VwGH 2007/16/0085

VwGH2007/16/008518.9.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des WS in V, vertreten durch Mag. Dr. Hubert Engstler, Wirtschaftsprüfer in 6774 Tschagguns, Zelfenstraße 24a, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 20. März 2007, Zl. IIIa-230.428, betreffend Getränkesteuer für das Jahr 1999 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Vandans, vertreten durch den Bürgermeister) und in der Beschwerdesache des Beschwerdeführers gegen die Vorarlberger Landesregierung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht,

Normen

61997CJ0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB;
VwGG §21 Abs1;
61997CJ0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB;
VwGG §21 Abs1;

 

Spruch:

1. den Beschluss gefasst:

Die wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erhobene Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen und

2. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 712,30 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der Getränkesteuererklärung vom 23. Juni 2000 für das Kalenderjahr 1999 erklärte der Beschwerdeführer getrennt für die Kalendermonate Jänner bis Dezember die Bemessungsgrundlage für die Getränkesteuer für alkoholische Getränke, alkoholfreie Getränke und Speiseeis, rechnete die jeweilige gesamte Getränkesteuerschuld für alkoholfreie Getränke und Speiseeis aus, gab die Getränkesteuer für alkoholische Getränke mit 0,-- und die gesamte Getränkesteuerschuld mit 15.073,-- an. Er stellte den Antrag auf Rückzahlung der zu viel bezahlten Getränkesteuer.

Mit dem bei der mitbeteiligten Gemeinde am 9. März 2000 eingelangten Schreiben vom 8. März 2000 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Rückzahlung der seit 1. Jänner 1995 geleisteten Getränkesteuer.

Mit Bescheid vom 7. Dezember 2005 setzte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die Getränkesteuer für den Zeitraum 1. Jänner bis 31. Dezember 1999 mit insgesamt EUR 6.170,87 sowie für die nicht fristgerecht entrichtete Getränkesteuer Säumniszuschlag mit EUR 34,69 fest. In der Begründung heißt es, der EuGH habe in seinem Urteil vom 10. März 2005 festgestellt, dass die Abgabe alkoholischer Getränke im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit durch ein Bündel von Elementen und Handlungen gekennzeichnet sei, von denen die Lieferung des Gegenstands selbst nur einen Bestandteil darstelle und bei denen die Dienstleistungen überwögen. Folglich sei eine Steuer, die in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens auf die Abgabe alkoholhaltiger Getränke im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit erhoben werde, als eine Steuer auf Dienstleistungen im Sinne von Artikel 3 Abs. 3 Unterabsatz 2 der Richtlinie 92/12 anzusehen. Da im gegenständlichen Bewirtungsbetrieb die Dienstleistungen überwögen, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und begründete diese mit eingetretener Verjährung.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 4. Dezember 2006 wies die Abgabenkommission der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung betreffend die Festsetzung der Getränkesteuer für das Jahr 1999 ab. In der Begründung heißt es, da die Getränkesteuer für das Jahr 1999 nicht vollständig entrichtet worden sei, betrage die Verjährungsfrist gemäß § 83 Abs. 2 V-AbgVG zehn Jahre. Eine Abgabenhinterziehung sei bewirkt, wenn Abgaben, die nicht bescheidmäßig festzusetzen seien, den Abgabenvorschriften zuwider nicht oder nur teilweise entrichtet würden. Der Beschwerdeführer betreibe ein Unternehmen, das dem Bereich der Gastronomie im Sinne der Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofes zuzuordnen sei. Demzufolge sei die Festsetzung der Getränkesteuer zu Recht erfolgt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung wiederholte der Beschwerdeführer die Einrede der Verjährung und behauptete weiter, dass "die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nicht "vorlägen, weil "keine neuen Tatsachen und Beweismittel hervorgekommen" seien. Die zum Anlass genommene EuGH-Entscheidung stelle auch keine Vorfragenbeantwortung dar.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung keine Folge. In der Begründung heißt es, da die Gemeinde gemäß ihren Aufzeichnungen für das Jahr 1999 eine offene Getränkesteuerforderung in Höhe von S 23.865,82 festgestellt habe, sei ein Feststellungsbescheid zu erlassen gewesen. Da die Abgabe nicht entsprechend den Erklärungen des Abgabepflichtigen zur Gänze entrichtet worden sei, ergebe sich eine offene Forderung. Insofern habe die mitbeteiligte Gemeinde zu Recht § 182 Abs. 1 lit. b V-AbgVG angewendet und innerhalb der zehnjährigen Verjährungsfrist die Getränkesteuer 1999 festgesetzt. Das Vorgehen des Beschwerdeführers, seine bewusste Nichtentrichtung der ausständigen Getränkesteuer sei als vorsätzliche Abgabenverkürzung zu qualifizieren und zu behandeln. Eine solche sei bereits bewirkt, wenn die Abgabe, die nicht bescheidmäßig festzusetzen sei, den Abgabenvorschriften zuwider nicht oder nur teilweise entrichtet worden sei. Im Beschwerdefall habe der Beschwerdeführer die Abgabe teilweise abgeführt. Da jedoch die entrichtete Abgabe nicht mit jenem Betrag übereinstimme, der tatsächlich zu bezahlen gewesen wäre, liege eine Abgabenverkürzung im Sinne des § 132 Abs. 1 lit. b V-AbgVG vor. Die Abgabenhinterziehung sei die vorsätzliche Abgabenverkürzung. Die Hinterziehung setze Vorsatz voraus, wobei bedingter Vorsatz ausreiche. Der Einwand des Beschwerdeführers betreffend die Verjährung gehe somit ins Leere. Die Festsetzung der Getränkesteuer für das Jahr 1999 sei rechtmäßig erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, in der "Rechtswidrigkeit" des Bescheides geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nichtfestsetzung von Getränkesteuer nach Eintritt der Verjährung verletzt. In den Beschwerdegründen brachte er vor, die Offenlegungspflicht sei durch die Einreichung der Jahreserklärungen erfüllt, diese gälten in abweichender Form (Nullerklärung) nach der Rechtsprechung des VwGH als Rechtsbehelf. Die erklärte Jahres-Getränkesteuer gälte nach § 82 V-AbgVG durch die Einreichung als festgesetzt.

