fehlerhafte Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr zur besonderen Verwendung unter Abgabenfreiheit ohne Vorliegen der in der ZollBefrVO normierten Voraussetzung führe zur Zollschuldentstehung gem. Art. 204 Abs. 1 Buchstabe b zweiter Fall ZK. Dem stehe auch nicht der Grundlagenbescheid entgegen. Dieser habe zwar kraft seiner Bindungswirkung die abgabenfreie Überführung des Pkw in den zollrechtlich freien Verkehr mittels mündlicher Zollanmeldung bewirkt, den Beschwerdeführer aber nicht davon befreit, den Verwendungspflichten nach der ZollBefrVO zu entsprechen. Werde der Verpflichtung zur Verwendung der Ware zu besonderen Zwecken von Anfang an nicht entsprochen, bedürfe es keiner Entfernung des Grundlagenbescheides aus dem Rechtsbestand, zumal die in diesem Bescheid getroffene Feststellung, dass es sich bei dem genannten Fahrzeug um ein Übersiedlungsgut handle, auch die Verpflichtung beinhalte, den Pkw entsprechend seiner Verwendungsverpflichtung zu nutzen. Der Grundlagenbescheid bilde geradezu die Basis für die Abgabenfestsetzung nach der Missachtung dieser als Auflage wirkenden Einschränkung. Vor diesem Hintergrund erübrige sich die Prüfung der Frage, ob im vorliegenden Fall allenfalls die gesetzlichen Voraussetzungen für die Rücknahme des Grundlagenbescheides vorgelegen seien. Die Abgabenbegünstigung sei auch nicht völlig bedingungslos, sondern ausschließlich nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen gewährt worden, die letztlich nicht erfüllt worden seien.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 25. September 2007, B 2039/06, lehnte dieser die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie auf Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 23. Oktober 2007 an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In seiner vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Er erachtet sich in seinem Recht, dass ihm keine "Eingangsabgabeschuld" und keine Abgabenerhöhung vorgeschrieben werde, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach Art. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (im Folgenden: ZollBefrVO) ist das Übersiedlungsgut natürlicher Personen, die ihren gewöhnlichen Wohnsitz in das Zollgebiet der Gemeinschaft verlegen, vorbehaltlich der Art. 3 bis 10 von den Eingangsabgaben befreit.

Die Befreiung gilt nach Art. 3 Buchstabe b ZollBefrVO nur für Übersiedlungsgut, das am neuen gewöhnlichen Wohnsitz zu den gleichen Zwecken verwendet werden soll.

Art. 5 Buchstabe d ZollBefrVO schließt gewerblich genutzte Gegenstände, außer tragbaren Instrumenten und Geräten für handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeiten, von der Befreiung aus.

Die Feststellung der Einfuhrabgabenfreiheit erfolgt nach § 87 Abs. 1 ZollR-DG in dort näher angeführten Fällen mit gesonderter Entscheidung (§ 185 BAO).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 ZK wird eine begünstigende Entscheidung zurückgenommen, wenn sie auf Grund unrichtiger oder unvollständiger Tatsachen ergangen ist und dem Antragsteller die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Tatsachen bekannt war oder vernünftigerweise hätte bekannt sein müssen und sie auf Grund der richtigen und vollständigen Tatsachen nicht hätte ergehen dürfen. Nach Abs. 2 leg. cit. wird die Rücknahme der Entscheidung den Personen bekannt gegeben, an die sie gerichtet war. Nach Abs. 3 leg. cit. gilt die Rücknahme ab dem Zeitpunkt, zu dem die zurückgenommene Entscheidung ergangen ist.

Die Einfuhrzollschuld entsteht nach Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a ZK, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wird.

Nach Art. 204 Abs. 1 ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn

in anderen als den in Art. 203 genannten Fällen

a) eine der Pflichten nicht erfüllt wird, die sich bei

einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus deren vorübergehender

Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens, in das

sie übergeführt worden ist, ergeben, oder

b) eine der Voraussetzungen für die Überführung einer

Ware in das betreffende Verfahren oder für die Gewährung eines ermäßigten Einfuhrabgabensatzes oder einer Einfuhrabgabenfreiheit auf Grund der Verwendung der Ware zu besonderen Zwecken nicht erfüllt wird.

Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, sind die Verwaltungsbehörden nach § 63 Abs. 1 VwGG verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wobei die Behörde nach § 63 Abs. 1 VwGG an die im aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes geäußerte Rechtsanschauung gebunden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2007, Zl. 2006/12/0143, sowie Oberndorfer,

Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 186).

Mit dem Vorerkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den damals angefochtenen Bescheid mit der Begründung aufgehoben, dass dieser Bescheid keine Feststellungen zum konkreten Inhalt des Grundlagenbescheides vom 17. August 1999, mit welchem dem Beschwerdeführer die Abgabenbefreiung für Übersiedlungsgut gewährt worden sei, enthalte, sodass nicht ersichtlich sei, in welchem Umfang dieser Bescheid Bindungswirkungen habe entfalten können.

Bei nachträglichem Hervorkommen von begünstigungsschädlichen Umständen, welche im Zeitpunkt der Entscheidung schon bestanden haben und dem Antragsteller zumindest vernünftigerweise hätten bekannt sein müssen, müsste nämlich der begünstigende Grundlagenbescheid zurückgenommen werden, weil er sonst einer auf diese Umstände gegründeten Abgabenerhebung entgegensteht. Um beurteilen zu können, ob der Grundlagenbescheid vom 17. August 1999 tatsächlich der Abgabenerhebung entgegensteht, erweisen sich daher diesbezügliche Feststellungen (insbesondere hinsichtlich einer allfälligen Rücknahme) als unverzichtbar.

Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen und nunmehr angefochtenen Bescheid ging die belangte Behörde vom selben Sachverhalt wie der mit dem Vorerkenntnis aufgehobene Bescheid aus. Beide Bescheide enthalten die Feststellung, dass der Pkw bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des Grundlagenbescheides und Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr (beides am 17. August 1999) begünstigungsschädlich, nämlich im Rahmen eines Gewerbebetriebes, verwendet worden sei. Damit ist die belangte Behörde aber auch an die im Vorerkenntnis geäußerte Rechtsansicht gebunden, wonach dem Inhalt und dem Bestehen des Grundlagenbescheides entscheidende Bedeutung zukommen könne und daher entsprechende Feststellungen zu treffen wären.

Solche Feststellungen hat die belangte Behörde aber - mit Ausnahme jener über die Rechtskraft des Grundlagenbescheides - auch im nunmehr angefochtenen Bescheid nicht getroffen.

Die belangte Behörde hat somit in Verkennung der Bindungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes neuerlich keine ausreichenden Feststellungen in Bezug auf den Grundlagebescheid getroffen und damit ihren Bescheid schon deshalb mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Soweit die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid (zusätzlich) auf die Sachverhaltsfeststellung stützt, dass der in Rede stehende Pkw (auch) nach der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr gewerblich verwendet worden sei, vermag sie damit den Spruch des angefochtenen Bescheides nicht tragfähig zu begründen. Eine nach der Überführung in den freien Verkehr erfolgte Verletzung der Verwendungspflicht führt nämlich zum Entstehen der Eingangsabgabenschuld nach Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a ZK. Die genannten Feststellungen sind daher nicht geeignet, die Erfüllung des Zollschuldtatbestandes des Art. 204 Abs. 1 Buchstabe b ZK zu begründen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 29. Jänner 2009

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