Weiter sei der Beschwerdeführer im Recht auf Rückzahlung der Getränkesteuer verletzt worden.

Mit dem beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Beschwerdeschriftsatz erhob der Beschwerdeführer weiters Säumnisbeschwerde nach Artikel 132 B-VG, "da (ihm) mangels gültigem Getränkesteuerbescheid innerhalb der Verjährungsfrist die Möglichkeit des Rechtsmittels entzogen" worden sei. Insofern erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Rückzahlung zu Unrecht bezahlter Getränkesteuer verletzt.

Die belangte Behörde sowie die mitbeteiligte Partei erstatteten jeweils eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetzes (V-AbgVG) lauten auszugsweise:

"§ 82

Besondere Fälle der Abgabenfestsetzung

(1) Wenn die Abgabenvorschriften die Selbstbemessung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne behördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, gilt die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung festgesetzt.

(2) Die Abgabe ist mit Bescheid festzusetzen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung der Erklärung, zu der er verpflichtet ist, unterlässt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als nicht richtig erweist. Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen.

(3) Von der bescheidmäßigen Festsetzung nach Abs. 2 kann abgesehen werden, wenn der Abgabepflichtige die Mängel behebt.

§ 83

Bemessungsverjährung

(1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

(2) Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre, bei hinterzogenen Abgaben zehn Jahre.

...

(4) Die Verjährung beginnt

a) in den Fällen des Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist...

...

(8) Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 19) ab, so steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Berufung oder der Antrag vor diesem Zeitpunkt oder wenn ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens rechtzeitig im Sinne des § 127 Abs. 4 eingebracht wurde."

Der Beschwerdeführer hat eine "Nullerklärung" für alkoholische Getränke abgegeben und damit einen Rechtsbehelf erhoben, der allerdings iS des Urteils des EuGH vom 9. März 2000, Rs C-437/87 , verspätet eingebracht worden ist, weil er erst nach dem 9. März 2000 bei der Abgabenbehörde eingebracht wurde.

Der Beschwerdeführer hat allerdings auch einen Antrag auf Rückzahlung der geleisteten Getränkesteuerzahlungen mit seinem Schreiben vom 8. März 2000 gestellt. Damit hat er einen Rechtsbehelf iS des Urteils des EuGH vom 9. März 2000, Rs C- 437/87 , erhoben. Dieser Antrag auf Rückzahlung ist seinem Inhalt nach ein Antrag auf Überprüfung der Rechtsfrage, ob und inwieweit die Abgabenschuld entstanden ist und sodann ein Antrag auf Rückzahlung eines dadurch allenfalls entstandenen Guthabens (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 2001, Zl. 2000/16/0704, mit weiteren Zitaten).

Die belangte Behörde vertrat die Ansicht, es läge eine Abgabenhinterziehung vor und damit sei die zehnjährige Verjährungsfrist anzuwenden.

Eine Abgabenhinterziehung begeht gemäß § 132 Abs. 1 lit. b V-AbgVG, wer zu seinem oder eines anderen Vorteil als Abgabenpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten Abgabenpflichtiger vorsätzlich eine Abgabenverkürzung dadurch bewirkt, dass er eine abgabenrechtliche Offenlegungs-, Anzeige- oder Wahrheitspflicht (§§ 54, 55, 57 Abs. 1, 59 und 60) verletzt. Eine Abgabenverkürzung ist bewirkt, wenn Abgaben, die nicht bescheidmäßig festzusetzen sind, den Abgabenvorschriften zuwider nicht oder nur teilweise entrichtet (abgeführt) wurden.

Voraussetzung für das Vorliegen einer Abgabenhinterziehung ist auch die vorsätzliche Verletzung der Offenlegungspflicht.

Der Beschwerdeführer hat - wie im Sachverhalt bereits dargestellt - die Bemessungsgrundlage für die Getränkesteuer für das Kalenderjahr 1999 offen gelegt und nur in der Gesamtsumme der Getränkesteuer für alkoholische Getränke eine "Nullerklärung" abgegeben. Von einer Verletzung der Offenlegungspflicht und daher auch von einer Abgabenhinterziehung - einem vorsätzlichen Abgabendelikt - kann unter diesen Umständen keine Rede sein. Die zehnjährige Verjährungsfrist war im Beschwerdefall daher nicht anzuwenden.

Verjährung ist aber dennoch nicht gegeben, weil sowohl die belangte Behörde als auch der Beschwerdeführer übersehen, dass ein Antrag des Beschwerdeführers auf Abgabenfestsetzung und damit ein Antrag nach § 19 V-AbgVG vorliegt (vgl. zur insofern vergleichbaren Rechtslage, Ritz, BAO-Kommentar, Tz 8 zu 209a BAO), sodass gemäß § 83 Abs. 8 V-AbgVG die Verjährung der Abgabenfestsetzung im Beschwerdefall nicht eingetreten ist.

In Ansehung des Beschwerdepunktes wurde der Beschwerdeführer somit in seinem Recht auf "Nichtfestsetzung von Getränkesteuer nach Eintritt der Verjährung" nicht verletzt.

In seinem Recht auf Rückzahlung der Getränkesteuer konnte der Beschwerdeführer nicht verletzt sein, weil die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid darüber gar nicht entschieden hat.

Der Beschwerdeführer erhob "alternativ" auch Säumnisbeschwerde nach Art. 132 B-VG.

Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht der Verwaltungsbehörden einschließlich in der unabhängigen Verwaltungssenate kann gemäß Art. 132 B-VG erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer durch seinen fristgerechten Antrag auf Rückzahlung der Getränkesteuer auch einen Antrag auf Überprüfung der Rechtsfrage und damit einen Antrag auf Festsetzung einer Selbstberechnungsabgabe gestellt hat. Somit wurde ihm nicht die Möglichkeit eines Rechtsmittels entzogen. Abgesehen davon behauptet der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen im Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde gar nicht, dass die Behörde noch mit einer Entscheidung säumig ist, sondern rügt die verspätete Erlassung eines Bescheides, die ihm nach seiner Ansicht nach die Möglichkeit eines Rechtsmittels genommen hat. Eine solche Säumnisbeschwerde ist ungeachtet noch tatsächlich ausstehender Entscheidungen der Abgabenbehörden, für die die Zuständigkeit der belangten Behörde noch nicht gegeben ist, unzulässig.

Aus diesen Erwägungen war die Bescheidbeschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen und die Säumnisbeschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die mitbeteiligte Partei ist nicht Partei des Säumnisbeschwerdeverfahrens (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1989, Zl. 89/04/0179), so dass ihr insoweit keine Kosten für die Gegenschrift zuzusprechen waren.

Wien, am 18. September 2007

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